Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Altersvorsorge
Kapitallebensversicherung in Bedrängnis

Die klassische Kapitallebensversicherung hat ein massives Rendite- und womöglich auch Finanzierungsproblem. Die Bundesregierung hat deshalb in aller Eile ein Reformgesetz durchgewunken. So soll das Produkt als Altersvorsorge gesichert werden. Verbraucherschützer kritisieren dieses Gesetz - und halten die Anlageform gar generell für gescheitert.

Von Christian Erber | 20.09.2014
    Arne Hillje-Gerdes: "Moin Herr Dörfler!"
    Thorsten Dörfler: "Moin, Herr Hillje-Gerdes! Wie geht's?"
    Hillje-Gerdes: "Gut! Und selbst?"
    Dörler: "Das Thema war heute ja noch mal die Altersvorsorge."
    Hillje-Gerdes: "Ja, ich wollte gerne wissen, ob sich das noch lohnt, ob ich eine Lebensversicherung abschließen soll oder ob es da andere Alternativen gibt, die lohnender sind."
    Der Bad Zwischenahner Thorsten Dörfler ist selbstständiger Versicherungsmakler, der Privat- und Geschäftskunden unter anderem bei der Altersvorsorge berät. An diesem Tag ist Arne Hillje-Gerdes zu ihm ins Büro gekommen. Der 36-Jährige hat seine Altersvorsorge bislang vernachlässigt. Viele seiner Freunde und Bekannten haben eine Lebensversicherung. Die ist allerdings in die Schlagzeilen geraten. Anfang August hat Bundespräsident Gauck das Lebensversicherungsreformgesetz unterschrieben. Es bringt tief greifende Veränderungen mit sich:
    "Die Lebensversicherung ist eine der wichtigsten Spar- und Altersvorsorgeformen in Deutschland. Es gab Ende 2012 88 Millionen Lebensversicherungsverträge – oft mit Laufzeiten von 20 und mehr Jahren. Und wir wollen, wir müssen dieses verbreitete und bewährte Instrument bewahren. Und deshalb bitte ich sie um Zustimmung zu diesem Gesetz."
    So Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), als er im Juni im Bundestag für sein Reformgesetz warb. Denn die deutschen Lebensversicherer haben ein Problem. Seit Ausbruch der Finanzkrise haben die Notenbanken der Welt die Leitzinsen immer weiter gesenkt, um die globalen Geldkreisläufe in Gang zu halten. Das garantiert Unternehmen günstige Kredite. Die Kehrseite: Wer Geld nicht leihen, sondern anlegen will, bekommt dafür so gut wie keine Zinsen mehr. So wie die Versicherer, die das Geld ihrer Kunden gewinnbringend anlegen müssen. Ein Problem, vor dem neben Schäuble auch die Finanzexperten von SPD und CSU, Manfred Zöllmer und Hans Michelbach warnen:
    "Die durchschnittliche Rendite deutscher Anleihen beträgt 1,6 Prozent. Und der durchschnittliche Garantiezins der Lebensversicherungen beträgt 3,2 Prozent. Nun muss man nicht unbedingt zwölf Semester Volkswirtschaft studiert haben, um zu erkennen: Da gibt es ein Problem."
    "Wenn wir nicht handeln, fahren wir zwangsläufig einen wesentlichen Teil der privaten Altersvorsorge vor die Wand."
    Garantiezinssatz sinkt auf 1,25 Prozent
    Der sogenannte Garantiezins ist der Zinssatz, den Versicherungsgesellschaften ihren Kunden bei Auszahlung eines auslaufenden Lebensversicherungsvertrags auf jeden Fall gutschreiben. Er liegt aktuell bei 1,75 Prozent und damit nur leicht über der Rendite, die die Gesellschaften mit deutschen Staatsanleihen erzielen können. Doch da die Versicherer auch viele Policen in ihrem Bestand haben, die schon vor zehn, 20 oder gar 30 Jahren abgeschlossen wurden, sind sie in Nöten, erläutert Professor Martin Nell vom Hamburger Zentrum für Versicherungswirtschaft:
    "Man muss ja sehen, dass die Versicherer das, was sie erwirtschaften müssen für ihre Bestände, ja nicht der momentan zugesagte Garantiezins ist, sondern es ist ein Mischzins aus den Garantiezinssätzen, die in der Vergangenheit gegolten haben, das heißt, Versicherer haben noch eine Menge Verträge aus den 90er-Jahren, wo der 3,5 und in der Spitze sogar 4 Prozent betrug. Man geht davon aus, dass der Zinssatz, der momentan erwirtschaftet werden muss, im Schnitt bei gut 3 Prozent liegt."
