Gerd Breker: Nach monatelanger Diskussion steht der Rahmen für die Bundeswehr der Zukunft. Sie soll ab dem kommenden Jahr zu einer Freiwilligenarmee mit künftig 180.- bis 185.000 Soldaten umgebaut werden. Zum 1. Juli 2011, nächsten Jahres also, soll zudem die Wehrpflicht ausgesetzt werden. Das kündigte Verteidigungsminister zu Guttenberg gestern auf der Kommandeurstagung der Bundeswehr in Dresden an.
Am Telefon bin ich nun verbunden mit dem verteidigungspolitischen Sprecher der Bündnis-Grünen-Bundestagsfraktion, mit Omid Nouripour. Guten Tag, Herr Nouripour.
Omid Nouripour: Schönen guten Tag!
Breker: Empfinden Sie schon Spaß an der Veränderung, Herr Nouripour?
Nouripour: Ich hätte Spaß, wenn das nicht alles ein bisschen verquast wäre. Dass die Bundeswehr verändert werden muss, das immense Reformen notwendig sind, ist seit Jahren bekannt. Die Frage ist nur, wie macht man das, und vor allem, in welcher Reihenfolge macht man das, und das, was der Minister macht, was Guttenberg macht, ist nicht unbedingt dafür geeignet, dass ich jetzt Spaß dabei empfinde, weil das falsch herum ist. Er geht die Strukturfragen an, er geht an die Gesamtgröße heran und ganz am Ende stellt er sich hin und sagt, wir machen ein neues Weißbuch und dann unterhalten wir uns darüber, was denn eigentlich die Aufgaben der Bundeswehr sind. Aber dann sind schon Fakten geschaffen worden. Es muss anders herum sein, eigentlich müssen wir erst darüber reden, was die Bundeswehraufgaben sind, welche Aufgaben haben wir ihr aufgehalst, die sie eigentlich nicht erfüllen kann oder soll, und dann könnten wir über die Strukturen reden. So herum ist es falsch.
Breker: Aber ist das, Herr Nouripour, nicht schon auf dem Markt? Man spricht über weitere Auslandseinsätze, man spricht über den Schutz der Handelswege, man spricht über die Terrorabwehr, das sind doch wohl die neuen Aufgaben der Bundeswehr, so wie sie zu Guttenberg im Kopf hat.
Nouripour: Es ist ein Unterschied, ob ich etwas bespreche, oder ob ich etwas aufschreibe und das dann offizielles Dokument ist der Regierung, des Ministeriums und der Bundeswehr. Das muss ja implementiert werden. Es reicht ja nicht, wenn der Minister philosophiert. Das macht er ganz häufig und gerne, aber er muss das aufschreiben, er muss das in Anweisungen gießen, er muss das in Gesetze gießen lassen durch das Parlament und dann auch tatsächlich implementieren. Das macht er nicht.
Breker: Immerhin haben wir jetzt ein ganz konkretes Datum. Ab dem 1. Juli wird die Wehrpflicht ausgesetzt. Finden Sie das gut?
Nouripour: Nein! Es ist spät! Es ist nicht mehr machbar, diese Wehrpflicht, vor allem diese merkwürdige Form von sechs Monaten, die alle Experten ausnahmslos für grottenfalsch erachten, weiter fortzusetzen. Wenn wir das erst zum 1.7. aussetzen, dann verschwenden wir nicht weiterhin bis dahin Geld, sondern wir müssen auch noch zwei Generationen an Wehrpflichtigen einziehen. Wozu eigentlich? Wir halten Leute vom Studieren ab. Es ist sozusagen zufällig, diese Ungerechtigkeit. Wenn ich da und da geboren bin, oder wenn ich da und da mein Abitur mache, habe ich halt Pech gehabt und muss noch mal und danach nicht mehr. Es wäre sauberer, wenn man sagt, wir machen es jetzt, zum 1.1., man hätte es auch sogar früher machen können. Das Problem ist: der Minister kündigt es an und dann versucht er, das in der politischen Landschaft durchzusetzen. Aber Implementierung im Gesetz, in der Bundeswehr, das Kleingedruckte, das hat ihn nicht wirklich beschäftigt die letzten Monate, deshalb sind wir auch so weit hinterher, obwohl wir seit langem, langem wissen, was auf uns zukommen wird.
