Schneemangel in den Bergen
Wintersport in der Klimakrise

In dieser Saison sind bereits mehrere Wintersport-Wettbewerbe abgesagt worden – darunter auch das traditionsreiche Kandahar-Rennen in Garmisch-Partenkirchen, das sein 70. Jubiläum gefeiert hätte. Der Grund: zu hohe Temperaturen und zu wenig Schnee.

    Blick von oben auf ein Alpenpanorama mit weißen Pisten-Streifen mit Kunstschnee umrahmt von grünen Wiesen wie in Nesselwang
    Typisches Bild in den Skigebieten Anfang 2023: schmale Kunstschnee-Pisten umrahmt von grünen Wiesen (IMAGO / Action Pictures / IMAGO)
    Frühlingshafte Temperaturen, Regen und Schneemangel sorgen für schlechte Bedingungen für den Wintersport. In Garmisch-Partenkirchen und Klingenthal sind deswegen Weltcup-Veranstaltungen abgesagt worden, europaweit fallen Wettbewerbe aus. Einige Sportarten können trotzdem stattfinden, sie kommen mit Kunstschnee aus. Bei anderen wird die unsichere Wettersituation zu einem längerfristigen Problem.

    Warum wurde der Weltcup in Garmisch-Partenkirchen so früh abgesagt?

    Die Temperaturen sind einfach zu hoch. Tagelang soll es beständig Plusgrade geben, dazu noch viel Regen – da haben die Organisatoren zwei Wochen vor dem Weltcup die Reißleine gezogen. Eigentlich sollte dann die Abfahrt stattfinden, noch dazu ein Jubiläumsrennen auf der kilometerlangen Kandahar-Abfahrt. Entsprechend viel Schnee hätte fallen oder produziert werden müssen. Dafür seien die Bedingungen aber einfach nicht gegeben, erklärte Organisatorin Martina Betz im Dlf. Da helfen dann auch keine Schneekanonen mehr.
    "Ich denke, wir hätten so fünf bis sieben Tage gebraucht, wo es durchgängig minus neun Grad hat. Es ist was anderes, ob man einen 600 Meter langen Slalomhang präpariert, da kann man auch mal in der Kürze der Zeit etwas komprimiert arbeiten. Aber auf einer kilometerlangen Rennstrecke ist das nicht möglich."
    Die Strecke und der Zielbereich seien stellenweise noch grün. Zudem muss der Schnee laut Vorgaben des Internationalen Skiverbandes FIS auch hinter den großen, roten Netzen liegen, die als Sicherheitswall dienen. Die Sicherheit sei sonst nicht gegeben. Das alles sei in der Kürze der Zeit und den Witterungsverhältnissen nicht durchführbar gewesen.

    Was bedeutet das für die Veranstalter?

    In Garmisch-Partenkirchen hat jetzt die Rückabwicklung begonnen, das heißt, die Tickets werden zurückerstattet, die Organisatoren müssen mit Sponsoren, Caterern und anderen Vertragspartnern eine Lösung finden. Einige der finanziellen Schäden sind versichert, aber ein Verlust wird wahrscheinlich bleiben, auch für Hotels und Restaurants. Nach den Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie ist das der nächste herbe Rückschlag für den Wintersportort.
    Die Veranstalter anderer abgesagter Weltcups – wie zum Beispiel der im sächsischen Klingenthal – hoffen auf einen Nachholtermin. Doch dazu muss es nicht nur kalt genug sein. Es müssen dann zum Beispiel auch Hotelkapazitäten vorhanden sein und Sendezeit im Fernsehen gefunden werden. In Garmisch-Partenkirchen ist die Absage hingegen endgültig. Das bedeutet vor Ort handfeste finanzielle Verluste, weil der Ort auch von den Menschen lebt, die zu solch großen Events kommen.

    Worauf muss sich der Wintersport angesichts des Klimawandels zukünftig einstellen?

    Winter mit wenig Schnee hat es schon immer gegeben. Aber solche Winter, wie wir sie gerade erleben, werden durch die zunehmende Erderwärmung wahrscheinlicher. Klimamodelle sagen zwar mehr Niederschlag für die kommenden Winter voraus - allerdings handelt es sich dabei immer öfter um Regen statt um Schnee.
    Eine Studie eines Forschungsteams aus Österreich und Kanada zeigt, dass von den 21 Orten, die Olympische Winterspiele ausgerichtet haben, bis 2050 nur noch vier bis neun Orte tauglich sind, um Winterspiele auszurichten – je nachdem, wie viele Emissionen bis dahin in der Atmosphäre hinzugekommen sind. Garmisch-Partenkirchen ist in dieser Studie schon jetzt als ein Ort benannt, bei dem die Bedingungen am unsichersten sind.
    Aber die klimatischen Veränderungen treffen natürlich den gesamten Alpenraum, der das Herz des Skisports in Europa ist. Und für Skigebiete in Mittelgebirgen wird die Situation noch schwieriger. Klingenthal liegt auf 500 Metern Höhe – das könnte für sicheren Schneefall in Zukunft zu niedrig sein.
    Bei frühlingshaften Temperaturen im zweistelligen Plusbereich ist dann auch die technische Beschneiung nicht mehr möglich. Nach aktuellen Rechen- und Klimamodellen ist das zukünftig nur noch in Lagen über 1.800 Metern denkbar. Dazu kommen aber die gestiegenen Energiepreise – der Strom für den Betrieb der Schneekanonen ist derzeit teuer, das könnte in den nächsten Jahren so bleiben.
    Marlen Marconi, Nachhaltigkeitsbeauftrage beim Schweizer Skiverband SwissSki, sagte im DLF über Skigebiete unter 1.500 Metern: „Da stelle ich mir schon die Frage: Macht es Sinn, diese mit künstlichem Schnee wieder ins Leben zu rufen, obwohl man weiß, dass langfristig oder mittelfristig wahrscheinlich keine Überlebenschancen bestehen?“

