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CDU-Vorschläge zur Abschiebepolitik
"Das erhöht nur den Druck"

Schärfere Regelungen für Abschiebungen seien unnötig, sagte Thomas Oberhäuser, Fachanwalt für Asyl- und Ausländerrecht, im DLF. Die bestehenden Gesetze seien ausreichend. Deren Umsetzung scheitere,"weil sie oftmals die Mitwirkung von Staaten verlangt, die dazu nicht bereit sind", so Oberhäuser. Die Vorschläge der CDU brächten keine Lösung, sondern erhöhten lediglich den Druck.

Thomas Oberhäuser im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Der Schriftzug Asyl mit Gepäck tragenden Miniaturfiguren.
    Die CDU-Spitze hat einen Leitantrag geändert und will auf dem Parteitag in Essen für eine verschärfte Abschiebepolitik werben. Sie (imago / Ralph Peters)
    Martin Zagatta: Wie dringlich diese konsequentere Abschiebungspolitik jetzt ist, die die CDU zu ihrem Programm machen will dort in Essen, wie tauglich diese Forderungen in der Praxis sind, das kann ich jetzt Thomas Oberhäuser fragen. Er ist Fachanwalt für Asyl- und Ausländerrecht und auch Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Ausländer- und Asylrecht im Deutschen Anwaltsverein. Guten Tag, Herr Oberhäuser.
    Thomas Oberhäuser: Guten Tag.
    Zagatta: Herr Oberhäuser, dass abgelehnte Asylbewerber trotzdem in Deutschland bleiben, dass die große Mehrheit offenbar nicht abgeschoben wird, das beklagt ja jetzt nicht nur die Union. Sie haben täglich mit solchen Fällen zu tun. Sehen Sie denn da Handlungsbedarf oder diesen Handlungsbedarf, den die CDU jetzt sieht? Brauchen wir neue Regelungen?
    Oberhäuser: Dieser vermeintliche Bedarf, der existiert, solange es Ausländer in Deutschland gibt. Das ist nichts Neues, mitnichten, sondern im Gegenteil ist die Politik seit Jahren versucht, Kettenduldungen, Personen, die seit Jahren, Jahrzehnten geduldet sind, in einen legalen Aufenthaltsstatus zu überführen. Das sind Versuche, die oftmals scheitern, aber das Problem ist seit Jahren immer das gleiche. Natürlich ist jemand, der hier abgelehnt wurde, ausreisepflichtig, aber trotzdem lebt der Mensch weiter und baut Bindungen auf.
    Vielleicht ist er auch krank. Vielleicht gibt es Abschiebungshindernisse, die er überhaupt nicht zu vertreten hat, sonstiger Art. Das ist alles, was seit Jahrzehnten in der Praxis völlig bekannt ist, und die Regelungen, die jetzt angedacht werden, quasi nur den Druck zu erhöhen, dass die Leute freiwillig ausreisen, das ist sicherlich nicht der Königsweg.
    Zagatta: Aber es gibt zwei Punkte, die eigentlich relativ plausibel klingen. Da sagt jetzt die CDU, so habe ich Herrn Strobl zumindest verstanden, wer seine Personalien verschleiert, wer da falsche Angaben macht, dem soll zum einen gleich mal Geld gekürzt werden. Zum anderen soll das dann auch der Grund sein dafür, so jemanden abzuschieben. Ist das umzusetzen?
    Oberhäuser: Teilweise ist das auch heute schon der Fall. Das ist auch nichts Neues. Jemand, der im Asylverfahren falsche Angaben macht, der wird als offensichtlich unbegründet abgelehnt, der Asylantrag von dem Menschen, mit der Folge, dass er keinen Anspruch hat, ein Aufenthaltsrecht zu bekommen, es sei denn, es ist ein gesetzlicher Anspruch da. Und auch Leistungskürzungen sind ohne weiteres möglich.
    "Es ist nicht das Problem, dass die rechtlichen Instrumentarien nicht vorliegen"
    Zagatta: Wieso sind denn dann immer noch, wenn diese Zahl so stimmt, die jetzt von der Union genannt wird, 500.000 Menschen, die ohne Bleiberecht in Deutschland leben? Warum kann man diese Zahl nicht abbauen? Das steckt ja jetzt hinter diesen Forderungen.
