Samstag, 20. April 2024

Sanktionen
Wie der Westen Russland und Putin unter Druck setzt

Als Reaktion auf den anhaltenden russischen Angriff auf die Ukraine verschärfen die EU, die USA und weitere Staaten ihre Sanktionen gegen Russland. Diese betreffen unter anderem die Bereiche Energie, Finanzen und Transport. Auch internationale Sportverbände positionieren sich.

01.03.2022
    Russlands Präsident Putin im Porträt
    Russlands Präsident Putin (imago/SNA/Sergey Guneev)
    Nach der russischen Invasion in der Ukraine hat der Westen reagiert. Mit weiteren harten Sanktionen wollen die EU und die USA die russische Wirtschaft weiter gezielt schwächen. Zudem soll es Moskau erschwert werden, seine Devisenreserven im Ausland anzuzapfen. Die EU, die USA und andere Staaten beschlossen zudem persönliche Sanktionen gegen Putin und Außenminister Sergej Lawrow. Damit kann ihr Vermögen etwa in der EU eingefroren werden.

    Luxemburgs Außenminister Asselborn sagte am 25. Februar, ein Einreiseverbot für Putin und Lawrow in die EU solle es aber vorerst nicht geben, da man die Verhandlungskanäle offen halten wolle. Militärisch halten sich die Bündnispartner aus dem Krieg in der Ukraine heraus, bringen sich aber an den NATO-Grenzen in Stellung.
    Alle aktuellen Entwicklungen: Newsblog zum Krieg in der Ukraine

    Welche Sanktionen wurden von der EU beschlossen?


    Russische Banken werden von den internationalen Kapital- und Finanzmärkten im Westen abgeschnitten. Die Kreditinstitute sollen künftig in der EU kein Geld mehr leihen und verleihen dürfen. Dadurch könnten Russlands Kreditkosten in die Höhe getrieben und die Inflation gesteigert werden, verspricht sich die EU.

    Die EU beschloss auch direkte Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinen Außenminister Lawrow. Damit können ihre Vermögenwerte in der EU eingefroren werden. Auch weitere Personen aus dem Umfeld Putins werden nun auf Sanktionslisten geführt, etwa Kreml-Sprecher Dmitri Peskow und russische Oligarchen.

    Video: Welche Folgen hat der Krieg auf die Wirtschaft?

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    Sanktionen gegen den Verkehrssektor sollen dafür sorgen, dass die russische Flugzeugindustrie nicht mehr mit Ersatzteilen beliefert wird. Drei Viertel der in Russland eingesetzten zivilen Flugzeuge stammten aus dem Westen, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Branche hänge massiv vom Import aus dem Westen ab.

    Zudem haben sich die Mitgliedstaaten auf Exportkontrollen für Hightech-Produkte und Software geeinigt. Ziel ist hier, Russland die Entwicklung technologischer Innovationen zu erschweren. Auch sind Einschränkungen bei der Visapolitik für Geschäftsreisende geplant.

    Ausschluss aus Banken-Netzwerk SWIFT als Sanktionsmittel

    Als Reaktion auf die fortgesetzten Angriffe Russlands in der Ukraine haben die westlichen Verbündeten am 26.02.2022 außerdem den Ausschluss einer Reihe russischer Banken aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT beschlossen. Der Beschluss wurde von den USA, Frankreich, Kanada, Italien, Großbritannien, der EU-Kommission und Deutschland getroffen.

    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, der russischen Zentralbank solle die Möglichkeit genommen werden, ihre Guthaben international einzusetzen. Die neuen Maßnahmen würden den russischen Präsidenten Putin daran hindern, seinen Krieg zu finanzieren.
    Das Europäische Parlament stuft Russland wegen der Invasion in der Ukraine als "Schurkenstaat" ein und fordert weitere Sanktionen gegen die Regierung in Moskau. Dies geht aus einem Entwurf für eine Entschließung am 01.03.2022 hervor, die die Parlamentarier am Dienstag in einer Dringlichkeitssitzung verabschieden wollen.
    Für Irritationen hatte die Schweiz gesorgt, die zunächst - wie schon bei der Annexion der Krim 2014 - auf ihre politische Neutralität pochte. Sie wollte zunächst lediglich sicherstellen, dass Sanktionen nicht über die Schweiz umgangen würden. Am 28. Februar lenkte sie ein und die Regierung in Bern beschloss, die EU-Sanktionen gegen Russland zu übernehmen. Die Schweiz sperrte damit umgehend die Vermögen der von der EU aufgeführten Personen und Unternehmen aus Russland. Auch die Finanzsanktionen gegen Präsident Putin, Premierminister Mischustin und Außenminister Lawrow wurden übernommen. Zudem verhängte das Land Einreisesperren für Menschen, die dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahe stehen.
    Sanktionen sind in den vergangenen Jahren zu einem geläufigen Instrument der EU-Außenpolitik geworden. Gegen Russland wurden sie seit 2014 wegen der andauernden Attacken auf die Ukraine immer weiter verschärft.

