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"Zypern muss dieses Steuerdumping beenden"

Nach der Präsidentschaftswahl in Zypern beginnen auch Verhandlungen über ein mögliches EU-Hilfspaket für das Land. "Zypern war eine Steueroase", sagt Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Hilfen könne es nur geben, wenn den anderen europäischen Staaten nicht länger mit Dumpingsteuersätzen die Grundlage entzogen wird, um Zypern zu helfen.

Carsten Schneider im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Christiane Kaess: Zypern könnte schon in ein paar Wochen Pleite sein, gut 17 Milliarden Euro benötigt der Mittelmeerstaat aus dem Europäischen Rettungsschirm. Ein Großteil davon soll an die angeschlagenen Banken fließen. Der konservative Wahlsieger Anastasiades will schnellstmöglich mit der EU verhandeln. Und ob das Land diese Hilfen bekommt, darüber entscheidet auch der Deutsche Bundestag. Viele Abgeordnete sehen es bisher nicht ein, Hilfen für die Steueroase Zypern zuzustimmen. Im Raum steht der Vorwurf, auf dem Inselstaat werde ausländisches Schwarzgeld gewaschen. – Am Telefon ist jetzt Carsten Schneider, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Guten Morgen!

    Carsten Schneider: Guten Morgen, ich grüße Sie.

    Kaess: Herr Schneider, ist der Regierungswechsel jetzt der erhoffte Wandel im Euro-Krisenland Zypern?

    Schneider: Ja es ist wahrscheinlich erst mal die Einsicht, dass sich in Zypern überhaupt was ändern muss. Der bisherige Präsident hat ja negiert, dass Zypern irgendeine Art von Problem hätte, obwohl seit Juni 2012 es relativ klar war und auch die Beamten auch verhandelt haben. Politische Führung ist jetzt da, von daher ist das auf jeden Fall ein Fortschritt.

    Kaess: Und für Sie ist Anastasiades auch ein glaubwürdiger Verhandlungspartner, wenn es darum geht, Vorwürfe auszuräumen, auf Zypern werde Schwarzgeld von ausländischen Anlegern gewaschen?

    Schneider: Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass die zyprische Regierung diese Vorwürfe kennt oder die neue Regierung sie kennt und sie auch ausräumen will. Dazu gehört dann aber auch, dass die Gesetze nicht nur auf dem Papier stehen, sondern dass sie auch tatsächlich durchgesetzt werden. Daran scheint es derzeit noch zu hapern.

    Kaess: Wie müssen diese Vorwürfe genau ausgeräumt werden?

    Schneider: Es bringt ja sicherlich nichts, wenn wir vom Bundestag aus die Papierlage diskutieren. Es gibt den Vorschlag der europäischen Finanzminister oder auch die Forderung, dass dies von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Zypern geprüft wird. Ich meine, das sollten nicht immer Private tun, sondern die OECD – das sind die Experten auf diesem Gebiet -, die sollten dort eine tatsächliche Mission vor Ort in Zypern, in Nikosia durchführen lassen und damit auch die Gerüchte, die es gibt, letztendlich ausräumen können, sodass wir das auch glauben.

    Kaess: Und genau das sind eben die Bedingungen der Euro-Gruppe, nämlich die Anwendung der Geldwäschestandards müssen als Vorleistung für Hilfen umgesetzt werden. Aber der bisherige zyprische Finanzminister, sagt man, sei gar nicht durch eigenes Verschulden, sondern durch den Schuldenschnitt mit Griechenland in finanzielle Nöte geraten.

    Schneider: Das ist nur eine Teilwahrheit. Zypern hat dem griechischen Schuldenschnitt zugestimmt und die zypriotischen Banken haben ein großes Portfolio an griechischen Staatsanleihen gehabt. Aber das ist nur ein Teil, das ist vielleicht 30, 40 Prozent der Wahrheit. Der Rest ist, dass Zypern einfach auch eine billige Steueroase war. Das ist mir noch wichtiger als die Schwarzgeldfrage, dass Zypern mit zehn Prozent Körperschaftssteuersatz quasi die Offshore-Region innerhalb der Europäischen Union ist und deswegen die Banken sehr viele Einlagen hatten und immer noch haben. Die mussten das irgendwo anlegen, und dann haben sie es in Griechenland angelegt und sind dort quasi jetzt, aber auch wegen der wirtschaftlichen Probleme Griechenlands, mit beteiligt. Das alles stimmt, ist aber nur ein Teil des Problems. Zypern muss auch vor allen Dingen dieses Steuerdumping beenden, weil Solidarität, also wenn Deutschland Geld geben soll, wird für mich nur möglich sein, wenn die Zyprioten auch dafür sorgen, dass sie auch genügend Einnahmen erzielen, und nicht Deutschen, Franzosen und anderen europäischen Staaten mit Dumpingsteuersätzen quasi die Grundlage entziehen, um ihnen zu helfen.

    Kaess: Aber, Herr Schneider, mal abgesehen von den Bedingungen vor Ort – ist nicht für die Frage, ob Zypern Hilfen erhalten soll oder nicht, eigentlich die Frage entscheidend, wie systemrelevant Zypern ist?

    Schneider: Ja! Ich gehe davon aus, dass die Troika und auch die Finanzminister, als sie diese Mission im Juni 2012 losgeschickt haben, sich diese Frage schon gestellt haben, bevor sie überhaupt verhandeln. Von daher scheint mir das …

    Kaess: Ist es denn für Sie systemrelevant?

