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Viel Öl, viel Gas aber wenig Produktion

Der deutsch-russische Handel überschreitet die bisherige Höchstgrenze von 75 Milliarden Euro. Besonders beglückt ist die Automobilindustrie. Immer mehr Unternehmen beginnen deshalb, auch in Russland zu fertigen. Doch dazu sind sie auf eine zuverlässige Zulieferindustrie angewiesen.

Von Thomas Franke | 20.02.2013
    Russland braucht Produktion. Bisher ist das Land vom Export von Öl und Gas abhängig. Der fragile Wohlstand des Landes baut darauf auf. Oleg Sawaljew, stellvertretende Minister für die wirtschaftliche Entwicklung Russlands, möchte das ändern.

    "Wir müssen dringend die technologischen Kompetenzen ausbauen, die uns heute in Russland fehlen. Es ist für uns sehr wichtig, auf den neuesten Stand der Technik zu kommen. Und wir sind bereit, entsprechende Investitionsprojekte mit allen Mitteln zu unterstützen."

    Deutschland spiele dabei eine wichtige Rolle. Zweieinhalb Stunden hat sich Sawaljew geduldig die Kritik und die Anregungen deutscher Topmanager in Russland angehört. Da wurden Genehmigungsverfahren kritisiert, an der Infrastruktur gekrittelt, Protektionismus wurde bemängelt, und es ging darum, dass Einfuhrzölle für Bauteile oft höher sind als die Zölle für fertige Produkte.

    Ralf Bendisch vom Landwirtschaftsmaschinen-Hersteller Claas ließ sich sogar dazu hinreißen, von einem Kindergarten zu sprechen. Es dauere drei Jahre, einen russischen Zulieferbetrieb dahin zu bringen, brauchbare Teile zu liefern. Und er beklagt die verkommenen Sitten:

    "So Kaufmannsregeln, wenn man sagt, ich hab's dir ja versprochen, ich hab dir die Hand gegeben und das ist verlässlich - das gibt's hier nicht. Das wird hier leider so noch nicht gelebt."

    Trotzdem wird Claas in Kürze vor allem Mähdrescher in Russland produzieren.

    "Wir wollen jetzt über 100 Millionen Euro investieren, also ganz kurzfristig. Wir sind schon in der finalen Planungsphase. Wenn alles gut geht, werden wir im Frühjahr vielleicht im zweiten Quartal dieses Jahres mit dem Bau beginnen."

    Dass es sich lohnt in Russland nicht nur Geschäfte zu machen, sondern auch herzustellen, hat auch die Firma Sick erkannt. Deren Russlanddirektor sucht derzeit ein Werk am Rand Moskaus. Sick stellt Zähler für Pipelines her, hochwertige Armaturen, die auch bei -50 Grad Celsius noch genau messen.

    Sicks Investitionsvolumen beträgt zwischen drei und fünf Millionen Euro. Es geht um etwa 50 Arbeitsplätze. Manager Kai Weckner sieht Probleme aber nicht nur in Russland. In Russland müssten Entscheidungen oft schnell getroffen werden. In Deutschland sei man oft zu zögerlich. Bei allen Problemen, die Vorteile in Russland zu produzieren, überwiegen:

    "Für uns gibt es einen riesen Vorteil bei einer lokalen Produktion, und zwar ist das die bessere Berücksichtigung in den Tendern, die ausgeschrieben werden für Großinvestitionsprojekte. Klar ist das motiviert durch politische Vorgaben. Man möchte Know-how und Produktion hierher haben, und dass man das entsprechend fördert, ist ein ganz normales Anliegen der Russen."

    In der letzten Zeit ist die Atmosphäre zwischen Russland und den Staaten der EU ein wenig frostig geworden, teils sind die Töne sehr harsch. Minister Sawaljew winkt ab:

    "Natürlich kann die Politik auf die Wirtschaft wirken. Aber meistens wirkt die Wirtschaft auf die Politik. Für uns sind gemeinsame Interessen und ein gemeinsames Verständnis unserer Zukunft sehr wichtig. Ich sehe bisher keine Gründe dafür, dass die unterschiedlichen Ansichten Russland und Deutschlands in der einen oder anderen Frage zu wirtschaftlichen Problemen führen könnten. Es ist eine Arbeitssituation. Und natürlich verfolgt jedes Land seine eigenen nationalen Interessen. Dabei finden wir aber immer auch gemeinsame Interessen. Und in deren Rahmen gestalten wir unsere gemeinsame Wirtschaftspolitik."