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Wohnungskonzerne unter Rendite-Zwang
Schlecht für die Mieter, gut für die Aktionäre

Fassadendämmung, Aufzug, Farbanstrich - Gebäudemodernisierungen sind für Immobilienkonzerne der wichtigste Hebel zur Mieterhöhung. Bis zu elf Prozent der Kosten können dank "Modernisierungsumlage" derzeit auf die Miete aufgeschlagen werden. Für viele Mieter heißt das: Sie müssen fürchten, sich ihre Wohnung nicht mehr leisten zu können.

Von Sina Fröhndrich und Claudia Hennen | 27.04.2018
    Handwerker entfernen am 27.09.2014 das Baugeruest von der Fassade der Neuen Residenz in Bamberg (Bayern).
    Für Wohnungskonzerne ein lohnendes Geschäft: Unnötige Anbauten oder Modernisierungen, um danach die Miete zu erhöhen (picture alliance / dpa / David Ebener)
    Ein grauer Wohnblock am Dortmunder Sonnenplatz. Aus den Wohnungen dringt Baulärm, der Treppenflur ist verstaubt. Die lange angekündigte Modernisierung hat vor wenigen Wochen begonnen. Vor einem Jahr erhielt Christine Twittmann ein Schreiben der LEG Wohnen NRW GmbH, einer Tochter der börsennotierten LEG-Immobilien-Gruppe.
    "Ich habe auch erst gedacht, das kann doch eigentlich nicht ernst gemeint sein, dass ich jetzt plötzlich 39 Prozent mehr Miete bezahlen soll, dafür, dass ich zwei Balkone an die Wohnung gebaut bekomme – aber dafür nach wie vor nichts instand gesetzt wird, was instand gesetzt werden müsste. İch habe auch gedacht, dass ich mich gut dagegen wehren könne. Es müsste ja erstmal geschehen, dass die Wohnung renoviert würde, bevor sie modernisiert wird. Und dann kam eben bald der Schreck, dass die das durchaus so machen können und auch diese Mieterhöhung durchsetzen können."
    LEG-Mieterin Christine Twittmann leht an einer Hauswand und blickt in die Kamera
    LEG-Mieterin Christine Twittmann protestiert gegen den Anbau zweier Balkone und die damit verbundene Mieterhöhung (Deutschlandradio / Claudia Hennen)
    Möglich wird eine so starke Mieterhöhung durch die Modernisierungsumlage, wie sie im Mietrecht beschrieben wird: Demnach können jährlich bis zu elf Prozent der Gesamtkosten einer Modernisierung auf alle Mieter umgelegt werden - unabhängig vom Mietspiegel. Für die alleinerziehende Mutter dreier Kinder ist das dramatisch. Die 40-jährige Lehrerin für "Deutsch als Fremdsprache" hat ein Nettoeinkommen von 2.250 Euro. Mit der Mieterhöhung würden mehr als 40 Prozent davon auf die Miete entfallen - 914 Euro inklusive Nebenkosten.

