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Auf die Europäische Investitionsbank setzen

"Als Teil einer Wachstumsstrategie ist es richtig, auch auf die Europäische Investitionsbank zu setzen und dort das Eigenkapital zu stärken", so die Einschätzung des finanzpolitischen Sprechers der Grünen-Fraktion im Bundestag, Gerhard Schick. Zusätzlich seien aber auch Einnahmeerhöhungen nötig.

Gerhard Schick im Gespräch mit Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: In Europa wird ein Murren hörbar lauter: Deutschland soll nicht alleine bestimmen und entscheiden, wie die Krise bekämpft werden soll. Eine Regierung nach der anderen stürzt darüber, dass sie der jeweiligen Bevölkerung heftige Sparopfer zumuten soll. Francois Hollande, der französische Präsidentschaftskandidat der Sozialisten, hat sich zum Wortführer gemacht. Sparen sei zu wenig, das ersticke nur das Wirtschaftswachstum. Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt die beginnende Protestwelle in Europa offenbar auf und plädiert jetzt für einen Wachstumspakt. Theo Geers aus unserem Hauptstadtstudio, was schwebt denn der Kanzlerin vor? [...]

    Mitgehört hat Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Guten Tag, Herr Schick.

    Gerhard Schick: Guten Tag!

    Meurer: Die Idee mit der Europäischen Investitionsbank hatten die Grünen auch schon, haben Sie mir vorhin gesagt. Also kein Trick, die EIB einzuschalten?

    Schick: Nein. Als Teil einer Wachstumsstrategie ist es richtig, auch auf die Europäische Investitionsbank zu setzen und dort das Eigenkapital zu stärken, damit diese zusätzlich Kredite ausleihen kann. Das kann kompensieren, dass die Bankensektoren in einigen Mitgliedsstaaten eben gerade nicht in der Lage sind, das entsprechend zu tun. Aber es kann natürlich nur ein Teil der Antwort sein und was jetzt gerade deutlich wird, ist ja, dass diese ausschließliche Sparpolitik, diese Austeritätspolitik von Merkel, im Moment Europa in die Sackgasse geführt hat, die Rezession, die Arbeitslosigkeit zunimmt und deswegen jetzt dringend nach einer Korrektur für diese falsche Krisenpolitik gesucht wird.

    Meurer: Bisher hat diese Europäische Investitionsbank ja eher ein Schattendasein geführt. Warum soll ausgerechnet eine solche Bank, von der so wenig bisher die Rede war, jetzt Europa nach vorne bringen können?

    Schick: Es ist die Förderbank der Europäischen Union, Eigentümer sind die 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, von daher ist sie prädestiniert, eine Rolle zu spielen, und es ist so, dass von dem Eigenkapital, was sie eigentlich hat, bisher nur wenig, nur etwa fünf Prozent eingezahlt sind. Das heißt, es ist da durchaus auch möglich, im Rahmen dessen, was die EIB bisher an Strukturen hat, das Eigenkapital zu stärken und deswegen zusätzliche Kreditvergabe zu ermöglichen, und das hat eine multiplizierende Wirkung, weil sie eben zusätzliches Fremdkapital aufnimmt und dann eben mehr als das Eigenkapital, was man reinsteckt, als Kredite ausreichen kann. So haben wir das ja in Deutschland auch gemacht, dass wir die KfW in der Konjunkturkrise 2009 genutzt haben. Man muss sich aber eines klar machen: Die Nachfragelücke, die in den nächsten Jahren entsteht durch die Austeritätspolitik, ist in einer Größenordnung von 235 Milliarden im Jahr in der Euro-Zone.

    Meurer: Deswegen fragt man sich, wie viel Geld wird das kosten, Kapital nachzuschießen für die Bank.

    Schick: Wenn man jetzt zehn Milliarden dort zusätzlich reingibt, selbst wenn man dazurechnet, dass dann noch Fremdkapital aufgenommen wird, wird das natürlich nicht ausreichen, um die Rezession, die die Mitgliedsstaaten insbesondere im Süden der Europäischen Union erfasst hat, wirklich aus der Krise zu bekommen. Die Arbeitslosigkeit ist ja zum Beispiel in Spanien deutlich angestiegen, fast jeder vierte Spanier ist arbeitslos. Das hat dramatische, auch soziale Konsequenzen, da wird das, was jetzt diskutiert wird, nicht ausreichen.

    Meurer: Sagen jetzt auch die Grünen, sparen allein ist zu wenig?

    Schick: Das haben wir von Anfang an gesagt: Es wird einen Mix brauchen aus Kürzungen bei den Ausgaben, aber eben auch Einnahmeerhöhungen. Da wird man nicht darum herumkommen. Wir schlagen für den Schuldenabbau in Deutschland ja eine Vermögensabgabe auf große Vermögen vor und man muss deswegen auch in der Europäischen Union jetzt schauen, dass die Einnahmesituation gestärkt wird. Deswegen sind wir für eine Finanztransaktionssteuer und deswegen wollen wir, dass die Unternehmenssteuer auf eine neue Grundlage gestellt wird, damit große Unternehmen sich eben auch der Steuerzahlung nicht mehr entziehen können. Es ist eben falsch, was vorher im Beitrag gesagt worden ist, niemand hat Geld in Europa. Die Staaten haben zu wenig Geld, weil sie ein strukturelles Einnahmeproblem haben, und teilweise geben sie auch zu viel aus und das falsche aus. Deswegen braucht es eben beides, eine Konsolidierungspolitik, aber auch eine Stärkung der Einnahmen, und da verweigert sich die Bundesregierung vollständig.

    Meurer: Aber Sie plädieren nicht für Konjunkturprogramme. Warum eigentlich nicht?

    Schick: Na ja, das Aufstocken des Eigenkapitals der EIB, das ist ein Konjunkturprogramm und wir setzen unseren Schwerpunkt auf Investitionen.

    Meurer: Aber zehn Milliarden ist natürlich bescheiden.

    Schick: Genau. Es kann nicht darum gehen, jetzt einfach den Konsum anzuregen, indem man einfach Geld rausgibt mit großen Defiziten, sondern wichtig ist jetzt, die Grundlagen zu legen für ein nachhaltiges Wachstum, denn in der Krise haben verschiedene Staaten auf nicht nachhaltige Wirtschaftsentwicklung gesetzt, auf einen Immobilien-Boom, der platzen musste, auf kreditfinanzierten Konsum, und die Antwort darauf muss jetzt eben sein, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu stärken, aber auch die Wirtschaft neu auszurichten. Wenn man sich anschaut, Griechenland, Spanien, Portugal haben eine sehr hohe Abhängigkeit von Energieimporten, importieren insbesondere sehr viel Erdöl, und da bietet sich natürlich an, durch eine Neuausrichtung in Richtung erneuerbare Energien auch wirklich Wertschöpfung und Arbeitsplätze in diesen Ländern zu schaffen, und das muss jetzt gemacht werden. Es geht deswegen auch nicht nur um das Geld in seiner Größenordnung, sondern es geht auch darum, die Wirtschaft neu auszurichten und gerade an den Schwachstellen, also fehlenden Stromnetzen, fehlenden Schienennetzen, anzusetzen, damit es eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung geben kann.

    Meurer: Gerhard Schick von den Grünen bejaht die Idee, die Europäische Investitionsbank einzuschalten für einen Wachstumspakt. Danke Herr Schick, und auf Wiederhören.

    Schick: Ja vielen Dank!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.