
Was ist der Hintergrund der israelischen Angriffe?
Dem Iran wird von der Internationalen Gemeinschaft vorgeworfen, in seinen sogenannten Forschungsanlagen atombombenfähiges Uran anzureichern. Teheran beharrt jedoch darauf, Atomenergie nur zu friedlichen Zwecken nutzen zu wollen. Dieser Aussage glaubt Israel aber nicht. Sein Armeesprecher Deffrin begründete die Angriffe gegen iranische Atomanlagen damit, dass man beim Iran zuletzt "Anzeichen für erhebliche Fortschritte in Richtung nuklearer Fähigkeiten" identifiziert habe. Staatspräsident Herzog erklärte, das sei eine "existenzielle Bedrohung des jüdischen Volkes"
Zur Entscheidung für den Angriff zu diesem Zeitpunkt - über den schon seit mehr als ein Jahrzehnt lang diskutiert wird - trug sicherlich auch die Schwächung der iranischen "Achse des Widerstands" bei. Nach mehr als 20 Monaten Gaza-Krieg ist die islamistische Hamas deutlich dezimiert, ebenso die libanesische Hisbollah. Beide werden maßgeblich vom Iran finanziert. Syrien dient seit dem Umsturz nicht mehr als Korridor für Waffenlieferungen des Iran an die Hisbollah. Nach einem israelischen Angriff im vergangenen Jahr gilt zudem die iranische Luftabwehr als beschädigt.
Mit großer Aufmerksamkeit wurde in Israel auch die Resolution des Gouverneursrats der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien zur Kenntnis genommen. Diese stellte formell fest, dass der Iran seine rechtlichen Verpflichtungen zur Zusammenarbeit mit der IAEA nicht erfüllt. Dies wurde in Israel als "gelbe Karte" für Teheran interpretiert. Israels Militärchef Zamir sagte mit Blick auf den Großangriff im Iran, man befinde sich "an einem Punkt ohne Umkehr", man habe nicht mehr warten können.
Wie wirksam ist Israels Angriff?
Über die Wirksamkeit des israelischen Angriffs gehen die Expertenmeinungen auseinander. Der Militäranalyst Leighton bestätigte im US-Fernsehsender CNN, dass der Iran seine Atomanlagen gegen die Gefahr militärischer Angriffe durch die Verwendung eines speziellen, gehärteten Betons schützt. Es sei unklar, ob israelische Bomben diese Art von Beton durchdringen könnten. Zudem befinden sich einige der iranischen Atomanlagen laut Experten tief unter der Erde. Die israelische Luftwaffe verfüge aber über keine B-2- und B-52-Bomber, die sogenannte Bunkerbrecher-Bomben transportieren könnten, berichtete die US-Nachrichtenseite "Axios". Solche schweren Bomben wären wahrscheinlich nötig, um die unterirdische Urananreicherungsanlage Fordow im Iran zu treffen, hieß es. Der frühere Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, Jadlin, warnte jedoch - ebenfalls bei CNN - davor, Israels Innovationskraft zu unterschätzen.
Wie stehen USA zu dem Angriff?
US-Präsident Trump hatte sich gegen einen Angriff Israels im Iran ausgesprochen, solange die Verhandlungen noch laufen. Nach der israelischen Attacke - über die seine Regierung vorab von Israel informiert wurde - äußerte sich der Präsident alllerdings positiv: "Ich denke, es war ausgezeichnet", sagte Trump. "Wir haben Teheran eine Chance gegeben, und sie haben sie nicht genutzt." Der Iran sei so hart getroffen worden, wie man nur getroffen werden könne. "Und es wird noch mehr kommen. Sehr viel mehr." Zur Frage, ob die USA in irgendeiner Weise an dem Angriff beteiligt gewesen seien, wollte der Präsident sich nicht äußern.
Auch IAEA-Chef Grossi hatte Israel diese Woche noch vor einem Angriff auf iranische Atomanlagen gewarnt. Diese seien extrem gut geschützt und er machte deutlich, dass so ein Angriff nach hinten losgehen könnte. Der "Jerusalem Post" sagte Grossi, ein Angriff könnte "die Entschlossenheit des Irans, nach einer Atomwaffe zu streben oder aus dem Atomwaffensperrvertrag auszusteigen", festigen. Der oberste UNO-Atomwächter fügte hinzu, er sage das, weil die Iraner ihm das so gesagt hätten.
Droht ein Flächenbrand in Nahost?
Es besteht die Befürchtung, dass die Führung des Irans Vergeltungsschläge gegen US-Stützpunkte in der Region anordnen könnte. Die USA als Israels wichtigster Verbündeter hatten diese Woche aus Sicherheitsgründen eine Reduzierung ihres Botschaftspersonals im Irak veranlasst. Stützpunkte des US-Militärs am Persischen Golf sind nicht sehr weit vom Iran entfernt.
Israels Handlungen hätten nicht ohne Koordination und Genehmigung der USA erfolgen können, erklärte das iranische Außenministerium. Daher sei auch die US-Regierung als Hauptunterstützer Israels für die Konsequenzen mitverantwortlich. US-Außenminister Rubio warnte in einer Pressemitteilung an die Führung in Teheran gerichtet: "Lassen Sie mich deutlich sein: Der Iran sollte US-Einrichtungen oder US-Personal nicht angreifen."
In seinem Nachbarland Irak übt der Iran großen Einfluss aus, unter anderem über verbündete schiitische Milizen. Zudem verfügt die Regionalmacht über Raketen, die Israels Staatsgebiet erreichen können. Israel stellt sich auch darauf ein, dass Teherans Verbündeter im Jemen, die Huthi-Miliz, ihre Angriffe auf Israel noch verstärken könnte. Außerdem wird befürchtet, dass auch die libanesische Hisbollah-Miliz trotz einer seit November geltenden Waffenruhe wieder in den Konflikt eingreifen könnte.
Wie ist der aktuelle Stand des iranischen Atomprogramms?
Seit Jahren unterhält der Iran ein Atomprogramm mit zwei Anlagen zur Urananreicherung und einem Kernkraftwerk in der Hafenstadt Buschehr. Das Land betreibt außerdem einen Forschungsreaktor nahe der Hauptstadt Teheran sowie weitere Anlagen in der Metropole Isfahan im Zentrum des Landes. In Arak im Westen betreibt der Iran zudem einen Schwerwasserreaktor.
Laut einem Bericht der IAEA verfügt Teheran bereits über fast 409 Kilogramm an Uran mit einem Reinheitsgrad von 60 Prozent. Für Kernwaffen wird ein Reinheitsgrad von gut 90 Prozent benötigt. Experten hatten immer wieder bemängelt, dass dies für zivile Zwecke nicht nötig ist.
Was bedeutet der Angriff für die Atomverhandlungen zwischen dem Iran und den USA?
Seit knapp zwei Monaten verhandeln Washington und Teheran über das iranische Atomprogramm. Zuletzt gerieten die Gespräche jedoch ins Stocken – Hintergrund sind erhebliche Meinungsunterschiede. Die USA fordern einen vollständigen Stopp der Urananreicherung, was Teheran als rote Linie betrachtet.
Eigentlich war für Sonntag unter Vermittlung des Golfstaats Oman eine sechste Gesprächsrunde geplant. Nach Einschätzung von Beobachtern ist ein Treffen nach der jüngsten militärischen Eskalation äußerst unwahrscheinlich. Israels Ministerpräsident Netanjahu hatte einen Deal nur dann für akzeptabel erklärt, wenn er zur Zerstörung aller Atomanlagen im Iran führen würde.
Diese Nachricht wurde am 13.06.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.