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Werteunion-Gruppe in der CDU
Politologe: Zurück hinter Merkels Linksruck unmöglich

Der Politikwissenschaftler Michael Wehner glaubt nicht, dass die konservative CDU-Gruppierung der sogenannten Werteunion den Kurs von Angela Merkel bedrohen kann. Die Gruppe versuche, "eine gewisse Rechtsorientierung der CDU hinzubekommen", so Wehner im Dlf. Hinter den Linksruck Merkels käme man aber nicht mehr zurück.

Michael Wehner im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    07.04.2018, Baden-Württemberg, Schwetzingen: Manuel Hagel (l-r), baden-württembergischer CDU-Generalsekretär, Christean Wagner, Hessens Ex-Justizminister, und Alexander Mitsch, Gründungsmitglied der "WerteUnion", stehen vor der Jahrestagung des konservativen CDU-Flügels "WerteUnion" am Palais Hirsch. Mit einem "Konservativen Manifest" wollen unionsinterne Kritiker von Bundeskanzlerin Merkel verstärkt auf eine Abkehr vom CDU-Kurs der Mitte dringen.
    Mitglieder der Werteunion: Manuel Hagel, baden-württembergischer CDU-Generalsekretär, Christean Wagner, Hessens Ex-Justizminister, Alexander Mitsch, Bundesvorsitzender der "Werteunion" (*) (picture alliance / dpa / Uwe Anspach)
    Dirk-Oliver Heckmann: Im badischen Schwetzingen sind am Vormittag die Mitglieder der sogenannten Werteunion zusammengetroffen. Das ist ein Zusammenschluss von Unionsmitgliedern, die unzufrieden sind mit dem Kurs der Parteiführung um Angela Merkel und die dafür sorgen wollen, dass der konservative Markenkern der Union wieder stärker zur Geltung kommt. Dazu wollen sie in Schwetzingen ein konservatives Manifest verabschieden. Darin fordern sie die Rückkehr zur Wehrpflicht zum Beispiel und zum traditionellen Familienbild, die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft und einen Rückzug Angela Merkels. Michael Wehner ist Politikwissenschaftler von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, schönen guten Tag, Herr Wehner!
    Michael Wehner: Guten Tag, Herr Heckmann!
    Heckmann: Herr Wehner, die Werteunion der Union, das ist ja keine anerkannte Parteigliederung, dennoch: Wie groß ist die Gefahr, die von dieser Gruppierung ausgeht, für Angela Merkel?
    Wehner: Nun, man muss nicht unbedingt von einer Gefahr reden. Es ist, glaube ich, wichtig und richtig, dass die CDU nach der verlorenen Bundestagswahl und dem Verlust von circa einer Million Wählern an die AfD sich natürlich immer programmatischen Diskussionen stellt. Und insofern gehört es sicher zur innerparteilichen Demokratie, dass sich eben auch die eher dem konservativen Flügel zugehörigen Teile der Partei versammeln und organisieren und inhaltlich besprechen.
    Scheu vor Ausstieg aus Kolitionsvertrag
    Heckmann: Und wie groß sind die Chancen dieser Gruppierung tatsächlich, in der erwähnten Weise Einfluss auszuüben auf die Parteiführung?
    Wehner: Zum einen ist es natürlich so, dass die Bundespartei jetzt erst einmal voraussichtlich, obwohl es da ja Zweifel gibt in der Werteunion, dass diese Koalition vier Jahre oder dreieinhalb Jahre noch halten kann. Aber sie ist natürlich an einen Koalitionsvertrag gebunden, der sehr stark sozialdemokratisch geprägt ist. Und das Risiko, sagen wir mal, diesen Koalitionsvertrag vorzeitig zu kündigen und aus einer Koalition auszusteigen, wäre, glaube ich, auch ein Risiko, das die konservative Werteunion scheut, denn im Regelfall strafen die Wählerinnen und Wähler dies ab.
    Heckmann: Das heißt, Sie denken, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Chancen, dort wirklich grundlegende Änderungen vorzunehmen – ich hab die Stichworte gerade eben genannt, Wehrpflicht beispielsweise, Familienbild, doppelte Staatsbürgerschaft –, dass diese Chancen, da was zu verändern, doch überschaubar sind.
    Wehner: Es ist tatsächlich natürlich so, dass neben der inhaltlichen Erneuerung der Union bis zur nächsten Bundestagswahl natürlich auch die personelle Erneuerung stehen muss, und es ist sicher absehbar, dass Frau Merkel sicher nicht mehr in eine weitere Legislaturperiode einziehen wird. Und die Nominierung von Frau Kramp-Karrenbauer als neue Generalsekretärin macht ja so ein Stück weit deutlich, dass man, glaube ich, eher innerparteilich dabei ist, den Kurs der Mitte fortzufahren, denn letztendlich hat der ja auch zu erfolgreicher Regierungsbeteiligung geführt. An der CDU kann keine Regierung vorbei gebildet werden, und das Stück Machterhalt und programmatische Durchsetzung in einer Regierung ist natürlich immer besser als in einer Opposition. Insofern werden die Anhängerinnen und Anhänger der konservativen Werteunion natürlich versuchen, ihre Stimme innerhalb der Partei zu erheben, um möglichst bei der Diskussion um ein neues Grundsatzprogramm auch, sagen wir mal, wieder inhaltlich eine gewisse Rechtsorientierung der CDU hinzubekommen. Aber letztendlich ist die Gesellschaft ja so weit modernisiert, dass man auch hinter bestimmte Teile, die im Zusammenhang mit diesem vermeintlichen Linksruck von Frau Merkel, also Stichwort Ehe für alle, Modernisierung des Familienbildes und ähnliche Dinge, Identitätspolitik, da wird man nicht mehr zurückkommen. Und ich glaube auch nicht, dass die Wählerinnen und Wähler dies mit Erfolg honorieren würden.
