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Verbraucherschutz zu Lebensmittelskandal
"Wir müssen intelligenter kontrollieren"

Die Zahl der Lebensmittelkontrollen sei in Deutschland ausreichend, sagte der Leiter des niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz, Eberhard Haunhorst, im Dlf. Der Datenaustausch von Bundesland zu Bundesland sei allerdings zu langsam und es fehle oft das geeignete Personal.

Eberhard Haunhorst im Gespräch mit Silvia Engels |
Ein Labormitarbeiter zeigt Fleischproben, die für eine DNA-Untersuchung vorbereitet werden.
Angesichts eines neuen Falls von gesundheitsschädlichen Bakterien in Fleischwaren hat Niedersachsen ein länderübergreifendes Kontrollsystem gefordert (picture alliance /dpa /Florian Schuh)
Silvia Engels: Im Sommer machte ein Skandal um den hessischen Wursthersteller Wilke Schlagzeilen. Über Wochen unentdeckt waren Fleischprodukte in den Handel gekommen, die mit Listerien-Keimen versetzt waren. Dieses Bakterium ist bei Infektionen für die meisten Menschen nicht lebensgefährlich. Es kann aber bei Personen mit angeschlagenem Immunsystem verheerend wirken.
Der Listerien-Fall in Hessen wird mittlerweile mit drei Todesfällen und über 30 Krankheitsfällen in Verbindung gebracht. Am Wochenende haben die niedersächsischen Behörden nun ausführlicher einen Fall aus dem niedersächsischen Landkreis Vechta geschildert.
Mitgehört hat Professor Eberhard Haunhorst. Er leitet das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, abgekürzt LAVES. Gemeinsam mit den Landkreisen ist dieses Amt für die Kontrollen der Lebensmittelsicherheit zuständig. Guten Morgen, Herr Professor Haunhorst.
Eberhard Haunhorst: Guten Morgen, Frau Engels.
Engels: Haben Sie über das, was bislang zusammengestellt wurde, heute Früh neue Erkenntnisse zu diesem Fall von Fleisch-Krone Feinkost?
Haunhorst: Nein, das aktuell noch nicht. Wir werten jetzt auch die Kontrollergebnisse aus der Besichtigung in Cloppenburg noch aus und es wird dazu heute noch wieder eine weitere Lagebesprechung geben, und dann werden wir wissen, ob es dazu Neues oder neue Erkenntnisse gibt.
Engels: Wir haben es im Beitrag ja gehört. Schon länger stand dieser Betrieb unter der Vorwarnung "erhöhtes Risiko". Da fragen sich die Verbraucher natürlich, warum trotzdem noch Fleisch aus diesem Betrieb in den Handel kommen konnte.
Haunhorst: Es waren ja von den Landkreisen auch in Abstimmung mit dem Land oder dem LAVES engmaschige Kontrollen festgelegt worden und Eigenkontrollen festgelegt worden, so dass jede Charge nur in Verkehr gebracht werden durfte, wenn sie auch vorher freibeprobt worden ist. Das ist eine sehr intensive auch mikrobiologische Überwachung, und damit ist normalerweise sichergestellt, dass nur solche Produkte in Verkehr kommen, die dann auch tatsächlich unproblematisch sind.
Eine Hand mit Gummihandschuh zeigt eine aufgeschnittene Frikadelle. 
Lebensmittelkontrolle - Listerien in Frikadellen gefunden
Nach dem Lebensmittelskandal um einen hessischen Wursthersteller wurden in einer Fleischfirma in Niedersachsen nun ebenfalls gefährliche Listerien festgestellt. Zwei große Discounter in sieben Bundesländern soll das Unternehmen mit den betroffenen Produkten beliefert haben.
Engels: Aber einiges erreichte doch die Supermärkte, musste zurückgerufen werden. Wie kommt es dazu?
Haunhorst: Ja, das scheint so zu sein, dass offensichtlich doch nicht alle Untersuchungsergebnisse mitgeteilt worden sind und dass dies dann im Prinzip dazu geführt hat, dass dann doch Produkte ausgeliefert wurden, die nicht in Ordnung waren. Als die Behörden das festgestellt haben, haben wir ja auch sofort reagiert, dass entsprechende Meldungen gemacht worden sind und ein Rückruf angeordnet wurde.
