Die Windkraft übernimmt in der Strategie der Bundesregierung für mehr Klimaschutz einen wichtigen Anteil. Laut Koalitionsvertrag sollen bis 2032 zwei Prozent der bundesdeutschen Landesfläche für Windenergie ausgewiesen werden.
Bislang stockt der Ausbau. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte zuvor mehrere Bundesländer besucht und etwa in Bayern auf mehr Windkraft gepocht. Der Ausbau soll mit dem am 1. Februar 2023 in Kraft tretenden "Wind-an-Land-Gesetz" beschleunigt werden.
Was sieht das Gesetz vor?
Es gibt gesetzlich verpflichtende Flächenziele für Windkraft an Land. So sollen bis 2027 1,4 Prozent und bis 2032 zwei Prozent der Fläche Deutschlands für Windräder verfügbar sein. Das ist eine enorme Herausforderung, da derzeit nur 0,8 Prozent der Bundesfläche für den Bau von Windkraftanlagen ausgewiesen sind. Faktisch genutzt werden aufgrund von massiven Widerständen von Anwohnern und Naturschützern sogar nur 0,5 Prozent.
Außerdem wurden das Bau- sowie Naturschutzrecht reformiert, damit zum Beispiel Windräder in Landschaftsschutzgebieten einfacher installiert werden können. Das Bundeskabinett hat zudem der Umsetzung einer EU-Verordnung zugestimmt. Diese sieht vor, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen für die Genehmigung einzelner Windräder entfallen können, wenn diese generell für das Gebiet vorliegen.
Die installierte Leistung der Windenergieanlagen soll dabei nach den Vorstellungen der Bundesregierung jährlich um 10 GW wachsen. Bis 2030 sollen es dann rund 115 GW sein.
Wie viel Leistung wird aktuell von deutschen Windrädern erzeugt?
In Deutschland existieren derzeit über 28.000 Windräder. Diese sind durchschnittlich jeweils 206 Meter hoch und liefern eine Leistung von rund 4.400 Kilowatt. Insgesamt stehen in Deutschland Windenergieanlagen mit einer Leistung von gut 58 Gigawatt.
551 Windkraftanlagen wurden 2022 in Deutschland zugebaut. Das sind zwar 25 Prozent mehr als im Jahr davor, aber deutlich weniger als in den Rekordjahren 2014 bis 2017. Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Brandenburg haben 2022 die meisten Anlagen zugebaut. Es gibt auch Bundesländer, die weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern gehören dazu, vor allem aber Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen.
Welche Bundesländer sollen wie viel Fläche für Windkraft bereitstellen?
Für die Bundesländer werden unterschiedliche Flächenziele festgelegt, die die jeweiligen Voraussetzungen wie etwa Topografie und Windverfügbarkeit berücksichtigen. Stärker in die Pflicht werden Bundesländer genommen, in denen viele windreiche Gebiete zur Verfügung stehen.
So müssen Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen künftig jeweils 2,2 Prozent der Landesfläche für Windenergie ausweisen. Die kleinsten Flächen fallen an die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg mit jeweils 0,5 Prozent.
Bayern muss 1,8 Prozent seiner Fläche für die Windkraft zur Verfügung stellen. Dort wurde Ende 2022 die sogenannte 10-H-Regel gelockert. Diese sieht vor, dass der Mindestabstand eines Windrads von der nächsten Wohnbebauung das Zehnfache seiner Höhe betragen muss und hatte dazu geführt, dass in Bayern bislang kaum Windräder gebaut werden. Nun wurde der Abstand der Windräder zur Wohnbebauung beispielsweise in Wäldern, nahe Gewerbegebieten, an Autobahnen, Bahntrassen auf 1.000 Meter reduziert.
Das Gesetz sieht allerdings auch vor, dass Länder einen gewissen Anteil der Flächen für Windkraft untereinander übertragen können. Wenn zum Beispiel das windreiche Niedersachsen mehr Fläche ausweist als die zugeschriebenen 2,2 Prozent, dann könnte das Land seine Fläche teilweise an Bayern übertragen. Eine Übertragung pro Bundesland ist auf 25 Prozent des jeweiligen Flächenwertes begrenzt. Die geplanten Flächenziele werden in den meisten Bundesländern bei weitem noch nicht erreicht.
Was bedeutet das Gesetz für die derzeit geltenden Regeln in den Ländern?
Ergänzt wird das Gesetz unter anderem durch Änderungen des Baugesetzes hinsichtlich der Länderöffnungklausel. Bislang erlaubt die Klausel den Ländern, die Mindestabstände der Windräder von bis zu 1.000 Metern zu Wohngebieten selbst festzulegen.
Die Bundesländer können auch weiterhin ihre regionalen Abstandsregeln zwischen einer Windkraftanlage und der Wohnbebauung beibehalten. Allerdings behalten diese regional geltenden Öffnungsklauseln ihre Gültigkeit nur, solange die Bundesländer die ihnen zugewiesenen Flächenvorgaben für die Windkraft erreichen. Ein Monitoring soll sicherstellen, dass dies gelingt.
Bereits bis Mitte 2023 müssen die Bundesländer entsprechende Pläne vorgelegt haben. Werden dann die Flächenvorgaben nicht erreicht, kann und wird der Bund diese Öffnungsklauseln einkassieren. Das heißt: Die Flexibilität auf Landesebene bleibt bestehen, solange die Vorgaben eingehalten werden. Die geltenden Öffnungsklauseln sollen nicht abgeschafft werden, womit den Ländern ein Handlungsspielraum eingeräumt wird.
Reaktionen auf das Gesetz
Der Bundesverband Windenergie kritisiert die zeitliche und räumliche Staffelung der Ausbauziele. Zudem übt der Verband Kritik an der kurzen Frist, die Verbände für die Prüfung der Vorhaben und Stellungnahmen hatten. Umweltverbände sehen die Änderungen als positives Signal für den Ausbau der Windkraft.
BUND und WWF loben das Wind-an-Land-Gesetz explizit, üben aber Kritik am zweiten Aspekt der Ausbau-Beschleunigung, der Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. In diesem wurden bundeseinheitliche Standards für die Prüfung von Artenschutz-Belangen geschaffen, um Planungsverfahren abzukürzen. Für 15 Vogelarten wurden klare Prüfbereiche festgelegt. Außerdem sollen Artenhilfsprogramme den Schutz der Vögel gewährleisten.
Der BUND mahnt jedoch an, dass diese Programme noch einen konkreten Zeitplan und Fläche brauchten, auf der sie umgesetzt werden können. Der WWF kritisiert darüber hinaus die generelle Freigabe bestimmter Schutzgebiete für den Windkraftausbau. So soll dieser künftig explizit auch in Landschaftsschutzgebieten vorangetrieben werden.
Aus Herstellersicht gibt es landesweit auch noch andere gravierende Hemmnisse für die Windkraft. So sind laut dem Geschäftsführer des Fachverbands VDMA Power Systems, Dennis Rendschmidt, weitere Maßnahmen nötig: Es müssten mehr Flächen bereitgestellt werden, Genehmigungsengpässe überwunden und Transporte erleichtert werden. In Deutschland liegen Transportgenehmigung häufig vier bis sechs Wochen bei den zuständigen Behörden.
Quellen: Ann-Kathrin Büüsker, Jörg Münchenberg, Daniela Siebert, bmwk.de, AFP, dpa, cp, og