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US-Außenpolitik
Wackelkandidat der internationalen Bühne

Die Obama-Regierung überrascht immer wieder durch Wendungen in ihrer außenpolitischen Ausrichtung. Zuletzt sorgten Äußerungen von Außenminister John Kerry über mögliche Verhandlungen mit dem Syriens Machthaber Assad für Verwirrung. Im Konflikt mit Russland spielt Washington dagegen vor allem auf Zeit.

Von Marcus Pindur | 21.03.2015
    Wollen weitreichende Befugnisse im Kampf gegen den IS: US-Präsident Barack Obama mit seinem Vize Joe Biden (l.) und Außenminister John Kerry (r.)
    Manche Wendungen in der Außenpolitik: US-Präsident Barack Obama mit seinem Vize Joe Biden (l.) und Außenminister John Kerry (r.) (AFP / JIM WATSON)
    Er verwirrte Freunde wie Feinde gleichermaßen: Der amerikanische Außenminister John Kerry schien eine Kehrtwende in der amerikanischen Syrien-Politik vollzogen zu haben. Man müsse mit dem Diktator Assad in Verhandlungen treten, so Kerry in einem Interview am vergangenen Wochenende:
    "Wir arbeiten mit anderen Parteien in der Region daran, einen diplomatischen Prozess in Gang zu setzen. Es gibt keine militärische Lösung, nur eine politische. Aber um Assad zu Verhandlungen zu bewegen, müssen wir den Druck auf ihn erhöhen. Und das passiert gerade jetzt."
    Bislang hatte die amerikanische Regierung darauf beharrt, dass der syrische Machthaber Assad abgelöst werden müsse – und deswegen kein adäquater Verhandlungspartner sein könne. Wie man auf Assad Druck ausüben solle, welches Ziel die von ihm ins Spiel gebrachten Verhandlungen haben sollten, das ließ Kerry offen.
    "Am Ende werden wir mit ihm verhandeln müssen."
    State Department ruderte zurück
    Doch dabei blieb es nicht. Das State Department ruderte umgehend zurück. Die Sprecherin des US-Außenministeriums erklärte einen Tag später, direkte Gespräche mit Assad werde es nicht geben. Jemand, der Zehntausende seiner eigenen Landsleute getötet habe, habe keine Berechtigung, für die Zukunft seines Landes eine Rolle zu spielen.
    Doch der Schaden war angerichtet. Sofort wurde die Erinnerung an die rote Linie wach, die Barack Obama rhetorisch gezogen, aber nie mit realen Konsequenzen bewehrt hatte. Wieder einmal stand die Obama-Administration als außenpolitischer Wackelkandidat auf der internationalen Bühne, die derzeit an Krisen reich ist.
    Kritik musste sich Obama in den vergangenen Monaten immer wieder auch im Umgang mit dem Krieg in der Ukraine anhören. Zu zurückhaltend sei der Präsident, so ein Chor außenpolitischer Experten. Sogar Obamas neuer Verteidigungsminister Ashton Carter ließ erkennen, dass er die Lieferung defensiver Waffen an die Ukraine befürworten würde – er wurde jedoch schnell vom Weißen Haus zurückgepfiffen.
    Zurückhaltung im Ukraine-Konflikt
    Die Politikwissenschaftlerin Frances Burwell ist Vizepräsidentin des Atlantic Council, eines Washingtoner Thinktanks. Traditionell würde man in einem Konflikt des Westens mit Russland eine Führungsrolle der USA erwarten – dies sei aber in der Tat im Falle der Ukraine anders.
    "Das ist zum Teil so, weil die Obama-Administration andere Prioritäten hat, zum Teil aber auch, weil die Europäer hier aktiv geworden sind. Hier herrscht ein Konsens darüber, dass Bundeskanzlerin Merkel bestens geeignet ist, der vorrangige Verhandlungspartner Putins zu sein. Darüber hinaus wird das als Sache der Europäer angesehen, weil die Krise sich in ihrer direkten Nachbarschaft abspielt."
    Die Obama-Administration war besonders in der ersten Phase des Konfliktes aktiv. Sie drängte die Europäer zu Sanktionen und versuchte, eine einheitliche Haltung des Westens zu erreichen. Auf dem NATO-Gipfel in Wales wurde eine 5000-Mann-Eingreiftruppe der NATO für Osteuropa beschlossen. Die Bündnisstaaten am östlichen Rand bekamen Rückversicherung in Form von Luftraumüberwachungspatrouillen und kleineren, rotierenden Verbänden der NATO, auch der USA.
    Seitdem hält sich die Obama-Regierung zurück. Eine weitere, 30.000 Mann starke Eingreiftruppe für Osteuropa soll allein von den Europäern gestemmt werden. Und was die Lage im Nicht-NATO-Staat Ukraine betreffe, so sei Präsident Obama mit der Lieferung von Waffen zurückhaltend, unter anderem auch, weil das die Einheit des Westens gegenüber Russland gefährden könnte.
    "Es gibt keinen einheitlichen Standpunkt in der Frage, ob man der Ukraine Waffen zu liefern hat. Deutschland ist dagegen. Hier in den USA werben einige Außenpolitikexperten dafür. Aber Obama sieht Waffenlieferungen nach wie vor skeptisch."
    USA spielt auf Zeit
    Einer der Gründe dafür liegt darin, dass sich der amerikanische Präsident keinen Konflikt mit Russland zu Putins Konditionen aufdrängen lassen will. Ein Konflikt, in den Russland militärisch deutlich mehr zu investieren bereit ist. Europa und die USA sollten sich neben dem Aufbau der Ukraine einem anderen Projekt widmen, das Putin gerne entgleisen sehen würde, dem Handelsabkommen TTIP, so die Politikwissenschaftlerin Frances Burwell.
    "Putin will, das zwischen Europa und den USA ein Riss entsteht. Und ich glaube nicht, dass er nur in militärischen Dimensionen denkt. TTIP ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch strategisch wichtig. Wenn wir dieses Handelsabkommen nicht abschließen, wird Putin dies als einen Sieg betrachten."
    Die Zurückhaltung der Obama-Administration in der Ukraine-Krise hat aber noch einen weiteren Hintergrund. In Washington ist man der Ansicht, dass Russland eine im Abstieg begriffene Großmacht ist. Die Sanktionen entfalten ihre Wirkung erst mit Verzögerung, der Aufbau des westlichen Teils der Ukraine braucht Zeit, und Russland ist vom Ölpreis abhängig. Die Zeit, so glaubt man im Weißen Haus, ist auf der Seite des Westens.