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20 Jahre korrekter Kaffee

Seit 20 Jahren vergibt die Organisation TransFair in Deutschland ein Siegel für Produkte aus fairem Handel. Doch während etwa in der Schweiz manche Supermärkte schon ganz auf Fairtrade setzten, hätten die Produkte es in Deutschland schwerer, sagt TransFair-Chef Dieter Overath.

Dieter Overath im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 03.01.2012
    Susanne Kuhlmann: Verbraucher hierzulande können ganz direkt die Lebensbedingungen von Kleinbauern in Asien, Afrika und Südamerika verbessern, und zwar jeden Tag, beim alltäglichen Einkauf in mittlerweile rund 36.000 Geschäften. Es begann mit Kaffee, Tee und Schokolade, aber das Angebot an Produkten, die das TransFair-Siegel tragen, ist längst viel umfangreicher als vor 20 Jahren, als ein Bündnis aus kirchlichen Hilfswerken und Entwicklungsorganisationen die Initiative TransFair gegründet hat. Legendär das Bild vom Latzhosenträger, der politisch korrekten, aber ziemlich gewöhnungsbedürftig schmeckenden Nicaragua-Kaffee trinkt. Heute kaufen Konsumenten fair gehandelte Produkte, um für einen geringen Aufpreis ein gutes Gewissen und das Gefühl zu haben, eine sinnvolle Sache zu unterstützen. Am Telefon ist Dieter Overath, der Geschäftsführer der Initiative TransFair. Guten Tag!

    Dieter Overath: Ja, guten Tag, Frau Kuhlmann!

    Kuhlmann: Wie funktioniert der faire Handel?

    Overath: Der funktioniert so, dass wir ein weltweites System haben, wo alle Akteure, Produzenten, also Plantagen und Genossenschaften, Importeure, Exporteure, Hersteller und Handel mit uns in eine Vertragsbeziehung gehen und wir klare Bedingungen haben: Mindestpreise, ein "Fairtrade Premium", der vor Ort direkt an die Bauern gezahlt werden muss, und das alles eben auch kontrolliert durch eine internationale Kontrollorganisation mit Sitz in Bonn.

    Kuhlmann: Es begann vor 20 Jahren mit dem erwähnten Kaffee. Wie hat sich die Produktpalette denn weiterentwickelt?

    Overath: Der Kaffee ist weiterhin wichtigstes Produkt, nur dass es ihn jetzt quasi von Starbucks bis Aldi bei allen Firmen gibt. Aber die Blumen, Rosen aus Ostafrika, sind inzwischen das zweitwichtigste Produkt bei FairTrade. Und hier kontrollieren wir gut die Hälfte der Blumenproduktion in Tansania und Kenia, was vor Ort schon zu wirklichen Verbesserungen geführt hat. Also von daher geht die Reise weiter auch in andere Produktkategorien: Süßwaren, Orangensaft, Reis, eben auch Baumwolle, die dann in Textilien reingeht. Also das Portfolio hat sich erweitert.

    Kuhlmann: Wie genau wirkt der faire Handel denn dort, wo Kaffeebohnen und Teesträucher und die Grundzutaten für die anderen Produkte wachsen?

    Overath: Also symbolisch würde ich sagen, dass die Produzenten sich vom Empfänger des "Fairtrade Premiums" zum Gestalter des Fairtrade-Systems verändert haben. Und das setzt voraus, dass sie sich besser organisieren können. Also Fairtrade Afrika zum Beispiel mit Sitz in Nairobi hat inzwischen in allen vier Teilen - Ost-, West-, Süd-, Nordafrika - Dependancen. Und hier werden Trainingsmaßnahmen eingerichtet. Sie beteiligen sich an der Meinungsfindung im internationalen System, die Frage neuer Produkte. Wie sich das Fairtrade-System weiterentwickelt, wird von den Produzenten mitbestimmt. Das nennen wir auf Neudeutsch Empowerment, und das ist genau so wichtig wie eben Sozialprojekte, Schulfördersysteme, Gesundheitssysteme, Impfaktionen - all die anderen Dinge, die durch das "Fairtrade Premium" vor Ort investiert werden. Also der wichtigste Schritt ist, dass die Produzenten Bestandteil des Systems sind und nicht nur Empfänger von Spenden, wie das vielleicht anderswo der Fall ist.

    Kuhlmann: Obwohl das Siegel inzwischen recht bekannt ist, ist der faire Handel insgesamt ja ein Nischenmarkt geblieben. Selbst beim Kaffee liegt der Marktanteil nur bei etwa zwei Prozent. Ist die Grenze des fairen Handels erreicht?

    Overath: Wenn man sich England und die Schweiz anguckt, wo es zweistellige Marktanteile gibt, wo Sie Schwierigkeiten haben in England, eine nicht fair gehandelte Banane im Supermarkt zu kaufen, oder auch in der Schweiz, wo die Coop oder Migros mehr oder weniger ihr gesamtes Eigensortiment auf Fairtrade umgestellt haben, haben wir hier in Deutschland noch Nachholpotenzial. Wir sind halt das Land mit den billigsten Lebensmittelpreisen, von daher hat das Fairtrade hier ein Stück schwerer. Aber die Entwicklung und der Wunsch der Konsumenten, dass Produkte aus der Anonymität herauskommen, dass sie nicht mehr zulasten von Mensch und Umwelt hergestellt werden, deutet drauf hin, dass große Hersteller und Handelsketten zunehmend schauen müssen, wie sie - ich sage mal salopp - ihre Hütte sauber halten beziehungsweise zertifizieren lassen.

    Kuhlmann: Ein kurzes Wort noch für die Zukunft, Herr Overath: Wird es neue Fairtrade-Produkte geben?

    Overath: Wir werden in zwei Wochen auf der internationalen Möbelmesse zusammen mit FSC, dem Holzlabel, die ersten fair gehandelten Möbel vorstellen. Die Reise geht weiter, aber wir wollen natürlich gerne auch bei Frischeprodukten - Bananen, Ananas und Co - noch mehr erreichen.

    Kuhlmann: 20 Jahre fairer Handel in Deutschland. Zum Jubiläum war das ein Gespräch mit Dieter Overath, dem Geschäftsführer der Initiative TransFair. Vielen Dank dafür!

    Overath: Ich danke auch, Wiederhören!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.