Breker: Liegt es nicht möglicherweise auch daran, Herr Nouripour, dass ja an der Wehrpflicht auch zum Beispiel der Zivildienst hängt?
Nouripour: Das ist gewiss so! Das ist natürlich auch deswegen eine nicht ganz einfache Umstellungsfrage. Aber die Frage des Zivildienstes ist eine, die sich grundsätzlich absolut verfassungsrechtlich ausschließlich aus der Notwendigkeit der Wehrpflicht ableitet. Wenn die Wehrpflicht nicht mehr notwendig ist, was sie nicht ist - das sagt auch der Minister, das sagen alle -, dann fällt auch die Begründung und die Rechtfertigung für den Eingriff in das Leben junger Männer, das dann auch zum Zivildienst führen kann, weg. Das wissen wir seit Jahren und seit Jahren gibt es etliche Konzepte auf dem Tisch, die klar machen, die den Weg weisen, wie man denn eigentlich das alles auffängt.
Lassen Sie mich einen ein bisschen polemischen Satz sagen: Dass viele, viele Dienste sich darin eingerichtet haben, junge Männer deutlich billiger, als sie eigentlich wert sind, zu beschäftigen, ist kein Grund, dass man am Zivildienst festhält.
Breker: Herr Nouripour, was im Zusammenhang mit der Bundeswehrreform gerne übersehen wird ist die Tatsache, dass die Bundeswehr ja wirklich verkleinert werden soll, und das wiederum bedeutet, dass eine ganze Reihe Standorte der Bundeswehr wegfallen werden, mit Konsequenzen für die betroffenen Städte und Kommunen, Stichwort Arbeitsplätze.
Nouripour: Das ist richtig. Es wird so sein, wenn eine Bundeswehr verkleinert wird, dass auch Standorte geschlossen werden müssen, wobei diese Verkleinerung, wie Guttenberg sie jetzt in Dresden vorgestellt hat, ist ja eher ein Reförmchen als eine Reform, weil wenn ich 242.000 Personen de facto in der Bundeswehr habe - die offizielle Zahl ist ja 252.000 -, dann mit dem Wegfall der Wehrpflicht insgesamt 45.000 einspare, dann bin ich bereits bei unter 200.000. Da ist der Sprung zu 185.000 ja gar nicht mehr so groß. Es sind ja nicht so viele, die da tatsächlich wegfallen. Das wäre auch anders möglich, hat der Generalinspekteur aufgeschrieben, und die Zahlen von 160. bis 165.000 wären auch sehr gut machbar. Die Frage aber der Standorte ist eine, die ich nur sicherheitspolitisch begründen kann. Die sicherheitspolitische Begründung von Kasernen ist der einzige Grund, warum man sie erhalten muss. Dass Kaufkraft von Kommunen daran hängt, ist gewiss so, das wissen wir, das ist häufig so, aber kein zwingender Grund für den Erhalt von Standorten. Man muss dann darüber nachdenken, wie man diesen einzelnen Standorten hilft, ausgleichend, aber wenn eine Kaserne sicherheitspolitisch nicht gebraucht wird, dann muss die auch weg und dann reicht das Argument nicht, dass die Kommune das Geld braucht. Dann muss man der Kommune anders helfen, weil das Geld, was wir im Wehretat haben, ist dafür da, dass wir für die Sicherheit sorgen, und nicht dafür, dass wir die Kaufkraft der Kommunen stärken. Dafür gibt es andere Töpfe im Bundeshaushalt.
Breker: Stichwort Geld, Herr Nouripour. Ein Grund für die Bundeswehrreform ist ja auch, dass gespart werden muss. Das Sparziel acht Milliarden Euro, ist das aus Ihrer Sicht realistisch?
Nouripour: Es wäre realistisch gewesen, aber die Grundsteine, die bereits gelegt worden sind, gehen einen anderen Weg. Der Minister gibt auch nicht mehr ganz so laut und nicht in ganz so großen Überschriften wie bei anderen philosophischen Fragen zu, dass diese Zahl nicht mehr haltbar ist, und die Bundeskanzlerin hat auch bereits verkündet, dass sie bereit ist, davon abzurücken. Das wäre machbar gewesen, wenn man tatsächlich es ernst gemeint hätte mit der Verkleinerung und mit der Effizienzwerdung der Bundeswehr. Das ist mit einer so kleinen Reform, egal wie groß die Überschriften sind, die der Minister formuliert, leider nicht mehr machbar.