    Das ist jedoch in Zeiten, in denen die Zinsen an den Kapitalmärkten historisch niedrig sind, kaum zu schaffen. An diesem Punkt setzt das Lebensversicherungsreformgesetz an. Vom 1. Januar 2015 an müssen Lebensversicherer Kunden, die einen Vertrag neu abschließen, nur noch einen Garantiezins in Höhe von 1,25 Prozent gutschreiben. Das nehme finanziellen Druck von den Gesellschaften, erklärt Nell:
    "Die Absenkung des Garantiezinses halte ich für eine notwendige Maßnahme. Es wäre nicht die Konsequenz gewesen, wenn es jetzt nicht gemacht worden wäre, dass es in den nächsten ein bis zwei Jahren in größeren Zahlen zu Schieflagen gekommen wäre. Aber es wäre mittelfristig der Boden bereitet worden, dass Versicherer in Probleme kommen."
    Die Bundesbank hatte bereits Ende 2012 gewarnt, dass mehrere Dutzend Lebensversicherer in ihrer Existenz gefährdet sein könnten, sollte die Niedrigzinsphase noch mehrere Jahre andauern. Anfang September hat die EZB den Leitzins auf einen historischen Tiefstand von 0,05 Prozent gesenkt und ihn damit faktisch abgeschafft. Während sich Banken Geld quasi zum Nulltarif leihen können, liegen die Nerven bei den Versicherern schon seit Monaten blank. Schon die vorletzte Leitzinssenkung im Juni auf damals 0,15 Prozent kommentierte der Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, Alexander Erdland, entsprechend deutlich:
    "Ich halte die weitere Eskalierung der Niedrigzinspolitik, der Geldschwemme, für völlig überflüssig, unbegründet, unberechtigt, unpassend, ungerecht und unverantwortlich. Wir haben im Augenblick kein Inflationsproblem. Wir haben ein Problem des realen Geldwertes, weil der Zins so niedrig ist, dass sogar die niedrige Inflation den Zins auffrisst. Das kann auf Dauer nicht gut sein für ein Land, das eine Sparkultur hat, in dem Menschen für ihr Alter vorsorgen müssen, weil die Rente nicht reicht. Die Menschen werden frustriert, wenn ihnen das Geld praktisch weggenommen wird – dagegen wehren wir uns."
    Lohnt es sich da überhaupt noch, Geld fürs Alter zurückzulegen, wenn die Verzinsung derartig niedrig ist? Eine Frage, die sich auch der Bad Zwischenahner Arne Hillje-Gerdes stellt. Er hofft auf Antworten seines Versicherungsmaklers Thorsten Dörfler:
    Dörfler: "Wir haben das ja jetzt kurz beleuchtet. Ich möchte das noch mal zusammenfassen: Sie sind noch im Studium, aber teilweise auch beschäftigt. Die Mittel sind begrenzt. Wie viel wollen sie denn jeden Monat ansparen?"
    Hillje-Gerdes: "Momentan sind das so 30 Euro im Monat, die ich dafür maximal ausgeben könnte."
    Dörfler: "OK. 30 Euro haben wir zur Verfügung. Das heißt, wir werden schauen, mittels eines Vergleichsprogramms – wo für 30 Euro am meisten letztendlich rauskommt. Aber es kommen natürlich auch einige andere Parameter dazu. Es muss ja auch eine Firma sein, die in 30 oder 40 Jahren noch existent ist."