"Das ist auch was für die Fachleute"
Engels: Sie haben es schon angedeutet: Dem Betrieb ist mittlerweile die Zulassung vorerst entzogen. Was muss denn alles zusammenkommen, damit einem solchen Hersteller die Genehmigung gar nicht mehr erteilt wird?
Haunhorst: Wenn er dauerhaft unzuverlässig ist, dann könnten wir auch dauerhaft die Zulassung entziehen, und er darf natürlich nur wieder produzieren, wenn er tatsächlich nachweisen könnte, dass er sicher produziert. Nun ist eine Listerien-Kontamination, eine Verunreinigung mit Listerien, eine nicht immer ganz einfache Geschichte, überhaupt rauszukriegen, was sind die Quellen. Da ist unter Umständen auch einiges am Betrieb dann zu verändern. Das hat viel mit Hygiene zu tun.
Aber es ist manchmal sehr schwer rauszukriegen, wie die Kontamination in ein Produkt reinkommt. Das ist auch was für die Fachleute, die jetzt vor Ort einmal auf Veranlassung des Betriebes, aber auch in Zusammenarbeit mit den Behörden gucken, wo noch eine mögliche Kontaminationsquelle sein kann.
Engels: Ist denn sichergestellt, dass nun alle möglicherweise belasteten Produkte aus dem Handel genommen sind?
Haunhorst: Ich hoffe das. Die Ermittlungen laufen ja noch und wir werden sehen, ob da noch wieder weitere Chargen auftauchen, die nicht in Ordnung sind. Aber momentan haben wir dazu noch keine abschließenden Erkenntnisse.
Engels: Dann weiten wir den Blick. Wir haben ja vor einigen Monaten den Fall des Fleischherstellers Wilke in Hessen gehabt, der mit mehreren Todesfällen und einigen Erkrankungen in Zusammenhang gebracht wird. Haben generell Ministerien und Ämter das Problem der Listerien-Bakterieninfektion in Lebensmitteln unterschätzt?
Haunhorst: Nein, das glaube ich nicht. Es ist wie gesagt relativ komplex, die Materie mit Listerien und dem Nachweis, und wir haben sehr viel in der Analytik in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Wir können heute auch eher Zusammenhänge zwischen Erkrankungen beim Menschen und Lebensmitteln herstellen. Da gibt es neue Untersuchungstechniken. Dadurch kommen auch mehr Sachverhalte in die Aufklärung, dass bei Menschen Listeriose-Fälle festgestellt werden und man versucht, Zusammenhänge mit Lebensmitteln herzustellen. Das geht heute durch andere Verfahren, die man früher gar nicht hatte.
Fleischwaren liegen in der Theke in einer Metzgerei in Nordrhein-Westfalen.
Keime in Lebensmitteln - Wie man sich vor Listerien schützen kann
Listerien sind Bakterien, die in Produkten des Wurstwarenherstellers Wilke nachgewiesen wurden. Sie können für Menschen mit geschwächtem Immunsystem lebensgefährlich sein. Sie können sich auch auf Obst und Gemüse ansiedeln. Kurzes Braten oder Kochen tötet die Keime ab.
Engels: Sie haben es gesagt. Dieser Betrieb wurde schon engmaschiger überwacht. Trotzdem sind offenbar einige belastete Chargen nach außen gedrungen. Sind hier die Kontrollen ausreichend, oder bräuchte es noch mehr davon?
Haunhorst: Ich glaube nicht, dass die Antwort sein kann, dass wir noch mehr kontrollieren. Erst mal sind die Betriebe selber verantwortlich für die Lebensmittelsicherheit. Man kann höchstens darüber reden, ob wir Kontrollen noch enger miteinander vernetzen müssen, oder vielleicht teilweise noch intelligenter kontrollieren müssen. Das stellt die Frage, wie weit Kontrollen auch über Ländergrenzen hinaus abgestimmt werden, miteinander abgestimmt in konzertierten Aktionen durchgeführt werden. Diese Fragen, ich glaube, die stehen ein bisschen auf der Tagesordnung.
