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Vor 75 Jahren zum Präsidenten gekürt
Juan Perón - Jongleur der Ideologien

Ist er nun links oder rechts? Noch immer ist der Peronismus schlecht einzuordnen Am 4. Juni 1946 wurde sein Begründer, Juan Domingo Perón, erstmals Präsident Argentiniens. Er blieb es gut 30 widersprüchliche Jahre lang. Und auch heute ist in Buenos Aires mal wieder ein Peronist an der Macht.

Von Victoria Eglau | 04.06.2021
    Der argentinische Präsident Juan Domingo Perón, uniformiert auf einer Militärparade, den Zusachuern mit der rechten Hand zuwinkend.
    Juan Domingo Perón bei einer Militärparade 1950 (imago images / United Archives International)
    Argentinien im Oktober 1945: Vizepräsident Juan Domingo Perón ist festgenommen worden. Der mächtige General hat Feinde innerhalb der Militärregierung, sein Aufenthaltsort ist unbekannt. Auf der Plaza de Mayo vor dem Präsidentenpalast in Buenos Aires fordert am 17. Oktober eine Menschenmenge Peróns Freilassung. Aus den Arme-Leute-Vierteln und Industrie-Vororten sind seine Anhänger herbeigeströmt.
    Perón leitet das Arbeitssekretariat und hat in den Jahren zuvor die Rechte der Arbeiterklasse gestärkt. Am Abend erscheint er schließlich auf dem Balkon des Regierungsgebäudes. Perón hat den internen Machtkampf gewonnen und wendet sich feierlich an die jubelnde Menge: "Ich interpretiere diese kollektive Bewegung als Wiedergeburt eines Bewusstseins der Arbeiter. Und nur dieses Bewusstsein kann unsere Nation groß und unsterblich machen."

    Politologin: "Der Peronismus war von Anfang an sehr heterogen"

    Der 17. Oktober 1945 gilt als Gründungsmoment des Peronismus. Danach ruft das Militärregime freie Wahlen aus. Perón tritt als Kandidat der neugegründeten Arbeiterpartei Partido Laborista an. Die argentinische Politologin Carolina Barry:
    "Im Allgemeinen herrscht die Auffassung, dass allein die Arbeiterbewegung das Fundament des Peronismus bildete. Von den Gewerkschaften kam zwar die größte Unterstützung. Aber auch eine Abspaltung der linksliberalen UCR, einer Mittelklasse-Partei, schloss sich der peronistischen Koalition an. Der Peronismus war von Anfang an sehr heterogen."

    Ein ideologischer Gemischtwarenhandel

    Heterogen war auch die Unión Democrática – die Allianz, die gegen Perón antrat. Liberale, Sozialisten und Kommunisten gehörten ihr an, unterstützt von den Konservativen. Doch bei der Präsidentschaftswahl am 24. Februar 1946 konnte sich Juan Domingo Perón durchsetzen, mit knapp 53 Prozent der Stimmen. Am 4. Juni 1946 trat er das Präsidentenamt an. Die Marcha Peronista wurde zur Hymne seiner Bewegung. Sie entstand in Peróns erster Amtszeit, in der dieser Argentinien in vieler Hinsicht reformierte und modernisierte, aber zugleich autoritär regierte und demokratische Rechte einschränkte.
    Peron habe sich mal hier, mal da bedient, sagt der Historiker Luís Alberto Romero: ein bisschen Sozialismus, ein bisschen katholische Soziallehre, ein bisschen Faschismus." Ungeachtet der Widersprüchlichkeit beider Ideologien., so Romero.

    Auf dem Dritten Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus?

    Der pragmatische Präsident propagierte eine sogenannte dritte Position zwischen Kapitalismus und Kommunismus, und setzte auf eine nationalistische Wirtschaftspolitik mit einer aktiven Rolle des Staates. Seine Regierung förderte die Schaffung neuer Industrien, sie nationalisierte die Eisenbahn, die Telefon- und die Gas-Gesellschaft. Der Wohlfahrtsstaat wurde ausgebaut und der Peronismus verflocht sich immer stärker mit der Gewerkschaftsbewegung. Bei beidem spielte Peróns Frau Eva, genannt Evita, eine entscheidende Rolle, unterstreicht Carolina Barry:
    "Perón gab ihr einen Raum für politische Betätigung, den sie voll ausfüllte, sodass sie selbst zu einer mächtigen Figur wurde. In manchen peronistischen Kreisen wird Eva heute stärker verehrt als Perón selbst."
    Die soziale Stiftung Fundación Eva Perón unterstützte den Bau von Gesundheitszentren, Schulen, Altersheimen und Waisenhäusern.
    Eva Peron steht auf einer Bühne und spricht zu Frauen.
    Zum 100. Geburtstag von Eva Perón - Eine Pop-Ikone Lateinamerikas
    Sie war die mächtigste Frau Argentiniens: Eva Perón. Sie hat mit ihren Sozialprogrammen das Leben der Ärmsten verbessert und das Wahlrecht für Frauen durchgesetzt. Schon zu Lebzeiten wurde sie verehrt – nach ihrem frühen Tod erreichte sie Kultstatus.
    In ihren flammenden Reden attackierte Evita die Gegner ihres Mannes und die von ihr gehasste Oligarchie. Im Juli 1952 erlag sie einem Krebsleiden. Kurz zuvor hatte Peróns zweite Amtszeit begonnen, in der sich der Konflikt mit der Opposition zuspitzte. Die Regierung wurde immer autoritärer, die antiperonistischen Militärs schreckten vor Gewalt nicht zurück.
    Der argentinische Präsident Alberto Fernandez bei einer Pressekonferenz. Er spricht in ein Mikrofon und hält ein Blatt vor sich.
    Wahlen in Argentinien - Das Phänomen Peronismus
    Vier Jahre nach seiner Wahl steht Argentiniens liberalkonservativer Präsident Mauricio Macri vor dem Aus. Sein Herausforderer Alberto Fernández gilt als klarer Favorit bei den Präsidentenwahlen. Die Rückkehr der Peronisten an die Macht weckt Erinnerungen an die Vergangenheit.
    1955 wurde Perón durch einen Putsch gestürzt und ging ins spanische Exil. Jahrzehntelang durfte in Argentinien sein Name nicht ausgesprochen werden. 1973 wurde Perón dann ein drittes Mal zum Präsidenten gewählt, knapp ein Jahr später starb er. Seine Bewegung jedoch ist bis heute stark und lebendig - und spaltet nach wie vor die argentinische Gesellschaft.