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    Welche Sanktionen wurden von der USA beschlossen?

    In seiner ersten Rede zur Lage der Nation kündigte US-Präsident Joe Biden an, dass die USA ebenso wie die EU und Kanada ihren Luftraum für russische Flugzeuge sperren werden (02.03.2022). Die US-Regierung hatte zuvor auch gegen den russischen Finanzsektor Sanktionen verhängt. Betroffen sind unter anderem die zwei größten Banken, die Sberbank und VTB-Bank. Das Ziel ist, die Finanzinstitute vom US-Finanzmarkt abzuschneiden und ihnen vor allem den Zugang zur internationalen Handelswährung, dem US-Dollar, zu verwehren. Sberbank und VTB-Bank halten rund 80 Prozent der Vermögenswerte des russischen Bankensektors und wickeln täglich Geschäfte in Höhe von mehreren 10 Milliarden Dollar ab. Präsident Joe Biden hatte zuvor geäußert, Großbritannien und Japan planten dieselben Schritte.
    Dazu kommen US-Exportkontrollen für Spitzentechnologie. Diese werden durch Maßnahmen der europäischen Partner ergänzt. Das schränkt die Modernisierungpotentiale des russischen Militärs, der russischen Luft- und Raumfahrtindustrie und des Schiffbaus deutlich ein. Biden sagte weiterhin, all diese Maßnahmen seien auf maximale langfristige Wirkung angelegt. In den USA gibt es zudem Sanktionen gegen Mitglieder der russischen Elite rund um Wladimir Putin. Anders als die EU plant der US-Präsident aber keine Sanktionen gegen ihn persönlich. Die Möglichkeit liege aber auf dem Tisch. Biden will sich auch dafür einsetzen, dass in den USA die Preise an den Tankstellen stabil blieben. Die USA verdächtigen Russland immer wieder, das Erdgas- und öl als Waffe einsetzen zu wollen.

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    Die Vereinigten Staaten verhängten auch Sanktionen gegen das am Ukraine-Krieg beteiligte Belarus. Das US-Finanzministerium wandte sich mit Zwangsmaßnahmen gegen 24 belarusische Einzelpersonen und Organisationen wegen der Unterstützung der Invasion durch Russland.

    Wie sehr werden die Sanktionen Russland schaden?

    Nach Inkrafttreten des zweiten Sanktionspakets am 28.02.2022 kollabierten die russischen Finanzmärkte zunächst. Als Gegenmaßnahme verdoppelte die Russischen Zentralbank die Leitzinsen am Montag auf 20 Prozent. Die Sanktionen des Westens würden Russland aber nicht zu einem Kurswechsel bewegen, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.
    Die EU verspricht sich von den beschlossenen Sanktionen, dass die russische Wirtschaft ernsthaft geschwächt wird. Die Sanktionen zielten darauf ab, das Wirtschaftswachstum zu stoppen, den Kapitalabfluss zu verstärken und die industrielle Basis allmählich "auszuhöhlen", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Das umfangreiche Sanktionspaket werde die russische Wirtschaft von industriellen Innnovationen abkoppeln.

    Im ZDF sagte Habeck am 01.03.2022, dass Russland mittels der Sanktionen zurück an den Verhandlungstisch gezwungen werden müsse. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire erklärte laut Agenturmeldungen am 01.03.2022, mit den Sanktionen werde ein Wirtschaftskrieg gegen Russland geführt, mit denen man den Zusammenbruch der russischen Wirtschaft herbeiführen werde.

    Mehr zu den bisherigen Sanktionen gegen Russland:

    Russland zeigte sich zunächst demonstrativ gelassen. Man verfüge über ausreichend finanzielle Ressourcen, um die Stabilität des russischen Finanzsystems trotz Sanktionen und Drohungen zu gewährleisten, teilte die russische Regierung am Donnerstag, 24.2.2022, der Agentur Tass zufolge mit.

    Welche Folgen haben die Sanktionen für Deutschland und Europa?

    Die Auswirkungen der Sanktionen auf die Volkswirtschaften der EU sind bislang moderat. Einzelne Branchen sind aber betroffen, etwa die Luftfahrt wegen der gegenseitigen Sperrung von Lufträumen durch die EU, Kanada und Russland. Das Risiko für die Banken hält der Präsident des Bundesverbands deutscher Banken, Christian Sewing, bislang insgesamt für gering, mit Ausnahme von Banken, die russische Schuldner haben.

