
Zwei Tage, bevor der Iran und die USA im Oman ihre Gespräche über ein Atomabkommen fortsetzen wollten, hat Israel den Iran angegriffen – mit der Begründung, so das iranische Atomprogramm stoppen zu wollen. Der Iran hat daraufhin seine Teilnahme an den Gesprächen abgesagt.
Nach jahrelanger diplomatischer Eiszeit hatten die USA und der Iran erst Mitte April ihre Atom-Gespräche wieder aufgenommen. Dadurch war wieder Bewegung in den festgefahrenen Atomstreit zwischen beiden Ländern gekommen, die sich seit Jahrzehnten regelmäßig mit Drohungen und Vorwürfen überziehen. Nun stellen sich viele Fragen: Etwa, wie die Chancen stehen, dass die Verhandlungen wieder aufgenommen werden. Und welche Folgen der israelische Angriff auf das iranische Atomprogramm haben wird.
Inhalt
- Sind die Verhandlungen über ein Atomabkommen nach dem israelischen Angriff auf den Iran gescheitert?
- Worum geht es bei den nun unterbrochenen Atom-Gesprächen?
- Was beinhaltet Irans Atomprogramm - und wie hat es sich entwickelt?
- Welche Ziele haben der Iran und die USA bislang verfolgt?
- Statt einem Abkommen: Kann Israel das iranische Streben nach der Atombombe militärisch stoppen?
- Welche Folgen drohen, wenn Iran weder diplomatisch noch militärisch von eigenen Nuklearwaffen abgehalten wird?
Sind die Verhandlungen über ein Atomabkommen nach dem israelischen Angriff auf den Iran gescheitert?
Die Verhandlungen über ein Atomabkommen sind zwar unterbrochen, aber nicht unbedingt gescheitert. Mit den israelischen Angriffen seien die diplomatischen Bemühungen zwischen Washington und Teheran zunächst einmal faktisch untergraben worden, sagt die Expertin für das iranische Atomprogramm Azadeh Zamirirad von der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Das heißt aber nicht, dass die Tür endgültig geschlossen ist“, betont Zamirirad. Denn das iranische Regime sei in einer ausgesprochen schwierigen Situation, da es sich gegen die israelischen Angriffe nicht ausreichend zur Wehr setzen könne.
Zwar besteht ihrer Einschätzung nach die Möglichkeit, dass Teheran nun in einen völlig eskalierenden Krieg gehe. „Oder sie suchen nach einer gesichtswahrenden Lösung, wie sie bestimmte Konzessionen noch machen können, versuchen, den Pfad mit den Amerikanern wieder aufzunehmen“, erklärt die Politikwissenschaftlerin. Auch über diese Option werde man in Teheran in diesen Tagen sehr intensiv nachdenken.
Aus Sicht des Iran-Experten Cornelius Adebahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik wird es in dieser neuen Situation allerdings nicht wahrscheinlicher, dass die Führung in Teheran ihr nukleares Programm aufgibt. US-Präsident Donald Trump wolle die israelischen Angriffe zwar offenbar als Druckmittel gegenüber dem Iran nutzen, um ein Abkommen zu erzielen. Doch nach Einschätzung von Adebahr entspricht es nicht der in Teheran vorherrschenden Logik, nun Verhandlungsbereitschaft zu zeigen.
Worum geht es bei den nun unterbrochenen Atom-Gesprächen?
Im Kern geht es bei den mindestens pausierten Gesprächen um das iranische Atomprogramm. Der Westen wirft dem Iran seit langem vor, er strebe nach Atomwaffen. Teheran bestreitet das und erklärt, sein Atomprogramm diene nur der zivilen Nutzung und Energiegewinnung. Rafael Grossi, Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), hatte jedoch gewarnt, der Iran sei nicht mehr weit davon entfernt, in den Besitz einer Atombombe zu gelangen. Laut dem jüngsten IAEA-Bericht hat der Iran die Herstellung von 60-prozentigem, und damit beinahe waffentauglichem Uran deutlich ausgeweitet.