Engels: Datenaustausch - ein wichtiges Thema. Nun sind diese Kontrollen Ländersache. Muss sich das ändern? Muss der Bund hier mehr Zuständigkeit bekommen?
Haunhorst: Ich weiß nicht, ob der Bund mehr Zuständigkeit bekommen muss. Aber es muss zumindest so sein, dass wir alle auf ein System zurückgreifen können, wo auch jeder von jeder Überwachungsbehörde mit den anderen kommunizieren kann und auch sehen kann, was zum Beispiel in einem Fall schon veranlasst worden ist.
Es kann ja zum Beispiel auch eine Probe eines Produktes aus Niedersachsen in Bayern oder in einem anderen Bundesland oder einem anderen Mitgliedsstaat schon untersucht worden sein, und das wäre zum Beispiel schön, wenn wir das direkt gleich sehen könnten.
"Die Wege sind einfach aus meiner Sicht zu lang"
Engels: Bisher ist es so, dass hier der Datenaustausch schon zwischen den Bundesländern nicht klappt. Ist das auch der Grund, weshalb bei immer wieder bekannt werdenden Lebensmittelskandalen oftmals die Behörden zeitlich hinterherhängen?
Haunhorst: Ich will nicht sagen, dass er nicht klappt, aber die Wege sind einfach aus meiner Sicht zu lang und wir brauchen wie gesagt ein System, in dem alle arbeiten können. Das ist auch, glaube ich, erkannt, dass wir uns dahin entwickeln müssen. Allerdings dauert es immer ein bisschen, bis man tatsächlich dann solche Systeme länderübergreifend und auch vielleicht europaweit aufgebaut hat. Das Thema ist auch in Brüssel angekommen, aber wir sind in vielen Dingen leider noch nicht so weit, wie wir sein sollten.
Engels: Sie sprechen es an. Wenn schon von Bundesland zu Bundesland der Datenaustausch nicht klappt, wie funktioniert das denn, wo der Fleischtransport über Landes-, aber auch über Nationengrenzen hinweg immer weiter zunimmt?
Haunhorst: Ja, es funktioniert schon. Es gibt ja auch einheitliche Rahmenbedingungen. Das Recht im Bereich Lebensmittel und Veterinärwesen ist eigentlich Europarecht und schon lange harmonisiert, praktisch seit dem gemeinsamen Markt 1993. Da sind auch Systeme schon aufgebaut worden, aber die müssen tatsächlich noch verfeinert und schneller werden, so dass ein schnellerer Austausch stattfindet.
Da gibt es zum Beispiel jetzt ein Amtshilfeverfahren, was gerade etabliert wird, was die Kommunikation zwischen den Behörden erleichtern soll. Aber es ist auch noch zum Teil im Aufbau, muss man sagen.
Engels: Sie fokussieren sich auf besseren Datenaustausch. Der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure hat sich auch zu Wort gemeldet, anlässlich dieses Falls. Er klagt über personelle Unterbesetzung und fordert nach den jüngsten Fällen 1500 Kontrolleure mehr, zusätzlich zu den bereits jetzt arbeitenden 2500 Kontrolleuren. Schließen Sie sich dem an?
Haunhorst: Grundsätzlich habe ich schon gesagt: Das eine ist natürlich, dass wir eine ausreichende Personalausstattung brauchen. Ich glaube aber auch, dass es mindestens genauso wichtig ist, dass wir intelligenter kontrollieren, vernetzter miteinander kontrollieren.
Wir können immer nur stichprobenhaft kontrollieren. Wir können nicht alles überprüfen. Aber es muss sichergestellt sein, dass an den richtigen Stellen zum richtigen Zeitpunkt geprüft wird und dass auch die Ergebnisse von Kontrollen zeitnah dann ausgetauscht werden.
Das zweite ist: Es wird auch nicht so einfach werden, überhaupt neues Personal zu generieren. Wir beklagen schon auch einen Fachkräftemangel auf allen Ebenen, und es ist gar nicht so einfach, das geeignete Personal heute noch zu bekommen. Das muss man leider auch sagen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.