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Doping
Dopingnahe Forschung in Ulm?

Im Dezember vorigen Jahres vertrat der Ärztliche Direktor der Universitätsklinik Freiburg Jörg Rüdiger Siewert hier im Deutschlandfunk zum Thema dopingnahe Forschung in seinem Hause eine klare und ablehnende Meinung. Da Doping das Unwort des Jahrzehnts sei, finde sich keiner mehr, der in diesem Dunstkreis Forschung macht. Er sei sich ziemlich sicher, dass das kein Thema mehr ist. 150 Kilometer entfernt, in Ulm, scheint man über dieses Thema völlig anders zu denken.

Von Ralf Meutgens | 26.02.2017
    Eine Spritze ist vor dem Wort "Doping" zu sehen. Illustration
    Eine Spritze ist vor dem Wort "Doping" zu sehen. Illustration (dpa picture alliance / Patrick Seeger)
    Die Uniklinik Ulm beabsichtigt, eine klinische Studie zu Nebenwirkungen von beta-2 Mimetika durchzuführen. Bekannt sind diese verschreibungspflichtigen Medikamente in erster Linie als Asthmasprays, aber auch als Dopingmittel, besonders im Ausdauersport. Deshalb stehen sie auf der Liste der verbotenen Mittel. Der zuständige medizinische Leiter der Studie ist Professor Jürgen Steinacker. Er ist zudem als Mannschaftsarzt im Deutschen Ruderverband tätig, Vorsitzender der Sportmedizinkommission im Weltruderverband und Mitglied des medizinischen Forschungs-Komitees der Welt-Anti-Doping-Agentur, WADA. Laut der Uni – in Rücksprache mit Mediziner Steinacker - ist das Ziel der Studie, die Wirkung der Beta-2-Mimetika auf die Muskulatur näher aufzuklären. Die Fragestellung sei relevant für die Antidopingarbeit der WADA. Ob Veränderungen der Anti-Dopingregeln aus dieser Studie resultieren, könne zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht beantwortet werden.
    Und die WADA bestätigt: Sie finanziert diese Studie.
    Die Ethikkommission der Universität Ulm, die ein solches Forschungsvorhaben absegnen muss, gibt grundsätzlich keinerlei Auskünfte. Nicht zu Antragstellern, Forschungen oder ihren Entscheidungen.
    Genehmigungsverfahren ohne ethische Kontrolle
    Zurzeit liegt der Antrag darüber hinaus dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zur Prüfung, BfArM, vor. Damit die Sicherheit der Teilnehmer gewahrt wird, prüfen die Wissenschaftler des BfArM jede klinische Studie, erläutert Pressesprecher Maik Pommer. Zu laufenden Verfahren könne er keine weitere Auskunft geben. Ethische Aspekte spielen bei dieser Überprüfung keine Rolle.
    Grundlegende Zweifel an dopingnaher Forschung hegt der Lübecker Physiologe Wolfgang Jelkmann. Schon in seinem Abschlussbericht der Untersuchungskommission zur Dopingvergangenheit an der Uni Freiburg hatte Jelkmann unmissverständlich auf die Problematik hingewiesen, Die Ergebnisse derartiger Arbeiten hätten kaum klinische Relevanz, könnten aber potentiellen Doping-Sündern nützliche Hinweise geben. Außerdem kritisiert er, dass die sportmedizinische Abteilung an der Betreuung von Spitzensportlern beteiligt war."
    Gemeint ist Freiburg, doch letzteres trifft auch auf Ulm zu, denn die dortige Sportmedizin unter ihrem Leiter Steinacker ist zudem als Untersuchungszentrum des Deutschen Olympischen Sportbundesfür Kadersportler lizensiert.
    Missbrauch nicht ausgeschlossen
    Beim DOSB heißt es dazu: Man halte eine strikte Trennung von Betreuung der Sportler und dopingnaher Forschung für unverzichtbar. Man habe mit Steinacker bereits über sein Studienansinnen gesprochen und halte eine Aussetzung oder Kündigung der Lizensierung für möglich, erklärt der DOSB auf Anfrage. Die WADA lässt Fragen zu diesem möglichen Interessenkonflikt unbeantwortet.
    In Ulm sollen gesunde Probanden mit hochpotenten Medikamenten behandelt werden.
    Einen Vorteil für Patienten, die auf diese Medikamente angewiesen sind, sehen Fachleute wie Wolfgang Jelkmann durch diese Studie nicht. Und ein Missbrauch der Ergebnisse kann offenbar nicht ausgeschlossen werden. Besonders, wenn Studien dieser Art von Medizinern durchgeführt werden, die im Leistungssport über ihre Ämter exzellent vernetzt sind.