    Neuregelung der Bewertungsreserven
    Um die mehr als 90 deutschen Lebensversicherer abzusichern, besteht das Reformgesetz – neben der Senkung des Garantiezinses – aus einem zweiten, zentralen Baustein. Künftig können Versicherte zu einem geringeren Umfang als bislang an den sogenannten Bewertungsreserven der Gesellschaften beteiligt werden. Bewertungsreserven sind Buchgewinne der Versicherer. Sie entstehen dann, wenn zum Beispiel der Marktwert von Staatsanleihen, die die Versicherer im Portfolio haben, ihren Kaufpreis übersteigt. In Zeiten historisch niedriger Leitzinsen sind die Bewertungsreserven besonders hoch. Denn die alten Papiere, die die Versicherer noch in ihren Büchern haben und vergleichsweise hoch verzinst sind, sind bei Investoren weltweit begehrt und deshalb im Marktwert enorm gestiegen. Versicherte, deren Policen in diesem Jahr auslaufen, profitieren daher besonders. Neben einem vergleichsweise hohen Garantiezins erhalten sie zusätzlich eine weit überdurchschnittlich hohe Beteiligung an den Bewertungsreserven. Eine Regelung, die Bundesfinanzminister Schäuble für reformbedürftig hält:
    "Diese Beteiligungsregeln gelten seit 2008. Und sie begünstigen rund sieben Millionen Versicherte, deren Verträge in Kürze auslaufen. Aber die mehr als 80 Millionen Versicherten, deren Verträge eine längere Laufzeit noch haben, werden dadurch benachteiligt - und das würde langfristig die Erfüllung der Versicherungsansprüche aller anderen Versicherten gefährden. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil 2005 klargestellt, dass der Gesetzgeber die Ausschüttung der Bewertungsreserven nicht ausschließlich am Interesse der heute ausscheidenden Versicherten ausrichten darf. Das sei mit dem Gedanken der Risikogemeinschaft nicht vereinbar."
    Das Reformgesetz sieht deshalb vor, dass Lebensversicherer die Höhe der auszuschüttenden Bewertungsreserven von festverzinslichen Wertpapieren reduzieren können. Vorausgesetzt, sie laufen Gefahr, die Renditeversprechen gegenüber ihren übrigen Kunden nicht einhalten zu können. Mit der Württembergischen hat die erste Gesellschaft bereits angekündigt, diese Neuerung anzuwenden. Entsprechend positiv bewertet GDV-Präsident Erdland das Reformgesetz:
    "Mit dieser Korrektur sind wir zufrieden. Die Bewertungsreserven sind wichtig für alle Kunden. Die werden jetzt nicht einseitig an wenige, ausscheidende Kunden ausgeschüttet, sondern bleiben der gesamten Versicherungsgemeinschaft erhalten."
    Und Bundesfinanzminister Schäuble stellt fest:
    "Unser Maßnahmenpaket ist ausgewogen und gerecht. Im Mittelpunkt stehen die Ansprüche der Versichertengemeinschaften. Wir achten darauf, dass auch Versicherungsunternehmen, Anteilseigner und auch der Vertrieb einen fairen Beitrag leisten. Die Unternehmen müssen künftig ihre Kunden mit 90, statt bisher nur mit 75 Prozent an den Risikoüberschüssen beteiligen. Risikoüberschüsse sind solche, die die Versicherungen dadurch haben, dass sie mit den Sterbetafeln, mit der Lebenserwartung vorsichtig kalkulieren und dass in der Regel - weil man vorsichtig kalkuliert und dadurch gewisse Reserven hat - die müssen künftig in einem größeren Maße den Versicherten zugutekommen. Wir greifen damit eine langfristig von Verbraucherschützern erhobene Forderung auf."
    Verbraucherschützer beklagen Einschnitte für Versicherte
    Das sehen Verbraucherschützer wie Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten völlig anders. Zwar hätten künftig auch Aktionäre zur Stabilisierung der Lebensversicherer beizutragen, indem sie etwa auf Dividenden verzichten müssten, wenn die Finanzpolster ihrer Gesellschaft aufgezehrt sind. Auch sei es richtig, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Versicherer künftig strenger beaufsichtige, um Schieflagen rechtzeitig zu verhindern. Das seien aber geringe Opfer im Vergleich zu den Einschnitten, die den Versicherten abverlangt würden:
    "Dieses neue Lebensversicherungs-Reformgesetz ist bei Weitem nicht ausgeglichen. Besonders die Versicherungsnehmer müssen hier bluten. Diejenigen, deren Verträge in den nächsten Monaten und Jahren auslaufen, die haben am meisten an Belastungen mit hinzunehmen. Und nur, weil die Versicherungsunternehmen auch ein bisschen bluten müssen, heißt das noch lange nicht, dass es für die Versicherungsnehmer eine gute Sache wäre. Durch die Einschnitte bei der Beteiligung an den Bewertungsreserven können die Ablaufleistungen fünf bis zehn Prozent niedriger ausfallen, als sie normalerweise wären. Bei einem Vertrag mit einer Ablaufleistung von 50.000 Euro ist man da gerne mal bei 5000 Euro, zum Teil aber sogar noch mit mehr dabei."