    Vielleicht noch eine letzte Bemerkung: Man muss ja auch unterscheiden, innerparteiliche Diskussionen von Mitgliedern und Wählerinnen und Wähler der Union. Und da gibt es natürlich deutliche Unterschiede. Weil wenn Sie sich beispielsweise Frankreich angesehen haben, da haben Sie ja die Sarkozy-Schwester- oder -Bruderpartei der Union, die im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen nach rechts gerückt ist. Und das wurde vom Wähler überhaupt nicht honoriert, während die Mitglieder vermeintlich glaubten, das sei der bessere Weg zurück zu einer konservativeren Partei sich zu orientieren.
    "Restriktiverer Einwanderungs- und Geflüchtetenkurs" möglich
    Heckmann: Herr Wehner, die Leitung ist leider sehr schlecht, wir erwischen hier Sie hier gerade in der Schweiz, ich weiß nicht, ob es daran liegt. Gut, in Deutschland haben wir auch die ein oder andere schlechte Handyverbindung, wie wir alle wissen. Sie haben gerade eben gesagt, Sie gehen davon aus, dass es bei dem Mittekurs der Union im Wesentlichen bleibt, das heißt aber auch, dass die AfD im zweistelligen Bereich bleiben könnte.
    Wehner: Na ja, man könnte jetzt bösartig das Wort vom Modernisierungsverlierer verwenden, also für die Werteunion und natürlich ein Stück weit auch für die AfD-Wählerinnen und -Wähler. Das heißt, wir haben jetzt auf der rechten Seite des Parteienspektrums das, was wir auf der linken schon in den 90er- und Nuller-Jahren erlebt haben, Stichwort Hartz IV, Agenda 2010. Die SPD hat Wählerinnen und Wähler an den linken Bereich verloren, an die Linke. Und das Gleiche droht der Union tatsächlich dauerhaft oder mittelfristig zu blühen, weil eben Teile der konservativeren Mitgliederschaft und Wählerschaft eben diese neuere Union nicht mittragen können und wollen und vermeintlich bei der AfD bleiben werden.
    Heckmann: Und genau das wird die Union versuchen zu verhindern. Wie könnte ihr das gelingen, dieser Spagat, einerseits diesen Mittekurs weiterzuverfolgen, andererseits abtrünnige Wähler wieder zurückzugewinnen?
    Wehner: Das ist natürlich diese Gratwanderung, die der SPD ja letztendlich auch nicht gelungen ist, was eben auch zu einer erschwerten Regierungsbildung führt. Das heißt, wir haben im Prinzip jetzt zwei defekte Lager nach wie vor. Auf der linken Seite eine noch nicht koalitionsfähige Linke auf Bundesebene, auf der rechten eben eine AfD, die nicht koalitionsfähig ist. Und da müssen die beiden großen Volksparteien tatsächlich quasi schicksalhaft zusammengeschweißt über diesen Koalitionsvertrag jetzt in den nächsten dreieinhalb Jahren sich und Wählerinnen und Wählern deutlich machen, dass eben die Botschaft auch verstanden wurde. Das heißt möglicherweise eben durchaus, woran man ja auch schon ist, mit einem restriktiveren Einwanderungs- und Geflüchtetenkurs.
    "Werteunion sicherlich innerhalb des demokratischen Parteienspektrums"
    Heckmann: Letzte Frage an Sie, Herr Wehner: Wie rechts ist diese Werteunion eigentlich aus Ihrer Sicht? Die Publizistin Liane Bednarz, die weist darauf hin, dass dort gefordert wird, von dort, Assimilation statt Integration. Und das sprenge aus ihrer Sicht den konservativen Rahmen. Sehen Sie das auch so?
    Wehner: Nein, das ist also so, dass die Union eben sich ja auch seit der Neugründung nach 1945 immer wieder auch durch einen konservativeren Teil ausgezeichnet hat, der sich aber im Regelfall mit ganz, ganz wenigen Ausnahmen zum Wertesystem des Grundgesetzes bekannt hat. Dass auf dem rechten Rand Auswüchse immer auch entstehen, da muss man sorgsam drauf achten. Die Zivilgesellschaft muss im Zweifelsfall dann auch mahnende Stimme und Wort erheben. Aber unterm Strich: Derzeit kann man auch die Mitglieder der Werteunion sicherlich innerhalb dieses demokratischen Parteienspektrums verorten mit ihren Positionen und Botschaften.
    Heckmann: Der Politikwissenschaftler Michael Wehner war das live hier im Deutschlandfunk über die sogenannte Werteunion der Union. Herr Wehner, ich danke Ihnen für das Gespräch, und für die schlechte Tonqualität bitten wir um Verzeihung!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    (*) Wir haben das Bild nach einer rechtlichen Prüfung aktualisiert.