Breker: Im Deutschlandfunk war das die Meinung des verteidigungspolitischen Sprechers der Bündnis-Grünen, Omid Nouripour. Herr Nouripour, danke für dieses Gespräch.
Nouripour: Ich danke Ihnen.
Am Telefon bin ich nun verbunden mit dem verteidigungspolitischen Sprecher der Bündnis-Grünen-Bundestagsfraktion, mit Omid Nouripour. Guten Tag, Herr Nouripour.
Omid Nouripour: Schönen guten Tag!
Breker: Empfinden Sie schon Spaß an der Veränderung, Herr Nouripour?
Nouripour: Ich hätte Spaß, wenn das nicht alles ein bisschen verquast wäre. Dass die Bundeswehr verändert werden muss, das immense Reformen notwendig sind, ist seit Jahren bekannt. Die Frage ist nur, wie macht man das, und vor allem, in welcher Reihenfolge macht man das, und das, was der Minister macht, was Guttenberg macht, ist nicht unbedingt dafür geeignet, dass ich jetzt Spaß dabei empfinde, weil das falsch herum ist. Er geht die Strukturfragen an, er geht an die Gesamtgröße heran und ganz am Ende stellt er sich hin und sagt, wir machen ein neues Weißbuch und dann unterhalten wir uns darüber, was denn eigentlich die Aufgaben der Bundeswehr sind. Aber dann sind schon Fakten geschaffen worden. Es muss anders herum sein, eigentlich müssen wir erst darüber reden, was die Bundeswehraufgaben sind, welche Aufgaben haben wir ihr aufgehalst, die sie eigentlich nicht erfüllen kann oder soll, und dann könnten wir über die Strukturen reden. So herum ist es falsch.
Breker: Aber ist das, Herr Nouripour, nicht schon auf dem Markt? Man spricht über weitere Auslandseinsätze, man spricht über den Schutz der Handelswege, man spricht über die Terrorabwehr, das sind doch wohl die neuen Aufgaben der Bundeswehr, so wie sie zu Guttenberg im Kopf hat.
Nouripour: Es ist ein Unterschied, ob ich etwas bespreche, oder ob ich etwas aufschreibe und das dann offizielles Dokument ist der Regierung, des Ministeriums und der Bundeswehr. Das muss ja implementiert werden. Es reicht ja nicht, wenn der Minister philosophiert. Das macht er ganz häufig und gerne, aber er muss das aufschreiben, er muss das in Anweisungen gießen, er muss das in Gesetze gießen lassen durch das Parlament und dann auch tatsächlich implementieren. Das macht er nicht.
Breker: Immerhin haben wir jetzt ein ganz konkretes Datum. Ab dem 1. Juli wird die Wehrpflicht ausgesetzt. Finden Sie das gut?
Nouripour: Nein! Es ist spät! Es ist nicht mehr machbar, diese Wehrpflicht, vor allem diese merkwürdige Form von sechs Monaten, die alle Experten ausnahmslos für grottenfalsch erachten, weiter fortzusetzen. Wenn wir das erst zum 1.7. aussetzen, dann verschwenden wir nicht weiterhin bis dahin Geld, sondern wir müssen auch noch zwei Generationen an Wehrpflichtigen einziehen. Wozu eigentlich? Wir halten Leute vom Studieren ab. Es ist sozusagen zufällig, diese Ungerechtigkeit. Wenn ich da und da geboren bin, oder wenn ich da und da mein Abitur mache, habe ich halt Pech gehabt und muss noch mal und danach nicht mehr. Es wäre sauberer, wenn man sagt, wir machen es jetzt, zum 1.1., man hätte es auch sogar früher machen können. Das Problem ist: der Minister kündigt es an und dann versucht er, das in der politischen Landschaft durchzusetzen. Aber Implementierung im Gesetz, in der Bundeswehr, das Kleingedruckte, das hat ihn nicht wirklich beschäftigt die letzten Monate, deshalb sind wir auch so weit hinterher, obwohl wir seit langem, langem wissen, was auf uns zukommen wird.
Breker: Liegt es nicht möglicherweise auch daran, Herr Nouripour, dass ja an der Wehrpflicht auch zum Beispiel der Zivildienst hängt?