    "170 Euro soll ich monatlich mehr bezahlen. Da ginge es bei mir ans Eingemachte. Ich kann ja nicht weniger essen oder die Kinder weniger zum Sport schicken. Das heißt für mich, ich muss ausziehen."
    Das neue Firmenschild "Vonovia", die Umfirmierung der Deutschen Annington, wird am 2.9.2015 in Bochum vor der Firmenzentrale aufgehängt.
    Viele Mieter befürchten, sich wegen der Modernisierungsumlage ihre Wohnungen bald nicht mehr leisten zu können (dpa / picture alliance / Roland Weihrauch)
    Eine fatale Entwicklung
    Aber wohin? Der Wohnungsmarkt ist in fast allen deutschen Großstädten angespannt, auch in Dortmund fehlt bezahlbarer Wohnraum. Insbesondere Menschen, die auf Transferleistungen angewiesen sind, Rentner oder Alleinerziehende haben das Nachsehen.
    "Da haben wir in Dortmund weit unter zwei Prozent Leerstand mittlerweile, da kann man nicht so einfach umziehen. Schon gar nicht in eine günstigere Wohnung. Umziehen bedeutet: Teurer wohnen als vorher."
    Daniel Zimmermann, Experte für große Wohnungsunternehmen beim Mieterbund Nordrhein-Westfalen, kritisiert eine fatale Entwicklung: Modernisierungen wie die der LEG mit ihren 300 Wohnungen im Dortmunder Kreuzviertel kurbeln die Durchschnittsmiete an.
    "Durch Modernisierung erhöhte Mieten erhöhen auch den Mietspiegel einer Stadt. Das heißt, wenn jetzt im Ruhrgebiet eine Miete, die vorher bei 5 Euro lag, erhöht wird auf 7,50 Euro, dann ist das im Vergleich zu Düsseldorf, München, Köln wenig, aber das bedeutet noch lange nicht, dass diese Menschen die Miete bezahlen können."
    Seit Monaten beschäftigen die Mieterhöhungen am Dortmunder Sonnenplatz nun schon die Mietervereine, die Lokalpresse und die Kommunalpolitik. Doch ist das Vorgehen der LEG in Dortmund kein Einzelfall. Auch andernorts beschweren sich Mieter über Wohnungskonzerne - wegen nicht erstatteter Müllgebühren, wegen höherer Mieten durch den Einbau eines Aufzugs in aufgestockten Häusern.
    Dabei machen Vonovia, Deutsche Wohnen, LEG und Co. nur einen kleinen Teil am Immobilienmarkt aus.
    "Unsere börsennotierten Wohnungsunternehmen stehen nur für vier Prozent des Wohnungsmarktes."
    Stefan Kofner ist Professor für Wohnungs- und Immobilienwirtschaft an der Hochschule Zittau / Görlitz. Er kennt den deutschen Immobilienmarkt gut: Der typische Vermieter in Deutschland sei der kleine private Amateurvermieter. Trotzdem kommt den börsennotierten Konzernen eine wichtige Rolle zu, sagt Kofner. Sie geben in gewisser Weise den Takt vor auf dem Mietmarkt. Und regional betrachtet, können sie zu Platzhirschen werden.

    "Die Bestände sind natürlich räumlich konzentriert, in größeren Städten, in bestimmten Regionen. Das hat den Hintergrund, dass die Wohnungen aus Privatisierungen stammen, etwa von Postwohnungen, Eisenbahnerwohnungen, öffentlichen Wohnungsgesellschaften. Es gibt Schwerpunkte etwa in Nordrhein-Westfalen, im Ruhrgebiet, im Rheinland."

    So wie die Deutsche Wohnen, von deren 163.000 Immobilien allein 71 Prozent in Berlin stehen. Vonovia, als einziger Wohnungskonzern seit 2015 im deutschen Aktien-Leitindex Dax gelistet, gehören 350.000 Wohnungen. Die LEG vermietet 130.000 Wohnungen. Laut Immobilienfachmann Kofner gibt es nicht nur regionale Schwerpunkte.
    "Wir reden über Sozialwohnungen. Etwa ein Fünftel der noch vorhandenen 1,4 Millionen Sozialwohnungen gehört börsennotieren Wohnungsunternehmen, von den restlichen Wohnungen waren viele früher einmal Sozialwohnungen.
    Vor diesem Hintergrund muss man soziale Schichtung und die Einkommensschichtung der Mieterschaft sehen: Da sind Einkommensarme, Transferempfänger, Alleinerziehende, die sind nicht gerade besonders belastbar."
    Modernisierungen als Begründung für Mieterhöhungen
    Modernisierungen wie bei der LEG in Dortmund oder – ein anderer Fall, der lokal Schlagzeilen machte – bei der Deutschen Wohnen in der Berliner Otto-Suhr-Siedlung können Mieter deswegen hart treffen, sagt Kofner. Insgesamt jede zweite Mieterhöhung werde durch Modernisierungen begründet. Balkon, Fassadendämmung, neue Flurfenster: Oft genug bleibe die versprochene Heizkostenersparnis weit hinter der Mieterhöhung zurück. Und von einer gestrichenen Fassade hätten viele Mieter nur optisch etwas. Aus Sicht der Konzerne ist die Modernisierungsumlage dagegen sehr renditeträchtig, sagt Kofner.
    Ein Handwerker bringt auf einem Baugrundstück Dämmmaterial an.
    Ein Handwerker bringt auf einem Baugrundstück Dämmmaterial an. (dpa / picture alliance / Oliver Berg)
    "Ich habe das als Lizenz zum Gelddrucken bezeichnet. In diesem Zinsumfeld, wenn ich meine Maßnahme mit elf Prozent umlegen kann, wenn ich das an einem Standort mache, vielleicht Stuttgart oder Düsseldorf, wo ich kein Leerstandrisiko habe – das ist ein sicheres Investment mit einer sagenhaften Rendite."
    Von einer Lizenz zum Gelddrucken wollen Analysten wie Michael Cloth von der Commerzbank nicht sprechen. Immobilienkonzerne bräuchten einen Anreiz, um zu investieren. So funktioniere Marktwirtschaft. Für die Immobilienkonzerne zahlt sich das aus. Sie machen Milliardengewinne:

