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Vor der EU-Ratspräsidentschaft
Schwieriger Spagat für die Slowakei

Die Regierung in Bratislava steht in den Startlöchern: In wenigen Tagen wird sie den EU-Ratsvorsitz übernehmen. Es ist eine Premiere für das Mitgliedsland - und eine heikle noch dazu. Neben einem etwaigen Brexit droht auch der offene Streit in der Flüchtlingspolitik, denn eine gerechtere Verteilung von Flüchtlingen in der EU kommt für das Land nicht infrage.

Von Stefan Heinlein | 23.06.2016
    Robert Fico, Ministerpräsident der Slowakei, geht an einer Reihe Mikrofone vorbei
    Will auch während der EU-Ratspräsidentschaft nicht von nationalen Positionen abrücken: Robert Fico, Ministerpräsident der Slowakei (dpa/picture alliance/Ian Langsdon)
    Neues Pflaster für Straßen und Bürgersteige. Frische Bänke und Papierkörbe in den Grünlagen – dazu mobile Toiletten und Gratis-Wlan in der Innenstadt. Bratislava macht sich hübsch für den EU-Ratsvorsitz. Stolze 14 Millionen Euro hat die Hauptstadt in den letzten Monaten investiert. Im Scheinwerferlicht der europäischen Aufmerksamkeit will sich auch Ministerpräsident Fico als guter Gastgeber präsentieren:
    "Wir sind uns der Verantwortung des EU-Ratsvorsitzes voll bewusst. Wir wollen ein ehrlicher Makler sein. Wenn immer möglich, wollen wir Kompromisse erreichen. Unsere nationalen Positionen bleiben unverändert, aber wir werden sie nicht vorrangig auf den Tisch legen."
    Moderate Töne aus dem Mund des Sozialdemokraten. In den Monaten zuvor hatte der Regierungschef mit seiner offenen Islamfeindlichkeit immer wieder für internationale Schlagzeilen gesorgt. Auch eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge wird von Bratislava kategorisch abgelehnt. In Luxemburg klagt die slowakische Regierung gegen die bereits beschlossenen EU-Flüchtlingsquoten. Der Ratsvorsitz ist deshalb ein schwieriger Spagat für die neu gebildete Mehrparteienkoalition, erwartet der Politikwissenschaftler Martin Klus:
    "Das ist ein großes Problem. In der Heimat redet der Ministerpräsident ganz anders als in Brüssel. Wenn er seine extremen Ansichten auch als EU-Ratsvorsitzender äußert, droht der Slowakei ein großer Misserfolg und eine diplomatische Schande."
    "Ich bete für den Verbleib der Briten in der EU"
    Für Nervosität sorgt allerdings nicht nur der weiter ungelöste Streit um die richtige Flüchtlingspolitik. Die slowakische Premiere in der Rolle des EU-Ratsvorsitzes wird überschattet vom britischen EU-Referendum. Die Bewältigung der Folgen eines möglichen Brexit ist eine gewaltige Herausforderung für die Regie des kleinen mitteleuropäischen Landes, so Ministerpräsident Fico:
    "Wenn sie austreten, weiß nur der liebe Gott was dann passiert. Wir haben keine Ahnung wie dann die Abläufe sein werden. Ich bete deshalb für den Verbleib der Briten in der EU."
    Erst nach der britischen Volksabstimmung und dem folgenden EU-Gipfel will die Slowakei deshalb endgültig das Programm für die kommenden sechs Monate festlegen. In Zeiten der Krise sei eine positive Agenda wichtig, um eine weitere Spaltung der EU zu verhindern, so der Regierungsbeauftrage Ivan Korcok. Seit dem EU-Beitritt vor zwölf Jahren habe sich der Blick auf Europa auch in der Slowakei negativ verändert. Die Verantwortung für das Gesamtprojekt Europa sei deshalb eine einmalige Chance für einen Wandel in den Köpfen der Slowaken:
    "Vielleicht brauchen wir noch etwas Zeit um zu verstehen. Europa ist keine Speisekammer aus der man sich nur bedient. Es ist auch notwendig etwas zu geben. Jetzt könnte es in dieser Richtung eine mentale Veränderung geben."
    Den Worten sollen jetzt erste Taten folgen. In den kommenden Wochen will die Slowakei 100 Flüchtlinge aus griechischen und italienischen Lagern ins Land lassen. Im vergangenen Jahr hatten nur acht Menschen dauerhaft Asyl erhalten.