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"Wir vertreten hier die Interessen Amerikas"

John Emerson hat Verständnis für die Sorgen der Deutschen nach der NSA-Affäre, glaubt aber nicht, dass der Skandal das deutsch-amerikanische Verhältnis dauerhaft belasten wird. Zugleich stellt der US-Botschafter aber klar: "Wir tun das, was wir als amerikanische Botschaft tun sollten."

John Emerson im Gespräch mit Klaus Remme | 01.11.2013
    Jürgen Liminski: Die NSA-Affäre findet kein Ende. Immer mehr Einzelheiten verschaffen dem Skandalfeuer neue Nahrung, sei es das Treffen des Grünen-Abgeordneten Ströbele mit dem ehemaligen NSA-Mitarbeiter Snowden, seien es die Vorwürfe an Washington, die Kanzlerin sei abgehört worden, und zwar von der US-Botschaft aus. Unter dem Dach der Botschaft sei allerlei technisches Abhörgerät zu finden, heißt es auch.

    Botschafter John Emerson selbst wehrt sich gegen diesen Vorwurf, und Klaus Remme aus unserem Hauptstadtstudio hat den Diplomaten gestern Nachmittag, also vor der Nachricht des Geheimtreffens Snowden/Ströbele in Moskau, in der Botschaft in Berlin selbst aufgesucht und mit ihm über diese Vorwürfe gesprochen.

    Klaus Remme: Herr Botschafter, danke für das Interview. Zunächst: Könnten wir das Gespräch vielleicht bei Ihnen auf dem Dach führen?

    John Emerson: Tja, eh wir dazu kommen, lassen Sie mich gleich zu Beginn sagen, ich verstehe, wie besorgt und bekümmert die Öffentlichkeit hier in Deutschland ist wegen der Enthüllungen. Ich habe dazu ohne Umschweife auch bei der amerikanischen Regierung meine Meinung gesagt. Der Präsident wird eine Überprüfung anordnen, sodass sichergestellt ist, dass alle Aufklärungsmaßnahmen nicht deswegen erfolgen, weil wir sie tun können, sondern nur, weil wir sie durchführen sollten.

    Remme: Meine Frage hatte natürlich einen ernsten Hintergrund. Viele fragen: Was geschieht da in diesem grauen Kasten auf dem Dach der Botschaft?

    Emerson: Ja, ich weiß nicht genau, was diese Bilder zeigen, aber vielleicht darf ich sagen, wir sind im Grunde eine Organisation, die mit Kommunikation zu tun hat. Wir empfangen und wir senden Informationen. Das sieht auf unserem Dach im Grunde so ähnlich aus wie auf dem Dach Ihrer Einrichtung.

    Remme: Helmut Schmidt schreibt in der "Zeit", wahrscheinlich weiß nicht mal der Botschafter, was seine NSA-Leute da oben machen. Richtig oder falsch?

    Emerson: Nun, ich kann das jetzt nicht bestätigen. Sagen wir es mal so: Ich weiß, was in diesem Gebäude geschieht, aber darüber hinaus kann ich Ihnen jetzt keine Auskünfte geben.

    Remme: Um das abzuschließen: Können Sie uns versichern, dass in der Botschaft nicht gegen deutsches Gesetz verstoßen wird?

    Emerson: Ich bin kein Fachmann für deutsches Recht, ich kann Ihnen nur so viel versichern: Wir vertreten hier als amerikanische Botschaft die Interessen Amerikas, und wir tun das, was wir als amerikanische Botschaft tun sollten.

    Remme: Eine einfache Frage: Ist es in Ordnung, Frankreich auszuspionieren?

    Emerson: Ich versuche, Ihnen eine einfache Antwort zu geben. Die Welt dort draußen ist kompliziert. Eines der Themen, das auf höchster Ebene zwischen der deutschen und der amerikanischen Regierung besprochen wird, ist, wie man weiterhin zusammenarbeiten kann – nicht nur, um unsere Bevölkerung vor allem Schaden, der von außen angerichtet werden kann, zu schützen, sondern wie wir auch weiter als Freunde und Verbündete zusammenwirken können und auch begründet ist in unserer Achtung vor Rechtsstaatlichkeit.

    Remme: Is that a yes or a no?

    Emerson: The answer is, what the answer is. Thank you!

    Remme: Ist es nicht Heuchelei, die deutsch-amerikanische Freundschaft im Rosengarten des Weißen Hauses oder am Brandenburger Tor zu feiern, während die NSA Deutschland wie China oder Russland behandelt?

    Emerson: Ich glaube, Sie unterstellen hier Tatsachen, die so nicht zutreffen. Ich glaube, es ist keine Heuchelei, wenn man feststellt, dass mehr als 65 Millionen Amerikaner deutsche Wurzeln haben, mehr als eine Million Militärangehörige haben hier in Deutschland in der Nachkriegszeit gedient, viele sind mit deutschen Ehepartnern verheiratet, haben Angehörige hier, ihre Kinder sind hier in Deutschland erzogen worden. Diese tiefe Freundschaft zwischen den USA und Deutschland ist etwas, was wirklich gefeiert werden sollte.

    Remme: Wir hatten auch unsere Streitpunkte. Wir haben über den Irakkrieg gestritten, über Libyen, über die Eurokrise – haben wir dadurch Misstrauen ausgelöst?