    Betroffen sind laut dem Branchenverband VDMA außerdem weite Teile des europäischen Maschinen- und Anlagenbaus. Es gehe um mehrere hundert Millionen Euro, aber dennoch seien die Sanktion richtig, hieß es. Weitere Branchen, etwa die Autobranche, die Schiffahrt und Energieunternehmen, ziehen sich aus Geschäften mit Russland zurück.
    Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland (01.03.2022)
    Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm erwartetet schwerwiegende Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf das Wachstum in Deutschland. "Infolge der Krise wird sich kurzfristig die Konjunktur eintrüben, beispielsweise aufgrund einer Verschärfung der Lieferkettenproblematik, weiterhin hohen Energiepreisen oder auch Reaktionen der Finanzmärkte auf die Sanktionen", sagt Grimm den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Mittel- bis langfristig wird die teilweise Entkopplung der Wirtschaftsräume und die nun wohl notwendige Diversifizierung die wirtschaftliche Entwicklung bremsen, einfach weil sich dadurch Wachstumsperspektiven eintrüben."
    Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte, die Sanktionen haben „auch Rückwirkungen auf Deutschland“. Wirtschaftsminister Robert Habeck sagte, Auswirkungen auf bestimmte Wirtschaftsbereiche seien nicht zu verhindern, aber in Kauf zu nehmen. Der Preis dafür, Diplomatie wieder möglich zu machen, sei es, die Sanktionen zu verhängen. Gerechnet wird mit einem weiteren Anstieg der Rohstoff- und Energiepreise.
    Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft: "Je gezielter die Sanktionen, desto besser"

    Was würde Russland am meisten unter Druck setzen?

    Die EU könnte ein Handelsstopp für Erdgas aus Russland beschließen. Dies ist bisher nicht vorgesehen, aber das würde die russische Wirtschaft am schwerwiegendsten treffen. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat die Folgen eines völligen Importverbots aller Gasimporte aus Russland berechnet.  
    Die Grafik bildet die Veränderung des russischen BIP bei sektoralen Sanktionen der westlichen Verbündeten ab.
    Aktuelle Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW Kiel) zeigen, mit welchen Handelssanktionen der Westen die russische Wirtschaft am härtesten treffen würde. (ifW)
    Die Folgen eines solche Embargos beziffert das IfW Kiel auf rund drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Ein Handelsstopp mit Öl würde die Wirtschaftsleistung um 1,2 Prozent schrumpfen lassen. Während die Folgen eines Gas- und Öl-Embargos für Russland finanziell schmerzhaft sein könnten, gehen die Analysten für Deutschland und die EU nur von einem minimalen negativen Effekt aus. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte, dass ein Lieferstopp, von welcher Seite er auch ausgelöst würde, nicht zu einem Versorgungsengpass in Deutschland führen würde. Die Gasspeicher seien aufgrund des milden Winters ausreichend gefüllt.

    Wie reagiert der Sport auf die russische Invasion?

    Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine zieht auch der Sport Konsequenzen. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) empfiehlt, dass russische und belarussische Sportlerinnen und Sportler sowie Funktionäre nicht mehr an internationalen Wettbewerben teilnehmen dürfen. Das IOC begründet die Entscheidung oder Empfehlung an die Weltverbände und Ausrichter damit, dass Russland und Belarus den olympischen Frieden gebrochen haben.
    An den ausstehenden Paralympics, die am 04.03.2022 beginnen und bis zum 13. März andauern, dürfen russische und belarussische Athleten teilnehmen. Dazu hat sich das Internationale Paralympische Komitee entschlossen. Wie das IPC mitteilte, starten die Athletinnen und Athleten der beiden Länder neutral und unter paralympischer Flagge. Auch die Hymnen dürfen nicht gespielt werden. Beide Verbände werden zudem nicht im Medaillenspiegel berücksichtigt.
    Wie internationale Sportverbände reagieren (01.03.2022)
    Beim Weltfußballverband FIFA gibt es ähnlich harte Reaktionen. Die Nationalmannschaft Russlands wird von der WM-Qualifikation ausgeschlossen. Bemerkenswert ist auch, dass die UEFA die Zusammenarbeit mit Sponsor Gazprom sofort beendet.
    Im Tennis forderte die ukrainischen Athletin Jelina Switolina im Namen aller ukrainischen Spielerinnen und Spieler die ATP, die WTA und den Weltverband auf, der IOC Empfehlung zu folgen und russische und belarussische Sportler nur noch als neutrale Athleten antreten zu lassen.

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    Auch im Eishockey zog der Weltverband Konsequenzen. Russland ist "bis auf Weiteres" von allen Wettbewerben ausgeschlossen.

    Im Schwimmen dürfen russische Athleten noch an internationalen Wettkämpfen des Weltverbands Fina teilnehmen. Sie sollen allerdings nur als neutrale Athleten oder Mannschaften zugelassen werden, wie der Weltschwimmverband mitteilte. Die Teilnahme unter dem Namen Russland sei nicht mehr erlaubt. 
    (Quellen: Peter Kapern, Doris Simon, dpa, Reuters, AP, AFP)