WHO
Neuer Pandemievertrag will bessere Kooperation und Versorgung

Die mehr als 190 Mitgliedsländer der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben ein Pandemieabkommen gebilligt. Ziel ist es, Pandemien zu verhindern und auf sie zu reagieren. Die Rechte der Mitgliedstaaten sollen in allen Bereichen respektiert werden.

    Logo der World Health Organization WHO auf der Zentrale in Genf
    Die mehr als 190 Mitgliedstaaten der WHO hatten sich Mitte April nach zähen Verhandlungen auf den Vertragstext des Abkommens geeinigt. Nun wurde es in Genf verbschiedet. (IMAGO / IP3press / Vincent Isore)
    Die mehr als 190 Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation WHO hatten sich Mitte April nach zähen, gut dreijährigen Verhandlungen auf den Vertragstext des Abkommens geeinigt und die Vereinbarung am Dienstag, dem 20. Mai 2025, im Rahmen der 78. Weltgesundheitsversammlung in Genf beschlossen.
    Nach der Coronakrise soll das Abkommen die Welt besser auf künftige Pandemien und Gesundheitskrisen vorbereiten. Panik und Chaos sollen verhindert werden. Denn WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus warnt: „Die nächste Pandemie ist keine Frage des ‚Ob‘, sondern des ‚Wann‘“. 

    Inhalt

    Die wichtigsten Inhalte des Pandemievertrags

    Die deutsche Bundesregierung begrüßte die Vereinbarung. "Mit dem Abkommen nimmt sich die Weltgemeinschaft vor: In Zukunft soll es gerechter zugehen", erklärte Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan. Das Abkommen sei ein wichtiges Zeichen "gegen den Trend zu Alleingängen, der am Ende allen schadet".
    Die wichtigsten Inhalte des Pandemievertrags im Überblick:

    Prävention

    Länder verpflichten sich, ihre Gesundheitssysteme und die Überwachung des Tierreichs so zu stärken, dass Krankheitsausbrüche schnell entdeckt und möglichst im Keim erstickt werden können.

    Lieferketten

    Alle Länder sollen Zugang zu Schutzmaterialien, Medikamenten und Impfstoffen erhalten. Das Gesundheitspersonal soll weltweit vorrangig versorgt werden. Laut Abkommen wird dieses Netzwerk aus Lieferketten und Logistik (GSCL) von der WHO in Partnerschaft mit relevanten Akteuren aufgebaut und koordiniert.

    Technologietransfer

    Pharmafirmen sollen ihr Know-how teilen, damit auch in anderen Ländern Medikamente und Impfstoffe produziert werden können. Über diesen Punkt herrschte in den Verhandlungen lange Uneinigkeit.

    Forschung und Entwicklung

    DNA-Sequenzen von Pathogenen, also beispielsweise Viren, Bakterien oder anderen Mikroorganismen, sollen für die Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen frei zur Verfügung gestellt werden. Im Gegenzug sollen Impfstofffirmen der WHO zehn Prozent ihrer Produktion zur Verteilung in ärmeren Ländern spenden und weitere zehn Prozent zu günstigen Preisen abgeben. Dieser Teil des Vertrags wird als „Pabs“-System bezeichnet.


    Welche Länder sind Teil des Vertrages und welche nicht?

    Die WHO hat derzeit 194 Mitgliedsstaaten. Die USA und Argentinien haben jedoch ihren Austritt angekündigt. Für die Vereinbarung stimmten 124 Länder. Es gab keine Gegenstimmen. Elf Länder enthielten sich, darunter Polen, Israel, Italien, Russland, die Slowakei und der Iran. Zu den Mitgliedsstaaten der WHO gehören alle Länder der UN mit Ausnahme von Liechtenstein.

    Welche Konflikte um das Pandemieabkommen gab und gibt es ?

    In den gut dreijährigen Verhandlungen waren zahlreiche Kompromisse nötig. So wollten die Europäer beispielsweise stärkere Auflagen bei der Prävention: Regierungen sollen das Krankheitsgeschehen in der Tierwelt enger überwachen, da sich Erreger aus der Tierwelt an Menschen anpassen können. Ärmere Länder verwiesen dagegen auf die hohen Kosten.
    Die afrikanischen Länder hätten sich hingegen strengere Auflagen im Pabs-System und beim Technologietransfer sowie klare Finanzierungshilfen zur Stärkung der Gesundheitssysteme gewünscht.

    Technologietransfer lange umkämpft

    Einige Länder – vor allem die Produzenten von pandemiebezogenen Gesundheitsprodukten – lehnten zunächst jede Verpflichtung zur Weitergabe von Wissen und Technologien ab. Die Differenzen konnten jedoch überwunden werden, indem hinzugefügt wurde, dass jeglicher Technologietransfer „in beidseitigem Einverständnis” erfolgen muss. Der Transfer soll maßgeblich in Zentren der WHO stattfinden.

    Kritik aus Verschwörungskreisen

    Vor allem in sozialen Netzwerken wurde aus Kreisen von Verschwörungstheoretikern laut, die WHO könne nun bei der nächsten Pandemie Zwangsmaßnahmen anordnen. Auch die konservative Schweizer Wochenzeitung Weltwoche schrieb: „Die WHO würde mit dem neuen Vertragswerk faktisch zur mächtigsten Behörde der Welt, zu einer Behörde, die über den Ausnahmezustand entscheidet.“
    Das ist falsch. In Artikel 22 des Pandemievertrags ist ausdrücklich festgelegt, dass weder die WHO noch ihr Generaldirektor innerstaatliche Maßnahmen anordnen, Reisebeschränkungen verhängen, Impfungen erzwingen oder Lockdowns verfügen können. Der Vertrag gilt nur in Ländern, die ihn ratifizieren. Der Vertrag sieht keine Strafmaßnahmen vor, wenn ein Land seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.

    Politologin: „WHO übt keine Macht aus“

    Die ehemalige WHO-Mitarbeiterin Ilona Kickbusch, Politikwissenschaftlerin und Leiterin des blobalen Gesundheitsprogramms am Hochschulinstitut für internationale Studien und Entwicklung in Genf, sagt: „Es ist nicht so, dass die WHO jetzt Macht ausübt und in Länder einfällt und zu irgendetwas zwingt. Sondern es sind gegenseitige Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten. Wir informieren uns, wir teilen Forschung, wir stellen uns gegenseitig Medikamente zur Verfügung und Ähnliches."

    Wann tritt der Pandemievertrag in Kraft?

    Die Modalitäten des Pabs-Systems wurden in einen Anhang ausgelagert, der noch ausgehandelt werden muss. Dies dürfte noch ein Jahr dauern. Erst dann kann der Vertrag den Regierungen zur Ratifizierung vorgelegt werden. Er tritt erst in Kraft, wenn ihn 60 Länder ratifiziert haben.

    aha