    2017 hat Deutsche Wohnen einen Rekordgewinn von 1,8 Milliarden Euro gemacht. Bei Vonovia ist es fast eine Milliarde Euro Gewinn, die Mieteinnahmen wurden auf 1,7 Milliarden Euro gesteigert. Auch bei der kleineren LEG stehen die Zeichen auf Wachstum.
    Die Konzerne modernisieren und erhöhen die Mieten. Die niedrigen Zinsen machen es ihnen leicht. Auch für Wohnungskonzerne bedeutet das: Sie kommen günstig an Fremdkapital. Anleger wie Versicherungen und Pensionsfonds suchen lukrative Geldanlagen.

    Das in Modernisierung angelegte Geld wirft nicht nur für die Konzerne eine hohe Rendite ab – auch Aktionäre profitieren: durch eine Dividende und steigende Börsenkurse. Bei Vonovia kostet eine Aktie inzwischen um die 40 Euro. Gestartet war sie 2015 – damals noch als Deutsche Annington - mit 16,50 Euro. Auch wer Anteile von Deutsche Wohnen und LEG gekauft hat, kann sich über Gewinne freuen.

    Wen Vonovia und Co. bei ihrem Geschäft in erster Linie im Auge haben? Für den Hochschullehrer für Immobilienwirtschaft Kofner liegt die Antwort auf der Hand.

    "Das kann bei einer privatwirtschaftlichen Aktiengesellschaft nur sein – da ist die Antwort eindeutig: Das sind die Aktionäre, das ist die wichtigste Anspruchsgruppe."
    "In erster Linie sind wir Vermieter"
    Der Dax-Konzern Vonovia sieht das anders:

    "In erster Linie sind wir ein Vermieter."

    Max Niklas Gille ist Pressesprecher von Vonovia.

    "Da wird immer ein Widerspruch aufgemacht zwischen dem Aktionär und dem Kunden. Diesen Widerspruch gibt es für uns nicht, weil, wir sind als Unternehmen nur erfolgreich, wenn wir attraktiv sind für den Kunden. Auch wir können keine Gewinne erzielen, wenn wir gegen unsere Mieter arbeiten und die irgendwie alle ausziehen."
    Verlaufene Farbe an bröckligem Putz auf einer Hauswand 
    Nachträglich angebrachte Balkone statt dringend erforderlicher Renovierungsarbeiten - viele Mieter beschweren sich über kostspielige Modernisierungen (imago / imagebroker)
    Das sehen auch Analysten so. Mit der Börsennotierung seien die Unternehmen transparenter geworden, sagt Michael Cloth von der Commerzbank. Vonovia und Co. müssen die Zahlen nun offen legen – anders etwa als kommunale Wohnungskonzerne, für die das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln jüngst gezeigt hat, dass sie nicht zwangsläufig günstiger vermieten als private Anbieter.