Die Verhandlungen sollten den Weg zu einem neuen Abkommen über Teherans Atomprogramm ebnen. Ein wichtiger Punkt ist die Frage, ob eine mögliche Vereinbarung das gesamte iranische Nuklearprogramm in den Blick nimmt, also auch die zivile Nutzung der Kernkraft. Weitere Konfliktpunkte bei den Gesprächen sind das Raketenprogramm des Iran sowie seine Nahostpolitik, vor allem seine Unterstützung militanter islamistischer Gruppen gegen den iranischen Erzfeind Israel.
In den rund zwei Monate laufenden Verhandlungen gab es zuletzt keine Fortschritte mehr. Der Politikwissenschaftler und USA-Experte Josef Braml hält es für möglich, dass die USA und Israel als Verbündete eine „Guter Polizist, böser Polizist“-Strategie verfolgt haben. Während Israel bereits Kriegspläne vorbereitet habe, hätten die USA zwar der Diplomatie noch eine Chance gegeben. Aber die Gespräche seien wegen der amerikanischen Maximalforderungen zum Scheitern verurteilt gewesen: „Etwa überhaupt keine Anreicherung mehr zu erlauben, auch keine für zivile Nutzung“, erklärt Braml. „Da konnten die Iraner nicht zustimmen, ohne ihr Gesicht zu verlieren.“
Was beinhaltet Irans Atomprogramm - und wie hat es sich entwickelt?
Das iranische Atomwaffenprogramm hat eine jahrzehntelange Vorgeschichte. Bereits 1984 ordnete der Gründer der Islamischen Republik Iran, Ayatollah Chomeini, die Entwicklung von nuklearen Waffen an. Viele Jahre gelang es dem Regime in Teheran, dieses Programm vor der internationalen Öffentlichkeit geheim zu halten. In den 1990er-Jahren erhielten die USA erste Kenntnis von einer geplanten iranisch-russischen Zusammenarbeit bei der nuklearen Aufrüstung des Iran.
Im Jahr 2002 unterrichtete eine iranische Widerstandsgruppe die bis dahin ahnungslose Internationale Atomenergiebehörde darüber, dass das Mullah-Regime dabei sei, einen kompletten nuklearen Brennstoffkreislauf aufzubauen. Gleichzeitig benannte die Oppositionsgruppe geheime Standorte der iranischen Nuklearanlagen. Seitdem schwelt der Streit um das iranische Atomprogramm.
Obama und das Atomabkommen von 2015
Nach seinem Amtsantritt brachte der 2009 gewählte US-Präsident Barack Obama eine internationale Koalition zustande, die den Iran zu Verhandlungen bewegen sollte. Ein dichtes Sanktionsregime wurde eingerichtet, das dem Iran wirtschaftlich schwer zusetzte. Im August 2015 dann unterzeichnete der Iran ein Abkommen, an dem Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA beteiligt waren, aber auch Russland und China, die bis dahin oft den Iran geschützt hatten.
Der Atom-Deal sollte den Iran am Bau von Atomwaffen hindern. Im Gegenzug für Zugeständnisse beim Atomprogramm - der Iran verpflichtete sich zum Abbau großer Mengen hochangereicherten Urans und zu umfangreichen Kontrollen durch die IAEA - sollten Sanktionen und Handelsbarrieren fallen. Was nicht gelang, war, die aggressive Regional-Politik des Irans einzudämmen. Auch das Programm zum Bau von Langstreckenraketen war nicht Gegenstand des Abkommens.
Trumps Ausstieg aus dem Atom-Deal
Nur wenige Jahre später, 2018, kündigte Obamas Nachfolger Donald Trump das Abkommen während seiner ersten Amtszeit einseitig auf und verhängte neue Wirtschaftssanktionen gegen den Iran. Eine hauptsächlich innenpolitisch motivierte Entscheidung, mit der sich Trump bei republikanischen Hardlinern, die das Abkommen nie gewollt hatten, Freunde machen und gleichzeitig die Politik des von ihm und seinen Unterstützern verachteten Obama rückabwickeln konnte.
In der Folge hielt sich auch der Iran nicht mehr an die Vereinbarungen, reicherte wieder mehr Uran an, auch in höheren Konzentrationen, und schränkte die IAEA-Überwachung ein. 2022 nahmen die verbliebenen Unterzeichner-Staaten einen Anlauf, um das Abkommen wieder zu beleben, blieben allerdings erfolglos.
Welche Ziele haben der Iran und die USA bislang verfolgt?
Seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus Anfang 2025 drängt Trump auf eine neue Vereinbarung - dem Iran hatte er im Fall eines Scheiterns der Gespräche mit einem militärischen Vorgehen gedroht. Aus Sicht des Politologen und Iran-Experten Ali Fathollah-Nejad hatte der Iran kaum eine andere Wahl, als mit den USA zu verhandeln. Das Land stand schon vor dem israelischen Angriff am 13. Juni 2025 massiv unter Druck, sowohl von außen als auch von innen. Der Konflikt mit Israel hatte den Iran schon zuvor stark geschwächt. Die selbst ernannte „Achse des Widerstands“ ist nach der Schwächung der pro-iranischen Milizen Hisbollah im Libanon, Huthi im Jemen und Hamas im Gazastreifen ins Wanken geraten.
Dazu steckt der Iran in einer historisch schweren Wirtschaftskrise, die Kritik am Regime wächst. „Der Unmut ist so groß wie nie zuvor“, sagte Fathollah-Nejad im April 2025, zu Beginn der Atom-Gespräche. Der Iran hatte sich von ihnen ein Ende der verhängten Sanktionen erhofft, die als wichtiger Grund für die katastrophale wirtschaftliche Situation gelten.
Für die Vereinigten Staaten ist der Zeitpunkt für Gespräche indes günstig. US-Präsident Trump hat nach Einschätzung von Politikwissenschaftler Cornelius Adebahr den Iran offenbar als „geschwächt genug“ angesehen, um ein Abkommen zu erreichen und sich so als internationaler Verhandler und „Friedensmacher“ zu profilieren.
Die USA bräuchten einen außenpolitischen Erfolg, betonte der Nahost-Experte Daniel Gerlach im April 2025. Auch, weil sich etwa in der Ukraine, anders als von Trump angekündigt, kein schnelles Kriegsende erzielen ließ.
Statt einem Abkommen: Kann Israel das iranische Streben nach der Atombombe militärisch stoppen?
Mit dem Angriff auf den Iran will Israel nach eigener Aussage verhindern, dass der Iran eine Atombombe bauen kann. Israel hat bei seinen Attacken nicht nur, aber auch Atomanlagen angegriffen und gezielt Atomwissenschaftler getötet. Doch wie schwer das iranische Atomprogramm dadurch tatsächlich zurückgeworfen wird, werde wahrscheinlich erst in Wochen oder Monaten klar sein, betont der Nahost-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Alleine mit Luftangriffen werde Israel aber nicht alle Uran-Anreicherungsanlagen im Iran zerstören können, betont Steinberg. Denn die Anlage in Fordo liegt sehr tief im Fels verborgen, etwa 700 Meter unter der Erde. Daher dürften die Uran-Anreicherungsfähigkeiten des Irans nach Ansicht des Experten im Moment noch intakt sein.
Der Iran-Experte Cornelius Adebahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik hält es nach dem israelischen Militärschlag zudem für wahrscheinlich, dass das iranische Regime jetzt erst recht versucht, eine Atombombe zu besitzen, da es darin die einzige Versicherung gegen einen weiteren Angriff sehe. Ob das israelische Vorgehen in der nuklearen Auseinandersetzung irgendwelche Vorteile bringe, werde man erst auf lange Sicht wissen, sagt Adebahr: „Aber viele haben davor gewarnt, dass das nicht der Fall sein wird.“
Welche Folgen drohen, wenn Iran weder diplomatisch noch militärisch von eigenen Nuklearwaffen abgehalten wird?
Sollte der Iran eigene Nuklearwaffen produzieren, könnte es in der Region zu einem Wettrüsten kommen. Das befürchtet Azadeh Zamirirad, die Leiterin der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Es sei sehr naheliegend, dass dann Staaten wie Saudi-Arabien aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate nachziehen. „Das wäre natürlich fatal für die Sicherheit in der Region“, sagt die Politikwissenschaftlerin. „Der Nahe Osten ist ohnehin volatil genug wie er ist.“
Außerdem dürfte ein Wettrüsten am Persischen Golf das ohnehin unter Druck stehende Nichtverbreitungsregime für Atomwaffen zusätzlich schwächen, warnt Zamirirad: „Es würde sämtliche Bemühungen darum, Nuklearwaffen abzubauen global, erheblich unterminieren.“
irs, jfr