Nouripour: Das ist gewiss so! Das ist natürlich auch deswegen eine nicht ganz einfache Umstellungsfrage. Aber die Frage des Zivildienstes ist eine, die sich grundsätzlich absolut verfassungsrechtlich ausschließlich aus der Notwendigkeit der Wehrpflicht ableitet. Wenn die Wehrpflicht nicht mehr notwendig ist, was sie nicht ist - das sagt auch der Minister, das sagen alle -, dann fällt auch die Begründung und die Rechtfertigung für den Eingriff in das Leben junger Männer, das dann auch zum Zivildienst führen kann, weg. Das wissen wir seit Jahren und seit Jahren gibt es etliche Konzepte auf dem Tisch, die klar machen, die den Weg weisen, wie man denn eigentlich das alles auffängt.
Lassen Sie mich einen ein bisschen polemischen Satz sagen: Dass viele, viele Dienste sich darin eingerichtet haben, junge Männer deutlich billiger, als sie eigentlich wert sind, zu beschäftigen, ist kein Grund, dass man am Zivildienst festhält.
Breker: Herr Nouripour, was im Zusammenhang mit der Bundeswehrreform gerne übersehen wird ist die Tatsache, dass die Bundeswehr ja wirklich verkleinert werden soll, und das wiederum bedeutet, dass eine ganze Reihe Standorte der Bundeswehr wegfallen werden, mit Konsequenzen für die betroffenen Städte und Kommunen, Stichwort Arbeitsplätze.
Nouripour: Das ist richtig. Es wird so sein, wenn eine Bundeswehr verkleinert wird, dass auch Standorte geschlossen werden müssen, wobei diese Verkleinerung, wie Guttenberg sie jetzt in Dresden vorgestellt hat, ist ja eher ein Reförmchen als eine Reform, weil wenn ich 242.000 Personen de facto in der Bundeswehr habe - die offizielle Zahl ist ja 252.000 -, dann mit dem Wegfall der Wehrpflicht insgesamt 45.000 einspare, dann bin ich bereits bei unter 200.000. Da ist der Sprung zu 185.000 ja gar nicht mehr so groß. Es sind ja nicht so viele, die da tatsächlich wegfallen. Das wäre auch anders möglich, hat der Generalinspekteur aufgeschrieben, und die Zahlen von 160. bis 165.000 wären auch sehr gut machbar. Die Frage aber der Standorte ist eine, die ich nur sicherheitspolitisch begründen kann. Die sicherheitspolitische Begründung von Kasernen ist der einzige Grund, warum man sie erhalten muss. Dass Kaufkraft von Kommunen daran hängt, ist gewiss so, das wissen wir, das ist häufig so, aber kein zwingender Grund für den Erhalt von Standorten. Man muss dann darüber nachdenken, wie man diesen einzelnen Standorten hilft, ausgleichend, aber wenn eine Kaserne sicherheitspolitisch nicht gebraucht wird, dann muss die auch weg und dann reicht das Argument nicht, dass die Kommune das Geld braucht. Dann muss man der Kommune anders helfen, weil das Geld, was wir im Wehretat haben, ist dafür da, dass wir für die Sicherheit sorgen, und nicht dafür, dass wir die Kaufkraft der Kommunen stärken. Dafür gibt es andere Töpfe im Bundeshaushalt.
Breker: Stichwort Geld, Herr Nouripour. Ein Grund für die Bundeswehrreform ist ja auch, dass gespart werden muss. Das Sparziel acht Milliarden Euro, ist das aus Ihrer Sicht realistisch?
Nouripour: Es wäre realistisch gewesen, aber die Grundsteine, die bereits gelegt worden sind, gehen einen anderen Weg. Der Minister gibt auch nicht mehr ganz so laut und nicht in ganz so großen Überschriften wie bei anderen philosophischen Fragen zu, dass diese Zahl nicht mehr haltbar ist, und die Bundeskanzlerin hat auch bereits verkündet, dass sie bereit ist, davon abzurücken. Das wäre machbar gewesen, wenn man tatsächlich es ernst gemeint hätte mit der Verkleinerung und mit der Effizienzwerdung der Bundeswehr. Das ist mit einer so kleinen Reform, egal wie groß die Überschriften sind, die der Minister formuliert, leider nicht mehr machbar.
Breker: Im Deutschlandfunk war das die Meinung des verteidigungspolitischen Sprechers der Bündnis-Grünen, Omid Nouripour. Herr Nouripour, danke für dieses Gespräch.
Nouripour: Ich danke Ihnen.