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Wilhelm Schänzer
Ein Leben für den Anti-Doping-Kampf

Fast 40 Jahre war Wilhelm Schänzer an der Deutschen Sporthochschule Köln. 21 Jahre und 11 Monate leitete er das Institut für Biochemie, gleichzeitig auch eines der beiden deutschen Doping-Kontroll-Labore, die von der Welt-Anti-Doping-Agentur akkreditiert wurden. Jetzt geht Schänzer in den Ruhestand.

Von Heinz Peter Kreuzer | 30.07.2017
    Professor Wilhelm Schänzer, Leiter des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS), steht am Montag (17.01.2011) vor dem Eingang zum Institut in Köln.
    Am 1. August ist Schluss - Professor Wilhelm Schänzer, Leiter des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule Köln geht in den Ruhestand. (picture-alliance / dpa / Revierfoto)
    Ursprünglich wollte Wilhelm Schänzer Lehrer für Sport und Chemie werden. In den 70er Jahren studierte er in Köln an der Deutschen Sporthochschule und der Uni Köln Sport und Chemie. Den Plan, weiter an der Sporthochschule wissenschaftlich zu arbeiten, schmiedete er auf Umwegen.
    Eine entscheidende Rolle spielte dabei der bekannte Kölner Dopingjäger Manfred Donike. Der Hinweis, dass Donike einen Lehrstuhl für Biochemie an der Sporthochschule aufbauen wolle, änderte Schänzers Leben. "Dann bin ich zum Donike gegangen, hab gesagt, passen Sie auf, kann ich bei Ihnen arbeiten, langfristig. Und da hat er gesagt, okay, fangen wir mal an, machen Sie mal dieses und jenes nach dem Studium und dann durfte ich bei ihm als studentische Hilfskraft anfangen. Und dann hat sich das so ergeben."
    Ideale Kombination von Chemie und Sport
    In der Rückschau sieht der 65-Jährige seinen Beruf als ideale Kombination von wissenschaftlichem Arbeiten in den Bereichen Chemie und Sport. Die Stelle an der Deutschen Sporthochschule wurde für Schänzer zu einem Platz für sein gesamtes Berufsleben. Der frühere Zehnkämpfer beerbte seinen Mentor nach dessen plötzlichem Tod. Im September 1995 übernahm er kommissarisch die Institutsleitung. Zwei Jahre später wurde er dann offiziell Lehrstuhlinhaber und Chef des Kölner Doping-Labors.
    1996 betrat Schänzer in dieser Rolle die große Bühne des Weltsports. Der südafrikanische Boxer Francis Botha war positiv auf Nandrolon getestet worden. "Der Internationale Boxverband, der für diesen Fight zuständig war, der wollte natürlich, dass die B-Analyse nicht im gleichen Labor stattfindet sondern in Amerika. Und deshalb musste ich dann nach Los Angeles fahren zur B-Probe. Das Ergebnis wurde dann auch eindeutig bestätigt. Tja, positiver Befund und Riesen-Medienspektakel."
    Das Riesen-Medienspektakel blieb kein einmaliges Ereignis. Es war der Beginn einer aufregenden Zeit. Der Fall Dieter Baumann brachte das Kölner Labor wieder in die Schlagzeilen. Die Dopingfahnder stellten intensive Untersuchungen an, und kamen zu dem Ergebnis: dass Baumanns Zahnpasta manipuliert wurde.
    Kritiker gab es genug
    Sportfunktionäre und andere Wissenschaftler kritisierten das Engagement Schänzers und seiner Mitarbeiter. Darunter der damalige Chef des Doping-Kontroll-Labors in Kreischa, Professor Klaus Müller: "Die Dopinglabors haben in erster Linie einen Analysenbefund zu liefern, der den Regeln entspricht. Und dieser objektive Befund ist dann zunächst auch das Ende der Aufgabe eines solchen Labors. Insbesondere hat ein Labor nicht festzustellen, ob jemand schuldig oder nicht schuldig ist, das ist letztlich eine Frage des Sportrechts."
    War Dieter Baumann Täter oder Opfer - darüber herrscht noch heute Uneinigkeit. Zu seinem Vorgehen in diesem Fall hat Wilhelm Schänzer eine ganz eigene Position. Er sieht sich als Wissenschaftler generell in der Pflicht. "Da können die Kollegen kritisieren was sie wollen. Das ist in Absprache gemacht worden mit den Verbänden usw. War es eine Dopingfalle? War ja immer wieder unsere Idee, wenn ein Athlet auch möglicherweise unbeabsichtigt des Dopings beschuldigt werden kann. Wir müssen natürlich wissen, ob das möglich ist. Das waren diese sogenannten kontaminierten Nahrungsergänzungsmittel. Das war ein Riesenproblem damals, 1999 war das."
    "Kölner Liste" ist zum Leitfaden für Athleten geworden
    Verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel wurden - neben Nachweismethoden hauptsächlich für Anabolika - auch danach zum Spezialgebiet des Kölner Labors. Noch heute greifen die Athleten auf die so genannte "Kölner Liste" zurück, ein Leitfaden für Athleten zum Schutz vor "kontaminierten Nahrungsergänzungsmitteln."
    Und die Philosophie "Athleten vor Dopingfallen zu schützen" wird weitergelebt. Zum Institut gehört auch das "Zentrum für Präventive Dopingforschung". Dieses entwickelt nicht nur neue Analysemethoden zum Nachweis verbotener Substanzen. Das Zentrum forscht auch nach Methoden, um nachzuweisen, ob ein vorsätzlicher Dopingverstoß vorliegt oder der positive Befund auf den Verzehr kontaminierter Nahrungsmittel oder der Einnahme von Medikamenten zurückzuführen sein kann.
    Mit eingefrorenen Proben den Dopern auf der Spur
    Das kann man glücklicherweise und zum Schutze der Athleten mit Hilfe entsprechender Analysemethoden ausschließen, sagt Professor Mario Thevis. Der Leiter des Präventionszentrums wird jetzt Nachfolger von Schänzer.
    Mario Thevis vom Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln
    Mario Thevis wird neuer Leiter des Instituts für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln (Deutschlandradio - Hendrik Maaßen)
    In der Forschungseinrichtung wurden auch zahlreiche Analyseverfahren entwickelt, mit denen die eingefrorenen Proben Olympischer Spiele Jahre später noch einmal getestet wurden. So wurden zahlreiche Medaillengewinner Jahre später überführt.
    Der stellvertretende Institutsleiter Hans Geyer, ein enger Schänzer-Mitarbeiter, sagt: "Die Proben wurden in verschiedenen Laboratorien gemessen, aber 90 Prozent der Proben, die bisher veröffentlicht wurden, der positiven Proben, sind mit Methoden aus dem Kölner Labor erwischt worden."
    Für die Zukunft hofft Wilhelm Schänzer, dass die Verbände und Anti-Doping-Organisationen das Trainingskontrollsystem verbessern. Nur dann könnten die Analytiker ihre Aufgabe erfüllen. "Wir müssen hier als Institut die Daten liefern, die unabhängig verwendet werden können."