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Atheismus
Die Ächtung der Ungläubigen

Nicht zu glauben, ungläubig zu sein, war lange Zeit nicht nur in Europa eine Todsünde. Auch heute noch kann Atheismus in 13 islamisch geprägten Ländern mit dem Tod bestraft werden. Dabei ist der Unglaube vermutlich genauso alt wie der Glaube selbst, wie antike Texte zeigen. Und manchmal war er sogar der Karriere förderlich.

Eva-Maria Götz-Laufenberg | 19.01.2017
    Busse mit atheistischer Botschaft fahren in Großbritannien
    Busse mit atheistischer Botschaft fahren in Großbritannien (picture alliance / dpa / Andy Rain )
    Atheismus gibt es, seitdem es Religion gibt, meint die Heidelberger Historikerin Susan Richter. Zahlreiche Quellen, die belegen, dass Menschen die Existenz einer transzendentalen Macht anzweifeln, finden sich bereits in der Antike. Und auch da stand der Unglauben schon unter Strafe. Das gilt insbesondere für die Zeit der Spätantike und des frühen Christentums.
    "Etwa der Codex Justinianus hat im Jahr 529 bereits strafrechtliche Maßnahmen katalogisiert, wie mit einem "Apostaten", also einem der sich gegen Gott stellt, und von Gott abwendet, umzugehen ist, nämlich damit, dass ihm die Rechtsfähigkeit zu entziehen ist, und dass er kein Testament aufstellen darf, nicht zuletzt, um seine Ideen nicht zu vererben."
    Die Begründung für die Verfolgung atheistischer Vorstellungen liegt auf der Hand: Religionen waren immer mit Werten verbunden und diejenigen, die die Existenz eines Gottes leugneten, standen unter dem Verdacht, damit auch den moralischen Verhaltenskodex von Staat und Gesellschaft infrage zu stellen. Sie wurden zur Bedrohung.
    "Und deshalb gilt es, sich einer solchen Person zuzuwenden und sich zu überlegen, was macht man mit einer solchen Person? Ob sie außerhalb der Gesellschaft gestellt wird oder ob sie nach Möglichkeit sogar bestraft wird, oder ob sie ausgewiesen wird in ein Exil oder Ähnliches."
    Der Austritt wurde mit dem Tode bestraft
    Im christlichen Mittelalter durfte Unglaube nicht vorkommen, erläutert der Wiener Mediävist Peter Dinzelbacher. Die Kirche, seit dem 4. Jahrhundert Staatsreligion in weiten Teilen Europas, hatte ein wasserdichtes System geschaffen, aus dem niemand ungestraft ausbrechen konnte.
    "Man muss bedenken, dass es unbedingt obligatorisch war, ein Kind sofort nach der Geburt taufen zu lassen, damit war es in dem System drinnen, zweitens war die Möglichkeit eines Austritts aus diesem System nicht gegeben. Der Austritt, also die Apostasie, wurde mit dem Tode bestraft."
    Doch auch in diesem "Zeitalter des Glaubens" gab es Menschen, die zweifelten.
    "Ein besonders bekanntes Beispiel einer ganz hochrangigen Atheistin war die Gattin Kaiser Sigismunds, Barbara von Cilly. Diese hochadelige Frau hat tatsächlich gesagt, sie würde an kein Jenseits, an keinen Gott glauben, und hat ihre eignen Dienerinnen, die katholisch fromm waren, ausgescholten dafür, dass sie glaubten, man könne sich an eine transzendente Macht wenden. In diesem Leben gäbe es so etwas überhaupt nicht."
    Reformation schwächte die Macht der katholischen Kirche
    Barbara von Cilly, die von circa 1390 bis 1451 lebte und sich auch als Alchemistin einen Namen machte, war als Frau des Kaisers zu hochgestellt, als dass die allgegenwärtige Inquisition Zugriff auf sie bekommen hätte. Das war üblicherweise anders. Menschen, die die Existenz Gottes negierten, taten gut daran, ihre Einstellung zu verbergen, wollten sie nicht auf dem Scheiterhaufen enden.