    Und trotzdem - offiziell mag der Mieter im Mittelpunkt stehen, doch die Geschäftsberichte zeigen: Der Kapitalmarkt ist ein mindestens genauso wichtiger Adressat, und für diesen münzen sich Mieterhöhungen in Rendite-Versprechen um. Bei Vonovia heißt es:
    "Darüber hinaus konnten wir durch Wohnwertverbesserungen im Rahmen unseres Modernisierungsprogramms einen Mietanstieg von 2,5 Prozent realisieren."
    Modernisierung als Hebel für Mietpreissprünge
    Und Deutsche Wohnen schreibt:
    "Der Fokus in der Bewirtschaftung liegt dabei auf der Optimierung der Mieterlöse. Daher werden im Rahmen der baulichen Unterhaltung laufend mögliche Maßnahmen mit Mietsteigerungspotenzial geprüft."

    Mieten - das ist die neue soziale Frage, und die Modernisierung ist der Hebel, mit dem Mietpreissprünge möglich werden. Das hat auch die neue Große Koalition begriffen und die 2015 eingeführte Mietpreisbremse in puncto Mieterrechte angespitzt. Im neuen Koalitionsvertrag heißt es:

    "Wir wollen Mieter besser vor bewusstem Missbrauch bei der Ankündigung und der Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen schützen. Das gezielte Herausmodernisieren wird künftig den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen und für Mieter Schadenersatzansprüche begründen."
    Fraglich nur, wie das gezielte Herausmodernisieren nachgewiesen werden kann. Konkret plant die Koalition, die Modernisierungsumlage von elf auf acht Prozent zu senken. Jedoch soll diese Regelung nicht bundesweit gelten, sondern nur in Gebieten mit erhöhter Wohnungsnachfrage. Das heißt: in Gebieten, wo bereits jetzt die Mietpreisbremse gilt, also vor allem in den deutschen Großstädten.
    Besonders in Ballungszentren ist der Bedarf an Wohnungen gestiegen
    Aus Sicht vieler Experten hat die Mietpreisbremse bisher wenig bewirkt (dpa / picture-alliance / Armin Weigel)
    Umsetzung der Mietpreisbremse gestaltet sich schwierig
    Damit sind die Länder am Zug: Sie müssen in Rechtsverordnungen festlegen, in welchen Kommunen dies gilt. Und die Umsetzung dürfte vor allem in CDU-regierten Ländern scheitern. Die schwarz-gelbe Koalition in Nordrhein-Westfalen zum Beispiel hat schon vor einem Dreivierteljahr angekündigt, die Mietpreisbremse abzuschaffen. CDU-Bauministerin Ina Scharrenbach sagte im Juli 2017 im Landtag:
    "Dem Grunde nach ist die Mietpreisbremse nicht mehr als weiße Salbe. Und wenn ein Instrument nicht wirkt, dann muss man es abschaffen!"
    Mieterschützer bezweifeln den Effekt der Mietpreisbremse
    Doch selbst wenn die Umlage da und dort auf acht Prozent sinken sollte, bezweifeln Mieterschützer den Effekt. Bereits jetzt legen die Wohnungskonzerne vielerorts weniger als die erlaubten elf Prozent von den Modernisierungskosten auf die Mieten um und kalkulieren mit unterschiedlichen Umlagen. LEG-Sprecher Mischa Lenz rechnet vor:
    "Dort, wo wir modernisieren, legen wir im Schnitt acht Prozent der Kosten pro Jahr um. Es gibt Viertel, da liegen wir noch deutlich drunter, weil wir wissen, dass dies für unsere Mieter schwierig zu stemmen wäre. In anderen Quartieren, wo mehr Kunden mit gehobenen Ansprüchen und auch höherem Einkommen wohnen, sind es dann auch mal mehr als die acht Prozent."
    Mietrecht ist im Wesentlichen Bundesrecht
    Nicht nur den Mietervereinen gehen die Pläne im Bund nicht weit genug. Der rot-rot-grüne Senat in Berlin hat der "Sicherung von bezahlbaren Wohnungen" oberste Priorität im Koalitionsvertrag zugeschrieben. Doch das Mietrecht ist im wesentlichen Bundesrecht. Daher hat die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher von der Linkspartei, nun eine Bundesratsinitiative erarbeitet. Auch ihr Vorschlag, für den Berlin im Bundesrat nun nach Unterstützern suchen will, setzt bei der Modernisierung an:
    "Indem wir zum Beispiel die Modernisierungsumlage noch weiter senken, also auf sechs Prozent, so wie wir es schon bei städtischen Wohnungsunternehmen in Berlin getan haben. Und indem wir die Härtefallregelung besser ausgestalten, damit Mieterhaushalte eben nicht überfordert sind. Die Voraussetzungen, um einen Härtefall geltend zu machen: Das ist der entscheidende Punkt."
    Mietspiegel als Schwachstelle der Mietpreisbremse
    Die Deutsche Wohnen, Berlins größter privater Vermieter, hat derweil Verfassungsbeschwerde gegen den Berliner Mietspiegel eingelegt. Der Mietspiegel gilt als Schwachstelle der Mietpreisbremse, denn seine Berechnung wird vielfach infrage gestellt. Die Deutsche Wohnen verlangt nun, statt der "Durchschnittsmiete" im Mietspiegel die weit höhere sogenannte "Marktmiete" zum Richtwert für Mieterhöhungen zu machen. Dann aber dürften nicht nur Neumieter, sondern auch Bestandsmieter kräftige Mieterhöhungen bekommen - und das Angebot an sozialem Wohnraum würde weiter schrumpfen, prophezeien Mietrechtsexperten.
    Die Berliner Senatorin Lompscher hält von der Konstruktion der Mietpreisbremse eigentlich ohnehin nicht viel, ist aber überzeugt: Ihr Mietspiegel ist gerichtsfest. Wichtig ist ihr, dass Mieter nicht alles hinnehmen müssen:
    "Die Mietrechtsreformen, die die Bundesregierungen in der Vergangenheit gemacht haben, waren immer zulasten der Mieter und Mieterinnen. Das mit der Duldungspflicht ist mal eingeführt worden unter der Überschrift des Klimaschutzes. Na, also man muss solche Modernisierungen dulden, die der energetischen Verbesserung der Gebäude dienen. Das ist ein vollkommen absurder Vorgang.
    Modernisierungen sind ankündigungspflichtig, Mieter müssen die Chance haben, die in Gänze zu überprüfen und zu widersprechen. Es ist wichtig, das Mietrecht auf Bundesebene endlich wieder mieterfreundlich zu gestalten, damit es seine soziale Schutzfunktion auch wirklich ausüben kann."
    Vonovia gibt sich gesprächsbereit: Mieter, die ihre Miete nach einer Erhöhung nicht mehr bezahlen könnten, könnten einen Härtefall anmelden.