    Schneider: Die Einschätzung dazu muss letztendlich die Europäische Zentralbank liefern. Die hat das gesagt. Ich sage mal, es ist wenn, dann vor allen Dingen aus der Vertrauensfrage heraus systemrelevant. Es ist das sicherlich nicht der Zahlen wegen. Die Vertrauensfrage, ob denn tatsächlich alle Länder beisammenbleiben - sollte Zypern quasi das Exit bekommen aus eigenem Verschulden oder eben auch aus politischem Willen der anderen Staaten, dann würde sich sicher schon bald die Frage auch nach Italien oder Spanien stellen.

    Kaess: Aber wenn diese Frage mit Ja beantwortet wird, sind dann nicht Hilfen um jeden Preis nötig und die Bedingungen eigentlich egal?

    Schneider: Nein, das ist es nicht, weil das ist das Prinzip des Moral Hazard. Wenn wir quasi sagen würden als Deutsche, wir müssen immer jedes Land retten, dann haben sie kein Verhandlungsmandat mehr, und in Zypern gibt es wahnsinnig viel zu verhandeln – nicht nur die Steuersätze, sondern der viel zu große Bankensektor, wo quasi die Bankengläubiger selbst ihre Rettung bezahlen müssen und nicht die Staaten, so wie die Bundesregierung das derzeit mit verhandelt. Das ist für mich ein großer Dissenspunkt. Und wenn sie immer quasi sagen, dass alle systemrelevant sind und die müssen zusammenbleiben, dann haben sie kein Mandat mehr. Dann können sie auch Eurobonds einführen, alle haften für alle und es gibt keinen Dissens mehr oder kein Verhandlungsmandat. Deswegen müssen sie sich diese Option schon offenhalten.

    Kaess: Herr Schneider, Sie haben es schon kurz angesprochen: Auch in Italien wird gewählt. Wie gefährlich ist Italien mit seinen 2000 Milliarden Euro Staatsschulden für die Euro-Zone?

    Schneider: Italien ist natürlich viel bedeutender für den Euro, aber als Gründungsmitglied auch für die Europäische Union, als das Zypern ist wirtschaftlich. In Zypern wäre es mehr eine psychologische Frage, in Italien ist es eine klassisch ökonomische Frage auch. Italien hat eine Staatsverschuldung von deutlich über 100 Prozent, aber auch eine funktionierende Wirtschaft. Das ist ja gerade im Norden wirklich gegeben und von daher sind alle Erschütterungen, die von Italien ausgehen, welche, die wir direkt in Berlin spüren werden.

    Kaess: Nun hat der SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück im Bundestag vor dem sogenannten Kaputtsparen gewarnt. Ist das das Signal an Italien oder auch an Frankreich, man müsse nur das Ergebnis der Bundestagswahl abwarten, denn wenn die SPD gewinnt, dann haben sich die Reformen ohnehin erledigt?

    Schneider: Nein! Peer Steinbrück hat das nicht auf die Reformen bezogen, sondern auf die Frage des zeitlichen Abbaus der Neuverschuldung, und das ist klug. Das empfiehlt im Übrigen auch die EU-Kommission und in Spanien und in Portugal haben wir das bereits gemacht, indem die Defizitziele um ein oder zwei Jahre verschoben werden, weil es ja keinen Sinn macht, in eine Rezession noch hineinzusparen. Damit verstärken sie nur die Rezession. Das haben wir in Deutschland im Übrigen 2005 und 2009 auch nicht gemacht. Die strukturellen Reformen …

    Kaess: Was heißt das in Bezug auf Italien?

    Schneider: Das heißt in Bezug auf Italien, dass sie die automatischen Stabilisatoren, also den Abbau oder das Ansteigen der Arbeitslosigkeit, die Steuerausfälle nicht durch zusätzliche Einsparungen kompensieren, sondern da das Defizit letztendlich steigen lassen, aber die Strukturreformen …

    Kaess: Also das ist ja die Abkehr vom Reformkurs in Italien?

    Schneider: Nein, ist sie nicht. Reformen definiere ich vor allen Dingen aus struktureller Sicht. Das bedeutet, in Italien vor allen Dingen die Frage der Steuervermeidung vor allen Dingen in den Mittelpunkt zu nehmen, aber auch Arbeitsrechtsfragen und andere Dinge. Man darf sich nicht sklavisch an das Defizitziel allein halten, weil das ist eine Self-Fullfilling-Prophecy, aber dann in negativer Sicht. Schauen Sie nur heute die aktuellen Autozahlen: Noch nie sind so viele Autos in Europa verkauft worden wie derzeit. Und wir haben auch in Deutschland darunter zu leiden, dass in den südeuropäischen Ländern die Leute nicht nur kein Geld ausgeben, sondern geradezu stark verunsichert sind. Aus diesem Grund brauchen wir eine kluge Wirtschaftspolitik, die mit einer Finanzpolitik gekoppelt ist, die nicht nur auf reines "Wir wollen unsere Sparziele erreichen" beschränkt ist, die sich dann so erfüllen, indem sie nämlich dazu führen, dass die Wirtschaften vollkommen abgewürgt werden.

    Kaess: …, sagt Carsten Schneider, er ist haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Danke für das Gespräch heute Morgen, Herr Schneider.


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