    Schon lange vor dem Reformgesetz hatten Lebensversicherungen als Altersvorsorgeprodukt bei den Bundesbürgern an Attraktivität verloren. Wurden im Jahr 2002 noch mehr als zehn Millionen Verträge abgeschlossen, waren es 2012 nur noch rund sechs Millionen. Und mit den neuen Einschnitten dürfte sich dieser Trend fortsetzen, davon ist Kleinlein überzeugt.
    "Für die Zukunft schaut es jetzt noch düsterer aus. Ein Garantiezins von nur noch 1,25 Prozent auf den Sparanteil: Wenn da am Ende null Prozent rauskommt, also ein Kapitalerhalt, dann hat man Glück gehabt. Das macht das Produkt vollkommen unrentabel und nicht mehr attraktiv."
    Harsche Kritik kommt auch von den Oppositionsparteien im Bundestag. Sie kritisieren unter anderem, dass die Große Koalition das Gesetz in Rekordzeit durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht habe. Vom Gesetzentwurf bis zur entscheidenden Abstimmung im Bundestag vergingen gerade einmal drei Monate. Heimlich, still und leise hätten die Regierungsparteien das Gesetz im Schatten der Fußballweltmeisterschaft auf den Weg gebracht – und das auch noch ohne solide Zahlenbasis, kritisiert Susanna Karawanskij von der Linkspartei:
    "Die Antworten der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage zur Situation der Lebensversicherer war wirklich dürftig. Auf die Frage, wie hoch die Erträge und Gewinne der zehn größten Versicherer denn sei und wie sie sich in den vergangenen zehn Jahren gestaltet hätten, gab es keine Antwort. Es gibt auch keine Zahlen der Einzelunternehmen, wie hoch die ausgeschütteten Bewertungsreserven waren beziehungsweise wie sich diese Situation jetzt entwickelt. Und auch auf die Frage der Bilanzanalysen der Versicherungsunternehmen in Deutschland musste die Bundesregierung hinsichtlich einer konkreten Studie passen. Alles in allem ein skandalöses Spiel, das vor allem auf dem Rücken der Versicherten ausgetragen werden soll. Hier geht es nicht um eine Bagatelle. Hier geht es um rund 88 Millionen Lebensversicherungen, die mit dem Versprechen an die Menschen gebracht worden sind, dass man damit einen Teil seiner Altersvorsorge bestreiten würde. Und das wurde nicht nur jahrelang angepriesen, sondern auch noch steuerlich gefördert."
    Auch der Finanzexperte der Grünen, Gerhard Schick, moniert, dass das Gesetz diverse Geschenke an die Versicherungsbranche enthalte.
    "Im Gesetz war erst ein Vorschlag drin, der die Transparenz bei der Provision erzwungen hätte. Denn wir wissen ja, dass ganz viele Lebensversicherungen provisionsorientiert verkauft werden. Das manchmal die Leute umschichten und sehr viel Geld an Provision verlieren und damit nicht genug für die Altersvorsorge übrig bleibt. Und das ist jetzt auf den letzten Metern auf Druck der Versicherungslobby rausgenommen und an dessen Stelle eine andere Regelung gesetzt worden. Die aber leistet nicht, was notwendig wäre: Dass man nämlich weiß, ob der, der einem gegenüber sitzt bei der Beratung, ein finanzielles Interesse hat, einem genau diese Lebensversicherung anzubieten, weil er eine hohe Provision bekommt."
    EU-Kommission geht Transparenzthema an
    Statt Berlin hat sich nun Brüssel dieses Problems angenommen. Dort arbeitet die EU-Kommission an einer Verordnung, die alle europäischen Versicherer dazu verpflichtet, sämtliche Provisionskosten offen zu legen. Verbraucherschützer wie Axel Kleinlein begrüßen das. Er wundere sich schon längst nicht mehr über die vergleichsweise branchenfreundlichen Gesetze, die in Berlin gemacht würden:
    "Wer Schulden macht, braucht Menschen, die ihm Geld leihen. Und derjenige, der Schulden macht und Geld geliehen bekommt, der steht natürlich in einer gewissen Abhängigkeit von diesen Personen. Und unter dem Strich haben die Beiden gewonnen. Der Finanzminister konsolidiert seinen Haushalt und die Versicherungsunternehmer haben einen wohlgesonnenen Finanzminister, der dafür sorgt, dass nette Gesetze den Bundestag passieren."