    Gibt es Sportarten, die sich anpassen können?

    Das kommt auf die Sportart an. Am schwierigsten wird es sicherlich für die Alpin-Sportler sein, weil für die langen Abfahren zum Beispiel viel mehr Schnee benötigt wird. Dort ist dann entweder viel Kunstschnee nötig, was aber wasser- und energieintensiv ist und zudem nicht ausreichen kann. Oder man trägt die Wettbewerbe an Orten aus, die höher gelegen sind, als die 800 Meter, die Garmisch-Partenkirchen hat. Dadurch riskiert die Sportart jedoch vielleicht, die gesellschaftliche Akzeptanz zu verlieren.
    Für eine Biathlon-Strecke braucht man deutlich weniger Kunstschnee als für eine Abfahrt. Zudem gibt es an vielen Wintersportorten in Europa inzwischen Schnee-Depots. Sie sind zum Teil sogar von FIS und IBU (Biathlon-Weltverband) vorgeschrieben. Dank eines solchen Depots kann zum Beispiel in Ruhpolding der Biathlon-Weltcup starten, auch wenn die Loipe dort sehr nass und tief sein wird.
    Dort wurden schon im Vorjahr riesige Mengen an Kunstschnee produziert und in einem 15.000 Kubikmeter fassenden Schneedepot gelagert. Wenn dann 30 Prozent wegschmelzen, bleibt trotzdem einiges übrig. Theoretisch könnten die Biathletinnen und Biathleten auch auf Schnee verzichten, im Sommer fahren sie bereits Rollerski. Auch eine Änderung des Wettkampfkalenders wird diskutiert. Möglich ist zudem die Erschließung neuer Austragungsorte.
    Am besten kommt wohl der Skisprung ohne Schnee klar. Dort gibt es jetzt schon Mattenschanzen. Orte wie Klingenthal könnten dann auch ohne Schnee Skisprung-Wettbewerbe durchführen. Was dem Wintersport aber natürlich am meisten helfen würde: so wenig globale Erderwärmung wie möglich.

    Welche Gefahren birgt der Kunstschnee im Vergleich zum Naturschnee?

    Zum einen birgt er Gefahren für die Umwelt, zum anderen auch für die Sportler. Kunstschnee enthält mehr Salze, Mineralien und auch Bakterien, die sich zum Beispiel beim Speichern gebildet haben und dann als Schmelzwasser in den Wasserkreislauf gelangen. Zudem hat er eine andere Struktur und Konsistenz als Naturschnee: Er ist härter, schwerer, dadurch auch kompakter und luftundurchlässiger. Durch die technische Erzeugung kühlt das Wasser schneller ab, es bilden sich kleinere Eiskristalle als die natürlichen, die langsamer wachsen.
    Wenn nur wenig Naturschnee liegt, wird der Hang oft platter gewalzt – ohne Senken und Hügel, die das Verteilen erschweren und damit der knappe Schnee lange reicht. Das hat weitere Auswirkungen auf die Natur, aber auch auf die Skifahrenden: Die Piste wird schneller und härter und bei Regen schneller eisig. Vor allem für Amateursportler kann das zum Problem werden, Stürze sind schmerzhafter. Noch dazu, wenn abseits der Piste nicht nur grüner Rasen, sondern vor allem Geröll liegt.
    Ende 2022 sind zwei Skifahrerinnen in Kitzbühel tödlich verunglückt, weil sie auf der schnellen und harten Piste gestürzt waren und dann 60 Meter tief auf nicht Schnee bedecktes Almgelände fielen. Ähnliche Unfälle gab es auch am Hintertuxer Gletscher und anderen Skiorten. Weil durch den Schneemangel teilweise nur wenige enge Kunstschnee-Pisten geöffnet sind, drängen sich die Skifahrer auf den Pisten. Das erhöht ebenfalls das Unfallrisiko.
    Quellen: Maximilian Rieger, quarks.de, og