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"Wir halten an unserem Fahrplan fest"

Auch wenn die Bundesregierung mit Mehreinnahmen in Höhe von 15 bis 20 Milliarden Euro in diesem Jahr rechnen könne, müsse zunächst an die Konsolidierung des Haushalts gedacht werden, stellt CDU-Politiker Steffen Kampeter klar. Forderungen nach Steuersenkungen - auch aus den eigenen Reihen - erteilte er eine klare Absage.

Steffen Kampeter im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 23.06.2010
    Tobias Armbrüster: Deutschlands Konjunktur läuft offenbar besser als erwartet. Seit einigen Tagen werden wir überhäuft mit positiven Nachrichten. Deutschlands Autobauer freuen sich über rege Nachfrage vor allem aus Asien, Deutschlands Unternehmen blicken positiv in die Zukunft, und dann kam gestern die Nachricht, dass die Bundesregierung jetzt mit deutlich höheren Einnahmen rechnen kann als bisher angenommen. Es geht um einen Mehrbetrag von 15 bis 20 Milliarden Euro allein in diesem Jahr. Grund dafür sind unter anderem höhere Steuereinnahmen und sinkende Arbeitsmarktkosten. Das alles sollte Musik sein in den Ohren eines Finanzpolitikers.

    Am Telefon begrüße ich jetzt Steffen Kampeter, den parlamentarischen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Schönen guten Morgen, Herr Kampeter.

    Steffen Kampeter: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

    Armbrüster: Mehrere Politiker Ihrer Koalition fordern heute Morgen schon wieder Steuersenkungen. Kommt das Thema jetzt noch mal auf die Tagesordnung?

    Kampeter: Wir haben bei der Konsolidierungsklausur der Bundesregierung ein umfassendes und nachhaltiges Konsolidierungspaket aufgelegt. Dabei war uns schon bewusst – und der Bundesfinanzminister hat das ja ausdrücklich in der vergangenen Woche vor dem Haushaltsausschuss noch mal erläutert -, dass wir auch ein Stück weit bessere Steuereinnahmen haben, und haben diese verbesserte Einnahmeerwartung auch zur Grundlage unserer Planung gemacht. Das ist keine Überraschung und wir halten deswegen an unserem Fahrplan fest: erstens Konsolidierung und zweitens damit Stimulierung von wirtschaftlicher Erholung in der Bundesrepublik Deutschland. Ich sehe keinen Anlass, in irgendeiner Art und Weise davon wieder abzurücken.

    Armbrüster: Hat dann Ihr Parteikollege Leo Dautzenberg (immerhin finanzpolitischer Sprecher der Unions-Fraktion) irgendwas falsch verstanden?

    Kampeter: Nein, denn sie alle sagen ja, auch der Bundeswirtschaftsminister, Vorrang hat Konsolidierung und wir haben noch einen langen Weg dort vor uns, und wenn ich mich mal umhöre, sowohl bei der Bevölkerung in Deutschland, oder im Ausland, dann ist nicht die Sorge, dass die Staaten dieser Erde zu wenig Schulden machen, sondern die Sorge ist, dass wir zu viel Schulden machen und zu viel ausgeben, und daran hat sich in den letzten zwei, drei Wochen nichts verändert.

    Armbrüster: Ich will noch mal auf die Steuersenkung zu sprechen kommen. Herr Dautzenberg hat gesagt, einer Steuersenkung von fünf Milliarden Euro steht zurzeit nichts mehr im Wege.

    Kampeter: Die Konsolidierungsstrategie der christlich-liberalen Koalition basiert auf strukturellen und nicht auf konjunkturellen Effekten. Von daher wäre es falsch, den jetzt unbestreitbar spürbaren konjunkturellen Entlastungseffekten eine dauerhafte, sprich strukturelle Steuersenkung gegenüberzustellen. Das wäre nicht mit den Grundprinzipien einer nachhaltigen Finanzpolitik vereinbar und würde, sobald die konjunkturellen Rückenwinde erlahmen, dann wieder zu einer Steigerung des Defizits führen. Wir wollen nachhaltig und dauerhaft konsolidieren und unser Konsolidierungspaket umfasst ja sowohl den Unternehmensbereich, den eigenen staatlichen Bereich und mehr Treffsicherheit im Sozialstaat, ist damit ausgewogen, vernünftig und überzeugend. Ich finde, wenige Tage nach der Haushaltsklausur gibt es keine neuen Argumente.

    Armbrüster: Das heißt also ganz im Klartext, Sie, Herr Kampeter, schließen Steuersenkungen aus?

    Kampeter: Wir haben sie nicht zum Gegenstand unserer Konsolidierungsstrategie der Haushaltsklausur gemacht und ich finde eine Strategie "rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln" wenig überzeugend, und daher glaube ich, dass die Bundesregierung, die ja die steuerlichen Entwicklungen schon zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht hat, gut daran tut, keinen Zweifel an der Umsetzung des Konsolidierungspaketes sowohl in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch bei unseren internationalen Partnern stehen zu lassen.

    Armbrüster: Gut. – Wenn es also keine Steuersenkung gibt, sollten wir diese Mehreinnahmen dann nicht vielleicht für zusätzliche Investitionen benutzen?