    Bleibt die Frage, welche Zukunft die Lebensversicherung nach Inkrafttreten des Reformgesetzes noch hat. Unter Verbraucherschützern genießt sie schon lange einen schlechten Ruf. Zu teuer, zu wenig Rendite, zu intransparent lautet ihre Kritik. GDV-Präsident Erdland räumt ein, dass seine Branche ihre Produkte künftig mehr nach den Wünschen und der Lebenssituationen der Kunden ausrichten müssten. Daran arbeite man intensiv.
    "Wenn das so weiterginge, dann gäbe es Altersarmut in Deutschland. Die Rente reicht eben nicht. Und die Leute müssten eigentlich mehr sparen bei niedrigen Zinsen. Wir als Lebensversicherer werben dafür. Auch gerade eine Rentenversicherung wird eher noch wichtiger in der Zukunft als früher. Aber wir möchten, dass die Leute daran auch Freude haben – und darum geht es."
    Verbraucherschützer halten klassische Variante für gescheitert
    Schöne Worte, sagt Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten. Die Realität sehe jedoch anders aus. Er fordert ein komplettes Umdenken aller Beteiligten:
    "Die privaten, kapitalgedeckten Varianten, die von den Lebensversicherungsunternehmen angeboten werden, sind gescheitert. Das, was wir sehen, sind unrentable Produkte, die nicht zukunftsfähig sind und die auch nicht angenommen werden vom Markt. Das, was wir brauchen, ist ein politisches Signal aus Berlin, das sagt: Wir sind bereit, auf die Suche zu gehen, um einen Weg zu finden jenseits der gesetzlichen Rente und jenseits der Kapitaldeckung einer Versicherung. Wir brauchen einen dritten Weg."
    Entsprechende Signale seien aus Berlin bislang jedoch ausgeblieben. Der Hamburger Ökonom Martin Nell sieht neben dem Staat auch die Versicherten selbst in der Pflicht, sich intensiver mit dem Thema Altersvorsorge auseinanderzusetzen:
    "Ich glaube, dass Finanzwissen in Deutschland sehr wenig verbreitet ist. Ich plädiere seit Langem dafür, dass man zumindest Grundlagen von Finanzwissen in Schulplänen verankert. Und der zweite Punkt ist die wirklich sehr extreme Risikoscheu bei weiten Teilen der Bevölkerung. Das ist eine völlig andere Situation als zum Beispiel im angelsächsischen Bereich, wo es völlig selbstverständlich ist, dass auch in Pensionsplänen von Leuten, die nicht viel Geld haben, deutlich riskanter angelegt wird und das auch auf eine ganz andere Akzeptanz stößt."
    Nell geht davon aus, dass die Niedrigzinspolitik der EZB die Versicherer über kurz oder lang dazu zwingt, ihre Anlagestrategie anzupassen. Deshalb werde es zunehmend Produkte geben, bei denen die Versicherer keine jährlichen Garantiezusagen mehr abgeben, sondern lediglich eine Gesamtgarantie zu Vertragsende erfüllen müssen. Das gebe ihnen größere Freiheiten bei der Anlagestrategie.
    "Es wird eine Abkehr von diesen ganz traditionellen Garantien, es wird modifizierte Garantiekonzepte geben. Und ich glaube auch, dass das Produkt wie fondsgebundene Versicherungen, bei denen auf herkömmliche Garantien gänzlich verzichtet wird, eine größere Zukunft haben werden."
    Auch der Bad Zwischenahner Arne Hillje-Gerdes hat sich für eine solche fondsgebundene Rentenversicherung entschieden. 30 Euro monatlich will er in eine entsprechende Police einzahlen. Der Computer seines Versicherungsmaklers Thorsten Dörfler listet eine ganze Reihe von Angeboten auf:
    Dörfler: "Die ersten Ergebnisse kommen jetzt hier online. Wenn ich mir die Anbieter anschaue: Man wundert sich ja schon, weil viele sagen, 30 Euro ist vielleicht ein bisschen wenig, aber wenn man durchhält, kommen wir immerhin auf ein prognostiziertes Kapital in der Spitze von 28.840 Euro oder eine Gesamtrente von 124 Euro monatlich. Mein Vorschlag: Ich bereite das vor. Und wir treffen uns dann kurz wieder und besprechen die Vorschläge, denn es werden mit Sicherheit ein bis zwei Alternativen dabei sein."
    Hillje-Gerdes: "Gut, so machen wir das. Dann bedanke ich mich erst mal recht herzlich für das Beratungsgespräch. Tschüss!"