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Wachstumsprognose
Großbritanniens Wirtschaft kommt in Fahrt

Nach jahrelanger Durststrecke nimmt die britische Wirtschaft wieder Fahrt auf. Kein anderes Land der westlichen Welt wachse schneller als Großbritannien, sagte Schatzkanzler George Osborne vor dem Parlament. Für das laufende Jahr hängte er die Messlatte deutlich höher als noch im März.

Von Jochen Spengler | 05.12.2013
    Rente mit 69! Millionen Briten sollen länger arbeiten, ehe sie Anspruch auf ihre staatliche Altersversorgung haben. Schatzkanzler George Osborne kündigte an, er wolle wegen der längeren Lebenserwartung das Rentenalter weiter heraufsetzen.
    "Wir glauben, dass es ein faires Prinzip ist, dass Menschen wie derzeit erwarten können, ein Drittel ihres Erwachsenenlebens im Ruhestand zu verbringen. Deswegen wollen wir Mitte der 2030er Jahre das Pensionsalter auf 68 erhöhen und auf 69 am Ende der 2040er Jahre."
    Briten, die jetzt Anfang 30 sind, werden also erst mit 69 Jahren in Rente gehen können. Diese Ankündigung war das lauteste Signal in Osbornes Haushaltsrede dafür, dass er die Straffung des Sozialstaats und die Sparpolitik fortzusetzen gedenkt. Denn:
    "Großbritanniens Wirtschaftsplan funktioniert, aber die Aufgabe ist noch nicht erledigt. Wir müssen die Wirtschaft langfristig sichern."
    Tatsächlich musste George Osborne erstmals seit dem Amtsantritt der konservativ-liberalen Regierung vor dreieinhalb Jahren die Erwartungen nicht dämpfen. Fast alle wirtschaftlichen Kennziffern zeigen nach oben. Noch nie waren so viele Menschen beschäftigt wie momentan; die Rezessionsgefahr vom Jahresbeginn ist verschwunden. Das Wachstum werde in diesem Jahr bei 1,4 Prozent und im kommenden nicht wie vor einem halben Jahr vorhergesagt bei 1,8, sondern sogar bei 2,4 Prozent liegen.
    "Es ist immer noch schwächer als wünschenswert, aber es ist ist die stärkste Anhebung der Wachstumsprognose seit 14 Jahren in einer Haushaltsrede. Großbritannien wächst derzeit stärker als jede andere entwickelte Wirtschaft."
    Stärkeres Wirtschaftswachstum sorgt für gernigere Neuverschuldung
    Allerdings liegt Großbritanniens Wirtschaftsleistung im Gegensatz zu anderen immer noch niedriger als vor der Finanzkrise 2008.
    Das verstärkte Wachstum hat aber zu einem Rückgang der Neuverschuldung geführt; bei Amtsantritt hatte Osborne ein Defizit von 11 Prozent übernommen und versprochen es bis 2015 abzubauen. Nun rechnet er mit einem leichten Haushaltsüberschuss erst in fünf Jahren. Derzeit liegt das Defizit bei 6,8 Prozent und soll im kommenden Jahr auf 5,6 Prozent fallen.
    Dreieinhalb Milliarden Euro will Osborne in den kommenden Jahren einsparen, auch um einige Wohltaten zu finanzieren: Kostenloses Mittagessen für alle Grundschüler in den ersten drei Jahren, Steuererleichterungen für kleine Unternehmen und Schiefergas-Bohrungen, Verzicht auf Umweltzuschläge, sodass die Energiekosten um 60 Euro pro Jahr und Haushalt sinken.
    Der finanzpolitische Gegenspieler der Labour Opposition, Ed Balls, kritisierte, dass es eine Politik und ein Aufschwung für die Reichen sei. Der durchschnittliche Haushalt habe unter dem Strich 2.000 Euro weniger als vor drei Jahren.
    "Nach drei schädlichen Jahren des Nullwachstums und der langsamsten Erholung seit über 100 Jahren unter einem Premierminister und Schatzkanzler, die behaupten, wir säßen alle im selben Boot und die dann Millionären ein riesiges Steuerkürzungsgeschenk gemacht haben, wissen wir die Wahrheit: Arbeitende Menschen geht es unter den Tories nicht besser, ihnen geht es schlechter."
    Es handele sich um einen nicht nachhaltigen Aufschwung, der nur von der Dienstleistungssparte und den Konsumenten, die ihre Ersparnisse angriffen, getragen sei Exporte und Produktion, Investitionen und Arbeitsproduktivität seien nach wie vor unzureichend.