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Wahl in Venezuela
Kritik von Auswärtigem Amt und EU

Bei Zusammenstößen während der umstrittenen Wahl einer Verfassungsgebenden Versammlung in Venezuela sind mindestens zehn Menschen gestorben. Die EU warf den Sicherheitskräften einen unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt vor. Kritik kam auch vom Auswärtigen Amt in Berlin.

    Motorradpolizisten der Nationalgarde patrouillieren am 30.07.2017 in Caracas (Venezuela).
    Motorradpolizisten der Nationalgarde in Caracas (dpa/Manaure Quintero)
    Eine Sprecherin der EU-Kommission erklärte in Brüssel, es gebe ernsthafte Bedenken, ob das Ergebnis der Wahl anerkannt werden könne. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini betonte, eine Verfassungsversammlung, "die unter zweifelhaften und oft gewaltsamen Umständen gewählt wurde", könne "nicht Teil der Lösung" der gegenwärtigen Krise sein. Sie mahnte zugleich, die Regierung Venezuelas sei dafür verantwortlich, die Achtung der grundlegenden Menschenrechte und der Verfassung des Landes sicherzustellen. Dazu gehörten auch das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Proteste. Die EU verurteile die "exzessive und unverhältnismäßige Gewalt" gegen die Demonstranten.
    Das Auswärtige Amt in Berlin teilte mit, die Wahl der Delegierten habe gegen demokratische Grundprinzipien verstoßen. Man müsse damit rechnen, dass sich die Krise in Venezuela weiter verschärfe. Es sei bedauerlich, dass Präsident Maduro trotz des Widerstands in der eigenen Gesellschaft und der Warnungen aus dem Ausland an der Abstimmung festgehalten habe.
    Die USA kündigten an, das Abstimmungsergebnis nicht anzuerkennen. Die Regierung in Washington drohte mit neuen Sanktionen gegen das Land. Sie sind einer der größten Abnehmer des Öls. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, twitterte am Sonntag, das Votum sei eine "vorgetäuschte Wahl" und bringe Venezuela "noch einen Schritt weiter zur Diktatur".
    Auch Mexiko, Peru, Chile, Brasilien, Kolumbien, Argentinien, Costa Rica, Kanada und Spanien erklärten, sie wollten das Abstimmungsergebnis nicht akzeptieren .
    Maduro spricht von "Sieg für die Revolution"
    Maduro wertete die Wahl als Erfolg seiner Regierung. Es sei ein "Sieg für die Revolution", sagte er in der Nacht auf Montag in Caracas vor Anhängern. "Wir haben eine verfassunggebende Versammlung". Seine Partei feierte auch die Wahlbeteiligung als Rekord.
    Präsident Nicolás Maduro und seine Frau Cilia Flores nach der Bekanntgabe erster Ergebnisse
    Präsident Nicolás Maduro und seine Frau Cilia Flores nach der Bekanntgabe erster Ergebnisse (dpa)
    Unterdessen gehen die Proteste der Opposition weiter. Ihren Angaben zufolge starben am Wochenende bei den Protesten mindestens 16 Menschen, die Behörden bestätigten zehn Tote. Die Menschen seien bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gestorben, hieß es. Der Bürgermeister von Caracas, Jorge Rodríguez, sagte dagegen: "Das ist eine Lüge. Es gab nicht einen Toten im Zusammenhang mit dem Wahlereignis."
    Zudem wurden sieben Polizisten verletzt, als sich im Osten der Hauptstadt Caracas eine Explosion an einer Straßenblockade ereignete. Die Protestierenden gingen gegen die angestrebte Machtfülle auf die Straße, die Präsident Nicolás Maduro mit der Umschreibung der Verfassung anstrebt. Deutschlandfunk-Korrespondent Burkhard Birke berichtet von der möglichen Bildung paramilitärischer Einheiten. Der Politikwissenschaftler Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik befürchtet eine weitere Eskalation der Gewalt. "Es gibt keine Chance darauf, dass ein Konsens gefunden wird", sagte Maihold im Deutschlandfunk.
    Wahlbeteiligung umstritten
    Nach Angaben der nationalen Wahlbehörde beteiligten sich 8,1 Millionen Menschen von 19,4 Millionen Wahlberechtigten an der Wahl. Das entspreche einer Beteiligung von 41,53 Prozent, sagte die Präsidentin der Behörde, Tibisay Lucena, am Montagfrüh in Caracas. Nach Ansicht der sozialistischen Regierungspartei stellt die Zahl der Teilnehmer bei der umstrittenen Wahl einen "Rekord" dar. "Ich kann Ihnen versichern, die Teilnahme war ein Rekord", sagte der Chef der Partei, Diosdado Cabello, noch während die Ergebnisse ausgezählt wurden.
    Die Opposition sprach von einem Wahlbetrug, da diese Zahl viel höher sei, als es den Tatsachen entspreche. "Wir erkennen diesen betrügerischen Prozess nicht an, für uns ist er nichtig, er existiert nicht", erklärte Oppositionsführer Henrique Capriles am Sonntag in Caracas. Er rief zu weiteren Protestmarsch und Kundgebungen in Caracas auf: "Die Wahl ist vorbei, aber der Kampf für die Demokratie geht weiter." Julio Borges, Präsident des venezolanischen Parlaments, schrieb bei Twitter: "Der größte Wahlbetrug in unserer Geschichte. Lucena wird mehr als acht Millionen Stimmen verkünden, sie verdreifachen fast das wirkliche Resultat."
    Die Opposition hatte zum Boykott der Wahl aufgerufen und keine Kandidaten für die Versammlung aufgestellt. Sie sieht in der Versammlung den Anfang vom Ende der Demokratie in Venezuela, ihrer Meinung nach will sich Präsident Nicolás Maduro "diktatorische Vollmachten" sichern. Bei den seit Wochen anhaltenden Protesten kamen bislang mehr als 120 Menschen ums Leben. Doch auch die Massenproteste und zwei Generalstreiks bewegten Maduro nicht zum Einlenken.
    Die Verfassungsreform

    Die Verfassungsgebende Versammlung soll nach den Plänen der Regierung bereits in den nächsten Tagen mit der Arbeit beginnen - und zwar in der Nationalversammlung, Sitz des Parlaments. Die Verfassungsreform wurde nicht per Referendum initiiert, sondern per Dekret von Maduro. Befürchtet wird, dass sie das bisherige Parlament, in dem die Opposition die Mehrheit hat, dauerhaft ersetzen soll - dann wäre die Gewaltenteilung de facto aufgehoben und die Sozialisten hätten die alleinige Macht.

    Präsident Maduro selbst bekannte, mit der verfassungsgebenden Versammlung praktisch alle Mittel zum Durchregieren bekommen zu wollen und seine politischen Gegner, die noch die Mehrheit in der Nationalversammlung haben, zu entmachten. Der Präsident bezeichnete die neue Institution als "Supermacht", die die Immunität von Parlamentsabgeordneten aufheben und sie ins Gefängnis bringen könne.

    Obwohl das Land reich an Erdöl ist, herrscht eine große wirtschaftliche Krise mit steigenden Staatsschulden und einer sehr hohen Inflation. Es fehlt an Lebensmitteln und Medikamenten, die Sicherheitslage ist schlecht.

    (nch,kis,jasi)