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Lokalzeitungssterben in der Coronakrise

Um US-Lokalzeitungen war es wirtschaftlich schon lange schlecht bestellt - die Corona-Pandemie hat ihre Situation noch verschlimmert. Über 60 Redaktionen mussten bereits schließen. Die verbleibenden Journalistinnen und Journalisten kämpfen nun um finanzielle Unterstützung.

Von Sinje Stadtlich | 26.10.2020
Ein Zeitungsstand, aufgenommen am 22.05.2012 in Chicago, Illinois/USA.
Die Coronapandemie, die in vielen Branchen Millionen Arbeitsplätze gekostet hat, trifft die Lokalzeitungen in den USA besonders hart (dpa-Zentralbild/ Peer Grimm)
Vom "Honolulu Star-Advertiser" in Hawaii bis zum "Miami Herald" in Florida gibt es fast keine Lokalzeitung, die nicht vom massiven Einbruch des Anzeigengeschäftes betroffen wäre. Und fast keine kam ohne Einsparungen beim Personal aus.
Henri Gendreau ist einer von tausenden Journalistinnen und Journalisten im ganzen Land, die wegen Corona für eine Zeitlang auf ihr Gehalt verzichten mussten. Immerhin hat er noch seinen Job als Wissenschaftsreporter bei der "Roanoke Times" in Virginia.
"Die Verleger haben auf ihr Budget geschaut und gesagt: Wir können doch einfach unsere Mitarbeiter in unbezahlten Urlaub schicken. Das hieß zum Beispiel auch, dass unser Gesundheitsreporter dann für zwei Wochen nicht arbeiten konnte. Mitten in einer Pandemie, in der Menschen doch angewiesen sind auf die lokalen Nachrichten über die Gesundheitsversorgung. Ich sag mal, ideal war das nicht."
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Lokalzeitungen besonders stark von der Krise betroffen
Kristen Hare sammelt für das Poynter Institute Daten darüber, welche Einschnitte es seit März bei den Lokalzeitungen gegeben hat. An manchen Tagen komme sie kaum hinterher, sagt sie: "Ich beginne eigentlich jeden Tag damit, in meinem Postfach die Nachrichten von entlassenen Journalisten zu lesen. Sie wollen, dass die Menschen wissen, was da gerade passiert. Es gibt Journalisten, die im unbezahlten Urlaub waren und zurückkamen zur Arbeit, nur um dann entlassen zu werden. Sie sorgen sich um die Menschen in ihrer Gemeinschaft und wollen gern für sie berichten, es ist einfach fürchterlich."
Ein Mann auf einem Markt in Munnar (Indien) liest eine Zeitung.
Lokaljournalismus weltweit - Vom Robotertext bis zur Newshotline
Wie sich lokale Nachrichten verbreiten, ist weltweit völlig unterschiedlich. Bei einem Workshop haben sich Journalistinnen aus verschiedenen Ländern über ihre Arbeitstechniken ausgetauscht.
Auch überregionale Zeitungen, Radio- und Fernsehsender spüren die Auswirkungen der Krise. Doch für die Lokalzeitungen seien sie besonders schlimm, sagt Kristen Hare.
"Sie sind im Grunde wie Patienten mit Vorerkrankungen. Es ging ihnen schon vor Corona schlecht, sie haben versucht, den Übergang in die digitale Welt zu schaffen. Aber dann kam die Pandemie, die das lokale Anzeigengeschäft eine Zeitlang im Prinzip lahmgelegt hat. Und so gibt es nach wie vor Entlassungen und Gehaltskürzungen, und das Schlimmste ist, glaube ich, die hohe Zahl der Schließungen."
Zuletzt hat der Verleger Tribune fünf seiner Redaktionen bis auf weiteres geschlossen – die Reporterinnen und Reporter sollen weiter aus dem Homeoffice arbeiten, wie schon in den vergangenen Monaten.
Gewerkschaften kämpfen um finanzielle Unterstützung
Einige Lokalzeitungen haben seit März finanzielle Hilfen im Rahmen des staatlichen "Paycheck Protection Program" bekommen, mit denen sie ihre Reporter erst einmal weiter bezahlen konnten. Zeitungen, die zu großen Konzernen gehören, waren davon allerdings ausgenommen.
Die "NewsGuild", die Journalisten-Gewerkschaft, kämpfe mit ihrem Projekt "Save The News" für weitere Unterstützung, sagt ihr Präsident Jon Schleuss: "Wir haben einige Erfolge erzielt, aber das politische Klima in den USA ist im Moment so, dass die Politik sich nicht auf weitere Hilfen einigen kann. Wir wollen, dass auch Zeitungen, die zu großen Konzernen gehören, von der finanziellen Unterstützung profitieren können. Es ist wirklich frustrierend, dass die Konzerne und die Regierung nicht genug tun, um einen so wichtigen Pfeiler der Demokratie zu unterstützen."
Das Bild zeigt die amerikanische Flagge, Dossier zur US-Wahl 2020 
Und auch Journalisten selbst sammeln Spenden für ihre bedürftigen Kollegen – so wie Henri Gendreau von der "Roanoke Times". Er hat das Projekt "Virginia is for Journalists" gegründet.
"Fünf andere Reporter und ich, wir hatten diese Idee einen Hilfsfonds für Virginia zu gründen, um Journalisten durch diese Zeit zu helfen. Das sind eigentlich keine guten Nachrichten. Also dass individuelle Journalisten durch einen Spendenaufruf Geld für ihre Kollegen sammeln, dass wir auf die Großzügigkeit fremder Menschen angewiesen sind, die Lokaljournalismus unterstützen wollen. Eigentlich sollten wir das nicht machen müssen."
Im April haben sie begonnen mit ihrer Kampagne. Was eigentlich als Überbrückung für wenige Wochen gedacht war, ist mittlerweile zu einem Langzeitprojekt geworden – ein Ende ist nicht in Sicht.
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