30. Januar 2016. Der ASV Nendingen feiert das Triple - zum dritten Mal in Folge werden die Ringer Deutscher Meister. Durch einen denkbar knappen Sieg gegen Germania Weingarten.
Was da noch niemand weiß: zwei Nendinger Ringer sind gedopt - mit dem seit 1. Januar 2016 verbotenen Meldonium. Das ist jetzt anderthalb Jahre her. Doch abgeschlossen ist der Fall nicht, sagt Lars Mortsiefer, Vorstand der Nationalen Anti Doping Agentur, Nada: "Der aktuelle Stand im sportrechtlichen Verfahren stellt sich wie folgt dar: Der erste Fall ist abgeschlossen, aber noch nicht rechtskräftig, der zweite Fall ist weiterhin noch anhängig. Auch die beiden strafrechtlichen Verfahren sind noch nicht abgeschlossen und werden von den Staatsanwaltschaften beziehungsweise den Gerichten noch fortgesetzt."
Nendingen droht Aberkennung des Titels
Im abgeschlossenen sportrechtlichen Fall hat der Deutsche Ringerbund den Athleten für vier Jahre gesperrt. Ein Urteil mit Auswirkungen auf die Wertung des Meisterschaftskampfes zwischen Nendingen und Weingarten, erläutert Daniel Wozniak, Vizepräsident des Deutschen Ringerbundes: "Weil es eben sehr knapp ausgegangen ist beim Deutschen Mannschaftsmeister 2015/16 führt es dann dazu, dass das Gesamtergebnis sich ändern würde und dann würde Nendingen der Titel ab- und Weingarten zuerkannt werden."
Auf den Meistertitel muss Weingarten aber weiter warten. Denn die Entscheidung des Sportgerichts ist erst dann rechtskräftig, wenn der verurteilte Athlet sie auch erhalten hat. Ein Problem, denn der Ringer stammt aus Moldawien: "Die erste Zustellung und die Zweite hat nicht funktioniert. Momentan läuft jetzt gerade die rechtmäßig vorgeschriebene Dritte, der dritte Zustellversuch"
Weingarten mit 20 Monaten Verspätung Deutscher Meister
Klappt auch der nicht, darf der Schiedsspruch dem Verein zugestellt werden. Erst wenn dann niemand Rechtsmittel einlegt, ist das Urteil rechtskräftig. Im September könnte es soweit sein, meint Wozniak. Dann wäre Germania Weingarten mit 20 Monaten Verspätung Deutscher Mannschaftsmeister der Saison 2015/16.
"Über diesen Ablauf hat uns niemand informiert", erklärt Weingartens 1. Vorsitzender Ralph Oberacker auf Deutschlandfunk-Anfrage: Selbst von der vierjährigen Sperre gegen den Nendinger Ringer habe er nur, durch einen zufälligen Blick auf die Internetseite der Nada erfahren. Dort habe er das Urteil entdeckt. Die Information, dass der Schiedsspruch nicht rechtskräftig ist, habe am 10. Juli allerdings gefehlt.
Keine Informationen vom Deutschen Ringerbund
"Ich wollte wissen, warum das Urteil nicht umgesetzt wird und habe an den Deutschen Ringerbund geschrieben, aber keine Antwort bekommen," so der 1. Vorsitzende von Germania Weingarten enttäuscht: "Die Erklärung, dass das Urteil nicht zugestellt werden kann, hätte ich verstanden, aber nicht, dass der Deutsche Ringerbund die Beteiligten nicht informiert", so Ralph Oberacker, 1. Vorsitzender von Germania Weingarten.
Die Sache war von Beginn an kompliziert. Die beiden Dopingfälle der Nendinger Ringer sorgten Anfang 2016 gleich in zweifacher Hinsicht für Aufsehen: Zum einen war da das Thema Meldonium. Das Mittel aus Osteuropa stand seit Anfang vergangenen Jahres auf der Dopingliste. Das Problem: Es war viel länger im Urin nachweisbar als zunächst bekannt. So wurden auch Athleten positiv getestet, die das Mittel zu einer Zeit genommen hatten, als es noch erlaubt war. Die Welt-Anti-Dopingagentur WADA operierte mit Zeitfenstern und Grenzwerten, um tatsächliche Doper zu überführen. Berühmtester Fall: Tennisspielerin Maria Scharapowa. Nach 15-monatiger Sperre kam sie im April zurück. Inzwischen gibt es offenbar kaum noch positive Tests mit Meldonium.
Erste Anwendung des Anti-Doping-Gesetzes
Die Nendinger Fälle waren nicht nur die ersten Meldoniumfälle in Deutschland sondern auch die ersten, in denen es auch strafrechtliche Ermittlungen gab, nach dem Anti-Doping-Gesetz. Durch die neue Vorschrift werden Dopingfälle sowohl von sporteigenen Gerichten als auch strafrechtlich verfolgt.
Wie viele Strafrechtsfälle es im Spitzensport seit Einführung des Anti-Doping-Gesetzes 2016 gegeben hat, kann Nada-Vorstand Lars Mortsiefer nicht sagen: "Wir können aber sagen, dass im strafrechtlichen Verfahren 2016 zum Beispiel die Staatsanwaltschaft Freiburg 14 Verfahren mit Spitzensportbezug zumeist aufgrund der Anzeigen der Nada behandelt hat."
Kritiker halten Gesetz nicht für sattelfest
Bisher ist laut Lars Mortsiefer allerdings noch kein einziger Spitzensportler nach dem Anti-Doping-Gesetz verurteilt worden. Ist das Gesetz zu lückenhaft und noch unvollständig? Die Kritiker dürften sich bestätigt fühlen. Wie etwa Manfred Zipper. Der Jurist war im Fall Nendingen involviert. Er sagte dem Dlf schon im Frühjahr 2016: "Die Vorschriften aus dem Anti-Doping-Gesetz sind aus meiner Sicht nicht ausgegoren. Sie werden einer Verfassungsbeschwerde nicht standhalten."
Das bezweifelt Nada-Vorstand Lars Mortsiefer, und lobt vor allem die Kooperationsmöglichkeiten mit den staatlichen Ermittlungsstellen: "Allerdings sehen wir durchaus, dadurch dass das Gesetz sehr polarisiert immer wieder die Möglichkeit, dass man versucht, sport- und strafrechtliche Verfahren gegeneinander auszuspielen seitens der Gegenseite, aber auch das zeigt bislang wenig Erfolg".
"Braucht noch den einen oder anderen spektakulären Fall"
Und das zieht die Verfahren in die Länge. Die Schwierigkeiten, wenn in einem Fall gleichzeitig sport- und strafrechtliche Ermittlungen laufen, beschreibt Jurist Daniel Wozniak vom Deutschen Ringerbund. Gebe es im einen Verfahren einen Freispruch und im anderen eine Verurteilung, sei das in der Öffentlichkeit kaum zu vermitteln:
"Wahrscheinlich wird's einfach den ein oder anderen spektakulären Fall noch brauchen, der zu einem Ergebnis führt, was man eigentlich coram publico kaum vertreten kann und dann merkt vielleicht auch der Gesetzgeber, dass da das ein oder andere noch geändert werden müsste und könnte."