    Erst, als in der frühen Neuzeit die antiken Schriften des Epikur und des Lukrez in den Fokus rückten, verbreiteten sich die Ideen der Gottesleugner. Die Reformation schwächte die Macht der katholischen Kirche, danach war Pluralismus möglich, atheistische Positionen wurden denkbar. Susan Richter:
    "Wir haben mit dem Voranschreiten der Zeit immer mehr wissenschaftliche Möglichkeiten, atheistische Vorstellungen zu begründen. Und deshalb ist es ein Phänomen, das immer breiter diskutiert wird. Dazu kommt auch eine gewisse Diskussionsfreiheit, wie wir sie etwa in der Aufklärung finden, dass diese Vorstellungen etwa in Diskursgemeinschaften, etwa in Salons, von Gelehrten europaweit brieflich, durchaus diskutiert wurden."
    Eine Gesellschaft kann auch ohne Gott ethisch sein
    Nicht nur der Buchdruck führte dazu, dass der Atheismus plötzlich bekannt und interessant wurde. Auch die ersten Reiseberichte aus dem fernen Orient wurden mit Aufmerksamkeit wahrgenommen. Schilderungen aus dem durch Konfuzius geprägten China zum Beispiel zeigten, dass eine Gesellschaftsordnung durchaus auch dann ethisch sein konnte, wenn kein Gott über dem Staat stand. Auch in Japan gab es keinen Begriff von Religion, der sich mit dem Christentum vergleichen ließ. Allerdings war dort der Buddhismus seit dem Mittelalter institutionalisiert. Seit 1650 gab es ein Gesetz zur Glaubensüberprüfung, nachdem sich jeder Japaner einer Tempelgemeinschaft in seinem Dorf anzuschließen und sich jährlich dort zu registrieren hatte. Auch das Bestattungswesen wurde ausschließlich über die buddhistischen Tempelgemeinden geregelt, wie der Heidelberger Professor für Japanologie, Hans-Martin Krämer erläuterte. Für das normale Volk war ein Austritt nicht möglich. Trotzdem hingen nicht alle Japaner dem Buddhismus an.
    "Es gibt nicht recht die Option des Atheismus, weil es gar nicht diesen emphatischen Glauben gibt, von dem man sich dann abwenden könnte, jedenfalls für die breite Bevölkerung. Es gibt allenfalls für eine Elite andere Wahrnehmung von Buddhismus und dann auch eine bewusste Abwendung davon."
    Das führte jedoch nicht zu Sanktionen, sondern war unter Umständen karriereförderlich:
    "Das war wiederum in einer bestimmten Elite ganz gängig und auch gar nichts Anrüchiges, sondern das war eher erwartet, dass man sich von dieser einfachen Volksreligiosität löst."
    Atheisten werden immer noch verfolgt
    Auch im aufgeklärten Europa konnte Atheismus den gesellschaftlichen Aufstieg fördern. So wurde die Schriften des französischen Arztes Julien Offray de la Mettre, in denen er die unsterblichen Seele leugnete und mit der Existenz Gottes auch dessen göttlichen Stellvertreter auf Erden, den französischen König, anzweifelte, nach Gerichtsbeschluss vom Henker von Paris öffentlich verbrannt. Er selbst wurde dadurch jedoch berühmt und vom preußischen König Friedrich II. 1751 an seinen Hof nach Berlin geladen. Vorübergehend war er sogar Mitglied der preußischen Akademie der Wissenschaften, bis seine ketzerischen Ideen auch dort auf Unmut stießen.
    Heute wird Atheismus weltweit allerdings immer noch bestraft, in 13 islamisch geprägten Ländern sogar mit dem Tod. Doch auch anderswo werden Atheisten weltweit verfolgt. Historikerin Susan Richter:
    "Wir haben Staaten wie Indonesien beispielsweise, wo wir einen Staat haben, der religionstolerant auftritt, aber ganz klar sagt, ein jeder Staatsbürger Indonesiens hat an eine der sechs offiziellen Religionen zu glauben."
    Vor Verfolgung geschützt sind Atheisten nur in wenigen Ländern. Und selbst in einem demokratischen, pluralistischen Land wie den USA ist es auch im Jahr 2017 noch undenkbar, dass ein bekennender Atheist Präsident wird.