    Oberhäuser: Auch diese Zahl ist - man muss sie genau anschauen. Was sind 500.000 Ausreisepflichtige? Das sind auch Personen, die man nicht abschieben kann, weil ihre Identität unklar ist. Da kann man sagen, das haben die ein Stück weit selber verursacht und deswegen zu verantworten. Dann gibt es aber auch jede Menge Leute, die krank sind, Leute, die hier Familienbindungen haben, die allerdings deswegen nicht unbedingt Aufenthaltsrecht bekommen.
    Zagatta: Sie sagen, unklare Identität, da kann man nichts machen, das ist dann so?
    Oberhäuser: Die unklare Identität ist für den Staat natürlich ein großes Problem. Aber zum anderen ist es auch teilweise für die Personen ein großes Problem. Wir kennen viele afrikanische Staaten, wo das Urkundswesen so schlecht ist, dass der deutsche Staat sagt, wir können nur durch Überprüfung vor Ort feststellen, ob die Identität tatsächlich die ist, die er angibt.
    Und diese Überprüfung vor Ort setzt die Mitwirkung voraus und setzt vor allem voraus, dass es dann auch Personen gibt, die das bestätigen können. Jetzt gibt es aber natürlich zahllose Fälle, wo man die Identität nicht prüfen kann, weil es niemanden gibt, den der Betroffene im Heimatland kennt.
    Zagatta: Da bewirkt diese Forderung von Thomas Strobl eigentlich nichts?
    Oberhäuser: In der Praxis ist ein Bereich sicherlich etwas, was man als druckerhöhend bezeichnen kann, nämlich diese erleichterten Abschiebungshaft-Bedingungen, die rechtlich auch hoch problematisch sind. Das führt zum Druckaufbau. Aber im Ergebnis ist doch das Problem nicht, dass die rechtlichen Instrumentarien nicht vorliegen, sondern das Problem ist, dass die Umsetzung ein rechtlich großes Problem ist, weil sie oftmals die Mitwirkung von Staaten verlangt, die nicht bereit sind mitzuwirken.
    "Es ist schwer herauszufinden, ob es nicht mehr ist als nur ein bloßer Verdacht"
    Zagatta: Gilt das auch jetzt für das, was da vorgeschlagen wird, wenn ein Asylbewerber, eventuell auch anerkannt, dann in sein Heimatland reist, dort Urlaub macht und wiederkommt, dass man dem dann die Einreise verweigern kann? Das soll ja jetzt neu so geregelt werden.
    Oberhäuser: Auch das ist nach dem jetzigen Recht bereits ein Erlöschungsgrund für die Asylanerkennung. Wenn jemand, der als Flüchtling anerkannt ist, ins Heimatland reist, dann führt das nach Gesetzeslage zum Erlöschen des Flüchtlingsstatus.
    Zagatta: Und wer setzt das dann nicht um? Das Thema wird ja immer wieder angesprochen von der Regierung.
    Oberhäuser: Weil es immer solche Vermutungen sind. Jemand, der, sagen wir, aus Syrien kommt und in die Türkei einreist, der könnte theoretisch relativ einfach nach Syrien gehen. Und warum der nun in der Türkei ist und nicht nach Syrien geht, weiß ja keiner. Vielleicht ist er auch in Syrien gewesen - merkt keiner, weil keine Grenzkontrollen stattfinden, weil kein Pass notwendig ist, um da einzureisen, jedenfalls teilweise.
    Und dann hat die Polizei die Vermutung, der war nicht nur in der Türkei, sondern in Syrien, und sagt dann, das ist so ein Fall, der ist im Heimatland gewesen. Aber das tatsächlich zu prüfen, ist schwer herauszufinden, ob das wirklich so gewesen ist und ob es nicht mehr als nur ein bloßer Verdacht ist.
    Zagatta: Ein schwieriges Feld, sagt Thomas Oberhäuser vom Deutschen Anwaltsverein. Herr Oberhäuser, ich bedanke mich ganz herzlich für diese Ausführungen, für dieses Gespräch.
    Oberhäuser: Keine Ursache. Schönen Tag Ihnen noch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.