    Kampeter: Wir stärken im Rahmen unserer Konsolidierungsstrategie ja die Investitionen, insbesondere die in Bildung und Forschung. Das haben wir ja auch noch mal deutlich gemacht, weil wir glauben, in einem rohstoffarmen Land wie der Bundesrepublik Deutschland liegen die zukünftigen Wachstumspotenziale, das eigentliche Gold, in den Kindern und in ihren Köpfen und in ihrer Ausbildung. Wir halten daran fest. Deutschland wird eine Bildungsrepublik bleiben. Wir werden unsere Anstrengungen in Bildung und Forschung intensivieren. Auch dies war ja vergangene Woche bei unseren Beschlüssen schon Grundlage. Und die Abweichungen – ich kann das noch mal wiederholen -, die wir ja schon zur Grundlage unserer Beschlüsse gemacht haben, ändern an dieser Entscheidung nichts. Ganz wichtig ist die Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit der finanziellen Konsolidierungsstrategie und wir dürfen dann nicht im wöchentlichen Rhythmus sagen, wenn wir mit jeder Be- oder Entlastungsmeldung nervös werden. Kontinuität und Glaubwürdigkeit einer finanzpolitischen Strategie sind Kern und Markenkern und damit wird auch die Vertrauens- und Glaubwürdigkeit unserer Konsolidierung deutlich.

    Armbrüster: Herr Kampeter, wenn ich Sie da richtig verstehe, wollen Sie um alles in der Welt an diesem einmal eingeschlagenen Sparkurs festhalten, auch wenn es jetzt zu Mehreinnahmen kommt. Da gibt es jetzt viele Ökonomen, die die Befürchtung äußern, dass wir uns in Deutschland derzeit in die Rezession sparen. Zu diesen Ökonomen zählt auch Heiner Flassbeck, der Chefökonom der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen. Wir hören uns mal kurz an, was er gestern Morgen hier in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk gesagt hat.

    O-Ton Heiner Flassbeck: Man muss dafür sorgen, dass in Deutschland selbst mehr Geld ausgegeben wird, und das geht nicht mit einem Sparpaket. Der deutsche Konsum ist seit 15 Jahren flach wie ein Brett. Wir denken, es geht immer durch weiter "Gürtel enger schnallen" und exportieren. Das Modell fährt gerade gegen die Wand. Das müssen wir jetzt ganz schnell begreifen, sonst wird es ganz bitter.

    Armbrüster: Wäre das nicht eine Möglichkeit, das Ganze jetzt zu begreifen und dieses Geld, was zusätzlich rein kommt, in zusätzliche Investitionen beispielsweise zu stecken und so der Gefahr zu entgehen, dass wir uns kaputtsparen in Deutschland?

    Kampeter: Die Europäische Zentralbank hat noch mal deutlich gemacht, wie wichtig die Konsolidierungsstrategie in Europa für die Stabilität unseres Euros und damit auch für die Stabilität der Spareinlagen und Vermögen der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sind. Wenn Ökonomen jetzt der Auffassung sind, man könne mit mehr Schulden und möglicherweise auch mit mehr Inflation dieses Problem lösen, so teilen wir als Bundesregierung diese Auffassung nicht und wir halten sie im Gegenteil schädlich, sowohl für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, aber auch vor allen Dingen für die Interessen der zukünftigen Generationen. Auf Schulden und Inflation kann keine dauerhafte wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik gebaut werden.

    Armbrüster: Ist das denn eigentlich fair unseren Handelspartnern gegenüber, diese Sparpolitik? Immerhin kaufen die unsere Waren, sie kurbeln damit unsere Wirtschaft an, aber die Deutschen, die geben das Geld, das da jetzt rein kommt, nicht etwa aus, sondern sie versenken es sozusagen in ihrem Sparpaket.

    Kampeter: Na ja, der Eindruck ist falsch, weil das Volumen unseres Sparpakets ungefähr knapp ein Prozent unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit pro Jahr durchaus angemessen ist und keine Brems- oder Schleifspuren in der Konjunktur hinterlassen wird. Im Übrigen ist die Exportleistung, die die Bundesrepublik Deutschland bringt, nicht Ergebnis irgendeiner politischen Manipulation, sondern der Leistungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger, die in den Betrieben arbeiten, der Kreativität der Unternehmen und ihrem Willen, dass die deutschen Dienstleistungen und Produkte auch im Ausland gekauft und erworben werden. Die deutsche Bundesregierung hat doch überhaupt gar keinen Anlass, diese Leistung anzuerkennen, und wir erkennen ja auch, dass jetzt die wiederbelebende internationale Konjunktur damit auch Wachstum und Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland sichert und stabilisiert. Deswegen habe ich überhaupt gar keinen Zweifel, dass wir auch zukünftig an unserer wirtschaftlichen Exportleistungsfähigkeit festhalten sollten. Die sind Quelle von Wohlstand in der Bundesrepublik Deutschland und das ist ein faires Ergebnis unserer eigenen Leistung.

    Armbrüster: ... , sagt Steffen Kampeter, der parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Vielen Dank, Herr Kampeter, für das Gespräch.

    Kampeter: Herzlich gerne und einen schönen Tag.