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Wahlkampf
Waffen- und Atomtransporte im Hamburger Hafen

Jedes Jahr werden 300 Container mit Atommüll über den Hamburger Hafen veschifft. Kritisch wird das im Wahlkampf von den Linken, den Grünen und Umweltaktivisten wie Robin Wood beäugt. Sie fordern einen Stopp der Transporte, auch wenn sie gesetzlich erlaubt sind.

Von Axel Schröder | 13.02.2015
    Containerschiffe kurz nach Sonnenuntergang im Hamburger Hafen am Terminal Burchardkai
    Die Wirtschaftsweisen rechnen mit einem Prozent Wachstum im kommenden Jahr. Ansicht aus dem Hamburger Hafen. (dpa / Daniel Reinhardt)
    Im Mai 2013 wurde den Hamburgern schlagartig bewusst, dass nicht nur Bananen, Hi-Fi-Elektronik, Maschinenteile oder Getreide über ihren Hafen verschifft werden. Ausgerechnet während des Eröffnungsgottesdienstes des Kirchentages unter freiem Himmel gab es Feueralarm auf dem Frachtschiff "Atlantic Cartier". An Bord: 400 Tonnen radioaktives Uranhexaflourid und vier Tonnen Munition. Nur die 300 Meter breite Elbe trennte die feiernden Kirchentagsbesucher vom brennenden Schiff. Die Feuerwehr reagierte damals schnell. 16 Stunden nach dem Ausbruch des Feuers war der Brand gelöscht. Das Gefahrgut konnte rechtzeitig von Bord gebracht werden. Seitdem streiten die Hamburger Parteien um den richtigen Umgang mit Waffen- und Atomtransporten. Vor allem in der heißen Wahlkampfphase.
    Am 6. November 2014, um sieben Uhr morgens hängt der Himmel grau über dem Hamburger Hafen, über der Elbe. Auf der anderen Flussseite liegt die Hafencity mit ihren modernen sechsstöckigen Wohnwürfeln, in einigen Fenstern brennt schon Licht. Auf einem Schwimmponton auf der Südseite der Elbe sitzt der Umweltaktivist Tobias Drage von Robin Wood. Durchgefroren von einer Nachtschicht im Hafen hat er den Atomfrachter "Sheksna" im Visier. Hell beleuchtet von orangegelben Lichtern, 200 Meter entfernt:
    "Das ist ein Schiff, das kommt aus St. Petersburg. Mit Uranerz aus Kasachstan oder Usbekistan. Fast jede Woche kommen hier Schiffe, die Uranerz bringen. Und wir beobachten das."
    Tobias Drage greift sich seinen Feldstecher, setzt ihn ab, macht Fotos von jedem einzelnen Container, den ein Schwerlastkran aus dem Schiffsbauch hievt. Schwach radioaktiv ist das Uranerz in den Spezialbehältern. 300 Container mit Atommüll, mit Uranhexafluorid oder Uranerz werden jedes Jahr über Deutschlands größten Hafen verschifft. (Anm. d. Red.: In der ursprünglichen Version hieß es, die Atomtransporte über den Hamburger Hafen müssten vom Bundesamt für Strahlenschutz genehmigt werden. Doch dies ist nicht der Fall.)
    Grüne und Linke für Hafen ohne Atomtransporte
    Neben den Sicherheitsaspekten der gefährlichen Fracht spielt diskutieren die Parteien im Hamburger Wahlkampf ihre politische Bedeutung. Linke und Grüne wollen einen Hafen ohne Waffen- und Atomtransporte. Ausgenommen solche, bei denen es um die Entsorgung nuklearer Medizintechnik geht. Dora Heyenn, Spitzenkandidatin der Linken, erklärt den Standpunkt ihrer Partei:
    "Wir haben eben auch im Hamburger Hafen Waffentransporte von Kleinwaffen bis hin zu Panzern, die die ganze Welt mit Waffen versorgen. Und wir haben in der Hamburgischen Verfassung drinstehen, dass wir im Dienste des Friedens in der ganzen Welt stehen. Und wir sehen einen großen Widerspruch dazu, wenn wir die Drehscheibe für die Waffenexporte in alle Welt werden."
    Jeden Tag verlassen nach Angaben des Zolls durchschnittlich drei Container mit Waffen den Hamburger Hafen. Verhindern ließe sich das, so Dora Heyenn, durch eine so genannte Teilentwidmung von Hafenflächen. Die Hamburgische Bürgerschaft könne dies beschließen und so den Hafen für Atom- und Waffentransporte sperren. Das gleiche Ziel haben die Grünen, die mit einiger Wahrscheinlichkeit nach der Wahl als Juniorpartner der SPD im Senat vertreten sein werden. Ihr Spitzenkandidat Jens Kerstan ist überzeugt: Eine Teilsperrung des Hafens ist rechtlich nicht durchsetzbar. Immerhin sind Waffen- und Atomtransporte durch Bundesgesetze geregelt:
    "Und darum wir eher auf die Überzeugung setzen, dass die Hafenfirmen dann freiwillig darauf verzichten, so was im Hamburger Hafen zu machen. Immerhin ist der Hafen in der Mitte einer Millionen-Metropole..."
    ... und immerhin ist der größte Terminalbetreiber, die Hamburger Hafen- und Logistik AG, mehrheitlich in städtischer Hand. Vorsichtig angefragt hätten die Grünen schon bei der Hafenwirtschaft. Und seien eher auf Offenheit als auf grundsätzliche Ablehnung gestoßen. Die gibt es aber beim aktuellen und - den Umfragen zufolge - auch nächsten Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg. Bei Olaf Scholz:
    "Das wir symbolische Beschlüsse fassen - und nur das gibt es von Rechts wegen - was man angeblich alles nicht transportieren möchte, dass aber erlaubt ist, weil es von der Bundesrepublik Deutschland aus gesehen ein zulässiger Transport ist, das kann ich mir nicht vorstellen. Ich glaube, das ist auch nicht sinnvoll."
    Aber vielleicht ist das Thema in einigen Wochen Teil von rot-grünen Koalitionsgesprächen. Bis dahin wird der Umweltaktivist Tobias Drage weiter im Hafen auf der Lauer liegen und Atomfrachter im Auge behalten.