    "Die Lösung kann sein, dass wir dem Mieter bei der Mietpreisgestaltung entgegenkommen, die Lösung kann aber auch sein, eine alternative Wohnung zu finden."
    Seitens der LEG heißt es:
    "Das kommt seltener vor, als man denkt. Die Zahl der tatsächlichen Härtefälle bewegt sich im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Wir finden eigentlich immer eine individuelle Lösung für alle Beteiligten. Wenn Mieter sich die angepasste Miete nicht mehr leisten können, helfen wir ihnen ganz gezielt, eine günstigere Wohnung in unserem Bestand zu finden."
    Schlechte Karten für Mieter
    Die Realität spricht eine andere Sprache: Wirtschaftliche Härtefälle sind juristisch nur schwer durchzubekommen. Die Rechtslage ist nicht eindeutig, im Mietrecht gibt es keine feste Grenze, wie hoch die Belastung maximal sein darf.
    Mietervereine empfehlen, einen Härtefall anzumelden, wenn die neue Miete mehr als 30 Prozent des verfügbaren Einkommens beträgt. Es gibt enge Fristen, der Mieter muss nach der Modernisierungsankündigung rasch Widerspruch einlegen, sonst verfällt sein Anspruch.
    Daniel Zimmermann vom Mieterbund NRW:

    "Wir haben tatsächlich gerade bei großen Wohnungsunternehmen recht wenig Erfahrung damit. Weil einerseits viele Härtefall-Einwände noch gar nicht entschieden sind oder nicht entschieden wurden. Es ist auch deutlich geworden, dass die großen Wohnungsunternehmen da gar keinen vernünftigen systematischen Umgang mit haben."
    Vor allem aber sind Betroffene in der Regel gezwungen, die Modernisierung erst einmal zu dulden.
    In einem Gespräch mit der LEG hat Christine Twittmann vom Dortmunder Sonnenplatz zusammen mit dem Mieterverein Dortmund vergeblich versucht, eine Vereinbarung noch vor der Modernisierung auszuhandeln.
    "Wir haben die LEG wirklich inständig darum gebeten, diesen Härtefallanträgen im Vorfeld zu- oder eben nicht zuzustimmen. Einfach, dass man Bescheid weiß und sich darauf einstellen kann, was wird mich erwarten. Die LEG hat uns das zugesprochen, es ist aber nichts passiert. Da bin ich aber nicht die Einzige, das ist bei allen Mietern so, die einen Härtefallantrag gestellt haben."
    Nun bleibt Christine Twittmann und acht anderen Mitstreitern ihrer Mieterinitiative nur die Möglichkeit, vor Gericht zu ziehen und auf Unzumutbarkeit der Maßnahme zu klagen. Twittmann verweigert den Bauarbeitern den Zutritt in die Wohnung. Die alleinerziehende Mutter will das durchhalten:
    "Bis die LEG mit einer einstweiligen Verfügung vom Amtsgericht hier steht."
    Dem 64-jährigen Frührentner Egon Gennat geht es genauso. Er wohnt seit elf Jahren in dem Haus am Sonnenplatz zur Miete, 456,51 Euro warm soll er künftig für knapp 48 Quadratmeter zahlen: mehr als die Hälfte seines monatlichen Nettoeinkommens. Auch er will den Balkonanbau nicht dulden.
    "Für mich gilt dasselbe. Ich habe denen sogar die Briefe vom Anwalt kopiert und draußen an die Tür geklebt. Können Sie alles nachlesen, wie der Stand der Dinge ist. Also keine Ahnung, wie lange sich das hinzieht."
    "Ich lasse mich nicht vertreiben"
    Die meisten der hundert Mietparteien der LEG haben ihren Widerstand mittlerweile aufgegeben. Einige haben Post ihres Vermieters erhalten - mit der Androhung zur Klage vor dem Amtsgericht. Wer nicht rechtsschutzversichert oder im Mieterverein ist, scheut das Prozess-Risiko. Egon Gennat gibt sich kämpferisch:
    "Bezahlbare Mieten" steht auf einem Wandbild nahe dem Kottbusser Tor in Berlin im Bezirk Kreuzberg.
    Viele Mieter ziehen aus, statt für ihren Verbleib und gegen die Mieterhöhung zu kämpfen (picture alliance / Wolfram Steinberg)
    "Also ich lass mich nicht vertreiben. Wenn ich ausziehe, dann vielleicht, weil ich mich verändern möchte, aber ich möchte mich auf keinen Fall einfach raustreiben lassen von der LEG, nur weil die eben meinen, noch mehr Geld scheffeln zu müssen."
    Christine Twittmann hingegen macht sich nicht allzu große Hoffnungen, dass ihr Protest etwas bewirkt. Die Hälfte ihrer Nachbarn aus dem Haus sei bereits ausgezogen.
    "Es sind die wirtschaftlich Schwachen, die gehen müssen – das tut einem doppelt leid. Das sind auch diejenigen gewesen, mit denen ich mich gut verstanden habe. Wir haben uns zusammengeschlossen, gemeinsam gekämpft, und wenn man dann sieht, dass peu à peu die Leute doch ausziehen, das tut schon weh."
    Vor wenigen Wochen erhielt die 40-Jährige ein Schreiben der LEG. Auf ihren Antrag auf eine Härtefallregelung ging der Vermieter nicht näher ein, schrieb aber, dass die endgültige Mietsteigerung noch nicht feststehe. Und wies darauf hin, dass sie, sollte es finanziell knapp werden, letztlich auch Wohngeld beim Amt beantragen könne.
    Eine Unverschämtheit, findet Christine Twittmann: Die Immobilienunternehmen setzten offenbar darauf, dass der Staat ihren Rendite-Zwang mitfinanziere.