Nahostkonflikt
Iran und Israel: Geschichte einer Erzfeindschaft

Schon seit Jahren bekämpfen sich Israel und der Iran im Verborgenen. Nach dem israelischen Angriff auf das iranische Atomprogramm droht nun ein offener Krieg der beiden stärksten Militärmächte der Region. Woher rührt die Erzfeindschaft?

    Demonstrantinnen und Demonstranten schwenken iranische, palästinensische und Hisbollah-Flaggen.
    Iranerinnen und Iraner versammeln sich am 13. Juni in Teheran, um den Vergeltungsschlag gegen Israel zu feiern. Doch viele Menschen im Iran stehen nicht hinter ihrer Führung. (picture alliance / Anadolu / Fatemeh Bahrami)
    Israel und Iran als Verbündete? Was heute kaum vorstellbar ist, war einst Realität. Iran war nach der Türkei im März 1950 das zweite muslimische Land, das Israel offiziell anerkannte. Unter der Herrschaft des Schahs Mohammad Reza Pahlavi arbeiteten Israel und Iran zusammen. Sie entwickelten Kooperationsprojekte in der Infrastruktur- oder Landwirtschaftspolitik. Israelische Spezialisten bildeten iranische Sicherheitskräfte und Geheimdienstmitarbeiter aus.
    Das ist lange her. In der Nacht zum 13. Juni 2025 hat Israel den Iran angegriffen – mit der Begründung, dass der Iran laut Geheimdienstinformationen bei der Entwicklung einer Atombombe kurz vor einem „point of no return“ gestanden habe. Der Iran wertete den Angriff als Kriegserklärung. Von Verbündeten zu Kriegsgegnern, wie ist die Feindschaft zwischen Israel und dem Iran entstanden?

    Inhalt

    Wie hat sich die Feindschaft zwischen Iran und Israel entwickelt?

    Wendepunkt der iranisch-israelischen Beziehungen ist die islamische Revolution im Iran 1979: Revolutionsführer Ruhollah Chomeini ruft die USA und Israel als Erzfeinde aus. „Das geschah quasi über Nacht und war ein geopolitischer Schlag, ein Schock ohnegleichen“, beschreibt Politikwissenschaftler und Deutsch-Iraner Ali Fathollah-Nejad die Auswirkungen.
    Die Führung in Teheran erkennt das Existenzrecht Israels nicht länger an, vielmehr wird der Kampf gegen Israel zur iranischen Staatsdoktrin. Das zeigt sich zum ersten Mal 1982, als Israel gegen feindliche Gruppierungen im Libanon vorgeht und im Süden des Nachbarlandes einmarschiert, was vor allem die schiitische Minderheit dort stark betrifft.
    Daraufhin erlässt Ajatollah Chomenei eine Fatwa und schickt iranische Revolutionsgarden zur Unterstützung. Die gründen im weiteren Verlauf die schiitische Hisbollah-Miliz, um israelische Truppen zurückzudrängen. Am ebenfalls von Chomenei ins Leben gerufenen "Al-Kuds-Tag" fordern jährlich Demonstranten im Iran und weltweit die Befreiung Jerusalems und wenden sich gegen das Existenzrecht Israels.
    Der Hass des Revolutionsführers hat auch machtpolitische Gründe. Chomenei macht die Unterstützung der Palästinenser und die Feindschaft zu Israel zu zentralen politischen Säulen, weil er für sich und sein Land nach der Vorreiterrolle in der islamischen Welt strebt. Die Palästina-Frage dient ihm dafür als Vehikel. Ohne diese könnte er als Angehöriger der schiitischen Minderheit kaum solche Anerkennung erreichen. An dieser grundsätzlichen Position als „Anwalt der Palästinenser“ hält der Iran bis heute fest.
    Israel wiederum sieht im autoritär geführten Gottesstaat das größte Risiko für die eigene Sicherheit. Iran ist eine starke Militärmacht in der Region, die den jüdischen Staat zusätzlich durch die Unterstützung verschiedener islamistischer Milizen unter Druck setzt. Seit Bekanntwerden des iranischen Atomprogramms 2002 fürchtet die Regierung in Tel Aviv zudem den Aufstieg Irans zu einer Atommacht.

    Wie wird der Konflikt zwischen Iran und Israel seit Jahrzehnten ausgetragen?

