Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Vor 70 Jahren
Erste Operation mit einer Herz-Lungen-Maschine

Am 5. April 1951 führte der Amerikaner Clarence Dennis zum ersten Mal eine Operation mit Hilfe einer Herz-Lungen-Maschine durch. Er hatte das komplizierte Gerät selbst entwickelt. Auch wenn die ersten Patientinnen nicht überlebten, die Technik wurde wegweisend in der Medizin.

Von Irene Meichsner | 05.04.2021
    Die Nahaufnahme einer Herz-Lungen-Maschine zeigt mehrere blutgefüllte Schläuche, die zu und von einem metallene Zylinder führe Nahaufnahme eines modernen kardiopulmonalen Bypass- vulgo Herz-Lungen-Maschine
    Moderner kardiopulmonaler Bypass - vulgo Herz-Lungen-Maschine. Das Prinzip wurde von Clarence Dennis miterfunden (IMAGO / Medicimage)
    Es war ein Tag voller Hoffnung, der in einer Tragödie endete. Am 5. April 1951 sollte in den USA zum ersten Mal ein Mensch mit Hilfe einer Herz-Lungen-Maschine operiert werden. Die Patientin war ein kleines Mädchen: Patty Anderson, fünf Jahre alt, sie hätte zwei Tage später ihren sechsten Geburtstag gefeiert. Das Kind hatte einen angeborenen Herzfehler, es war immer schwächer geworden, und so hatten die Eltern in ihrer Verzweiflung dem Eingriff schließlich zugestimmt:
    "In der Annahme, dass es sich um einen reparablen Defekt handelte - nämlich ein Loch in der Herzscheidewand -, gingen wir davon aus, dass dieser Fall für einen ersten Versuch gut geeignet wäre", sagte Clarence Dennis, der leitende Chirurg, 1974 in einem Gespräch, mit dem das amerikanische Ärzte-Portal CTSNet an den Pionier der Herzchirurgie erinnert.

    Erste Tests an Hunden

    Dennis, seit 1947 Professor an der Universität von Minnesota in Minneapolis, hatte das Gerät selber entwickelt – in enger Abstimmung mit John Gibbon aus Philadelphia, von dem die ersten Pläne für eine Herz-Lungen-Maschine stammten. Die Maschine sollte für einen begrenzten Zeitraum die Pumpfunktion des Herzens übernehmen - und die Funktion der Lunge, das Blut mit Sauerstoff anzureichern. Venöses Blut würde dafür am Eingang des Herzens abgezweigt, außerhalb des Körpers mit Sauerstoff versetzt und danach dem Patienten wieder zugeführt. Damit würden Operationen am offenen Herzen überhaupt erst möglich. Dennis testete seinen Prototypen - ein kompliziertes System von Schläuchen, Ventilen, Schaltern, Messgeräten und rotierenden Edelstahl-Scheiben - zuerst an Hunden. Dann drängte er auf einen Versuch am Menschen - und die Wahl fiel auf Patty Anderson. Etwa fünf Stunden nach dem Beginn der Operation wurde das Kind an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, erklärte Clarence Dennis:
    Das Gerät funktionierte ausgezeichnet, der Blutdruck der Patientin war stabil. Aber als wir die rechte Herzkammer freigelegt hatten, sahen wir, dass wir es mit einem sehr viel komplizierteren Defekt zu tun hatten, als wir gedacht hatten. Das Kind starb noch auf dem Operationstisch."

    Furchtbarer Rückschlag

    Wenige Wochen später, am 31. Mai 1951, unternahm Dennis einen zweiten Versuch. Dieses Mal stimmte die Diagnose: Die Patientin - ein zwei Jahre altes Mädchen namens Sheryl Judge, dessen Zustand sich zusehends verschlechtert hatte - litt tatsächlich an einem sogenannten Atriumseptumdefekt, einem einfachen Loch in der Herzscheidewand. Aber dann der Schreck: Die Ärzte sahen, wie Luftbläschen aus den Blutgefäßen quollen. Ein Sammelbehälter der Herz-Lungen-Maschine war leergelaufen. Ein Techniker hatte vergessen, das für solche Fälle extra eingebaute Sicherheitssystem einzuschalten. Und so hatte die Maschine das Kind mit Luft statt mit Blut vollgepumpt. Es starb an den Folgen einer arteriellen Gasembolie - ein furchtbares Unglück, wie es sich in einer experimentellen Situation ereignen kann. Dennis und einige seiner Kollegen hatten zu diesem Zeitpunkt schon erwogen, an das Medizinische Zentrum der State University von New York zu wechseln:
    "Mitentscheidend dabei war, dass uns ein Kinderkardiologe aus Brooklyn jede Unterstützung zugesagt hatte. Er hatte von über 160 möglichen Kandidaten gesprochen, die für eine Operation am offenen Herzen geeignet sein könnten"
    Die Computerdarstellung eines Herzinfarktes. Die Herzregion ist farbig hervorgehoben.
    Ein Herz für Menschen - Der lange Weg zur künstlichen Pumpe
    In Deutschland warten etwa 800 Menschen auf ein Spenderherz. Damit ist der Bedarf fast drei Mal so groß wie das Angebot. Der Mangel an Spenderorganen ist einer der Gründe, warum weltweit an einem künstlichen Herzen geforscht wird.
    Als Dennis im Sommer 1951 seine neue Stelle in New York antrat, wollte der Kollege von seiner Zusage nichts mehr wissen - vermutlich auch, weil sich die beiden Fehlschläge herumgesprochen hatten. Dennis fasste noch andere Indikationen ins Auge, aber der erste erfolgreiche Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine gelang schließlich nicht ihm, sondern - John Gibbon, der am 6. Mai 1953 in Philadelphia ein 18-jähriges Mädchen, Cecilia Bavolek, mit einem Atriumseptumdefekt erfolgreich operierte. Andere Ärzte entwickelten die Technik in den folgenden Jahren weiter. Es gab immer wieder Rückschläge. Doch allmählich wurde der Einsatz der Herz-Lungen-Maschine Routine. Heute wird ihre Erfindung als Meilenstein der Medizingeschichte gefeiert.