    Emerson: Ich kenne keine Freundschaft, wo es nicht zu Uneinigkeit, zu Streit oder Enttäuschungen gekommen wäre. Es ist geradezu Kennzeichen einer Freundschaft, dass man gemeinsam daran arbeitet, um diese Schwierigkeiten zu überwinden, und ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingen wird.

    Remme: Es geht ja nicht nur um das Handy der Kanzlerin, sondern um Deutschland insgesamt. Ist eine Entschuldigung angemessen?

    Emerson: Ich glaube, es ist jetzt am wichtigsten, die Tiefe der Besorgnis und auch diese Zweifel aufzugreifen und zu erkennen. Sie werden auch deutlich bei der amerikanischen Regierung vorgetragen, das hinterlässt durchaus seine Wirkung, und ich glaube, man kann sagen, dass der Präsident tatsächlich auch Taten jetzt folgen lassen wird. Ich würde sagen, man sollte nicht auf eine Entschuldigung warten, sondern auf Taten, und ich glaube, die Sprache der Taten ist mehr als die Sprache der Worte.

    Remme: In einer Kongressanhörung haben Geheimdienstkoordinator Clapper und NSA-Chef Alexander gesagt: Regt euch nicht so auf, alle machen das. BND-Chef Schindler sagt, wir belauschen keine Amerikaner, lauschen nicht in den USA. Wem glauben Sie?

    Emerson: Ich möchte mich jetzt zu dem, was General Clapper oder Alexander gesagt haben, nicht äußern. Im Allgemeinen glaube ich aber, besteht Einigkeit, dass Regierungen einander belauschen, ich glaube aber nicht, dass hier besondere Ausführungen zu Deutschland gefallen sind. Ich möchte aber hier noch einmal sagen, ich war nicht dabei, ich habe diese Äußerungen nicht gehört und möchte es dabei bewenden lassen.

    Remme: Alle sagen, Vertrauen muss wiedergewonnen werden. Was können die Amerikaner dafür tun?

    Emerson: Ich glaube, zweierlei steht an. Erstens: Auf Regierungsebene ist es wichtig, dass wir jetzt die Gespräche, die gestern begonnen wurden, in Washington weiterführen. Zweitens: Was die Ebene der Kontakte zwischen Menschen angeht oder in meinem Fall von einem Botschafter zu den Menschen hin, das ist möglicherweise ein längerer Prozess. Und hier ist es wichtig, dass wir, die wir hier als Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft in Deutschland tätig sind, hinausgehen ins Land, zuhören, zu den Menschen sprechen, und dass wir auch alles das ernst nehmen, was uns an Besorgnissen entgegengebracht wird, dass wir aber darüber hinaus all das Gute, das Gemeinsame und Verbindende unterstreichen. Und ich kann für mich sagen, dass ich mich dieser Sache verpflichtet fühle.

    Remme: Ein Wort zu Edward Snowden am Ende dieses Interviews: Viele halten ihn für einen mutigen Mann, der Anerkennung verdient – stimmen Sie zu?

    Emerson: Nein, dem stimme nicht zu. Es hätte sehr viele Möglichkeiten gegeben, in denen er innerhalb der amerikanischen Regierung seine Besorgnisse hätte vorbringen können, ohne – offen gesagt – sehr viele Menschenleben aufs Spiel zu setzen mit seinen Enthüllungen, die jetzt möglicherweise in den Händen der Chinesen oder der Russen sind. Wenn man eine solche berufliche Aufgabe annimmt und sich verpflichtet, ein bestimmtes Vertraulichkeitsniveau einzuhalten, dann muss man diese Selbstverpflichtung auch einlösen.

    Remme: Einerseits haben Sie Regelungen für diese sogenannten Whistleblower, andererseits sitzt ein Bradley oder Chelsea Manning im Gefängnis. Welche Analogie stimmt hier?

    Emerson: Er hat das Gleiche getan wie auch der andere Kerl, und die Analogie ist, auch der hätte sich an diesen Pfad des Whistleblowers halten müssen. Wir haben hier eigens Gesetze, die sehr streng sind. Die Regierung Amerikas darf einen derartigen Tippgeber nicht belangen. Wir haben hier also einen echten gesetzlichen Schutz.

    Remme: Letzte Frage, Herr Botschafter: Ich bin sicher, von Ihrem Fenster aus am Brandenburger Tor sehen Sie Touristen aus aller Welt und Touristenführer, die dann zur Seite auf die Botschaft zeigen und sagen: Da hören die Amerikaner alles ab. Was sagen Sie dazu?

    Emerson: Nun, ich glaube, sie sagen, das ist die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika, es ist ein Leuchtturm der Demokratie für die gesamte Welt. Ich hoffe, dass sie dann auch die Geschichte dieses Ortes erzählen, dass hier jetzt die Botschaft steht, dass sie früher dort stand, dass hier früher einmal in den Zeiten des Kalten Krieges ein Niemandsland war, als die Mauer hier stand. Dass wir dann dank einer jahrzehntelangen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Amerika die Phase des Kalten Krieges überwunden haben, dass wir die Wiedervereinigung erzielt haben und dass dies jetzt ein großartiges Land ist, in dem man ein anderes großartiges Land in dieser Botschaft hier vertreten ist. Ich hoffe, dass diese Geschichte erzählt wird.

    Remme: Mister Ambassador, thank you for this interview.

    Emerson: Thank you, thank you very much. I appreciate it!