    Beide Staaten bekämpfen sich seit langem, allerdings oft im Verborgenen. Der Iran wird beispielsweise mit Terroranschlägen gegen jüdische Einrichtungen in Verbindung gebracht. In den 1990ern sterben insgesamt 114 Menschen bei zwei Bombenexplosionen in einem jüdischen Gemeindezentrum in Buenos Aires. Das Regime in Teheran versucht außerdem Israels Sicherheit über „Stellvertreter“ zu untergraben. Unter dem Begriff „Achse des Widerstands“ stattet der Iran verschiedene Gruppierungen in der Region mit Waffen aus - darunter die Hamas und den Islamischen Dschihad im Gazastreifen sowie die Hisbollah im Libanon.
    Israel wiederum bekämpft den iranischen Einfluss mit verschiedenen Mitteln. Dazu zählen Luftangriffe auf Stellungen pro-iranischer Gruppen im Libanon, Syrien und dem Irak. 2007 zerstörten israelische Jets einen mutmaßlichen Atomreaktor im syrischen Deir Al-Sor, der mit dem iranischen Atomprogramm in Verbindung gebracht wurde. Israels Auslandsgeheimdienst Mossad soll für die gezielte Tötung mehrerer iranischer Wissenschaftler verantwortlich sein. Mit einem den USA und Israel zugeschriebenen Cyberangriff zerstörte das Computervirus „Stuxnet“ Zentrifugen zur Urananreicherung in der iranischen Forschungsanlage Natans.
    Beim Angriff in der Nacht zum 13. Juni 2025 hat Israel unter anderem mehrere Atom- und Militäranlagen bombardiert. Die Chefs der iranischen Armee und der Revolutionsgarden wurden getötet, ebenso nahezu die gesamte Führungsspitze der Luftwaffe der Revolutionsgarden. Der Iran reagierte darauf zunächst mit einen Drohnen- und anschließend einem Raketenangriff auf Israel. Dessen Militär setzte seine Angriffe auf den Iran ebenfalls fort.
    Einzige Ausnahme der anhaltenden Auseinandersetzungen: Zu Zeiten des Iran-Irak-Krieges bezieht der Iran über geheime Kanäle Waffen aus Israel.

    Wie steht die Bevölkerung beider Länder diesem Konflikt gegenüber?

    Nach dem Angriff Israels im Juni 2025 seien die Iranerinnen und Iraner in erster Linie besorgt, sagt die Journalistin und Nahostexpertin Natalie Amiri, auch da sie auf sich alleine gestellt seien: „Anders als in Israel leben die Menschen in einem Land, in dem das Regime sie nicht schützt.“ Es herrsche Unsicherheit, wie es nun weitergeht, sowohl angesichts der Bombardierung als auch angesichts der Nervosität und Aggressivität des Regimes.
    Insgeheim freuten sich sehr viele Iranerinnen und Iraner aber auch darüber, dass die militärische Führung durch Angriffe getötet wurde. Denn diese Führungsfiguren hätten den Menschen über Jahrzehnte das Leben sehr schwer gemacht. Die iranische Bevölkerung empfinde Israel aber nicht als „Befreier“, erklärt Amiri. Mit einem von Außen ausgelösten Regimewechsel hätten die Iranerinnen und Iraner sehr schlechte Erfahrungen gemacht.
    Aussagekräftige Meinungsumfragen zum Angriff Israels im Juni 2025 gibt es noch nicht. Vor etwa einem Jahr waren sowohl Israelis als auch die Menschen im Iran offenbar skeptisch, was einen Waffengang gegen den jeweils anderen angeht.
    Laut einer Umfrage der Hebräischen Universität in Jerusalem waren 52 Prozent der Befragten in Israel gegen einen Vergeltungsschlag, nachdem der Iran im April 2024 Israel mit Hunderten Raketen und Drohnen angegriffen hatte. Zu dieser Eskalation war es nach einem mutmaßlich israelischen Luftangriff auf die iranische Botschaft in Damaskus gekommen, bei dem mehrere ranghohe Mitglieder der Islamischen Revolutionsgarden starben.
    Experten gehen davon aus, dass auch die iranische Bevölkerung den Angriff auf Israel im April 2024 nicht befürwortet hat. Es sei möglich, dass Teile der konservativen Elite hinter der Regierung stehen, nicht aber die Mehrheit der Bevölkerung, sagte damals Nahost-Experte Philipp Dienstbier. Diese leide viel mehr unter der desaströsen Situation im Land. „Die Regierung wird immer wieder kritisiert, dass sie Geld in die Milizen steckt, aber nicht in die Lage zu Hause. Versuche der Regierung Unterstützung in der breiten Bevölkerung zu finden, scheitern deshalb oft“, so Dienstbier.
    jk, jfr