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Flisek zum Anti-Terror-Paket
"Da sind einige Punkte drin, die sind auch kritisch"

"Ich werde diesem Gesetz zustimmen, weil ich glaube, dass dort eine Reihe notwendiger Maßnahmen angegangen wird", sagte der SPD-Datenschutzexperte Christian Flisek im DLF. Gleichzeitig kritisierte er den Gesetzentwurf zum Informationsaustausch mit ausländischen Geheimdiensten zur Terrorabwehr. An vielen Stellen sei er "zu dünn" - besonders wenn es um das rechtsstaatliche Niveau einiger Länder gehe.

Christian Flisek im Gespräch mit Thielko Grieß | 23.06.2016
    Der SPD-Abgeordnete Christian Flisek bei einer Rede im Bundestag am 6.5.2015.
    Der SPD-Abgeordnete Christian Flisek bei einer Rede im Bundestag. (picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini)
    Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zeige einen engen Korridor auf, stellte Flisek fest, der auch Obmann der SPD im NSA-Untersuchungsausschuss fest. Die geplante Zusammenarbeit mit NATO-Staaten wie der Türkei, Montenegro oder Albanien, aber auch die Informationsweitergabe an Länder wie Ägypten oder Tunesien seien verfassungsrechtlich kritisch. Was das rechtsstaatliche Niveau in solchen Ländern angehe, müsse man sich letztendlich auf Zusicherungen verlassen. Ebenso darauf, dass die Zweckbindung der Dateinweitergabe eingehalten werde.
    Besondere Verantwortung laste auf dem Bundesinnenminister, betonte Flisek. Dieser müsse jeweils entscheiden, ob er eine Ermächtigungsbefugnis erteile. "Ich gehe davon aus, dass sich der Bundesinnenminister die Entscheidung nicht leicht machen wird", so Flisek.
    In dem Paket ist unter anderem vorgesehen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz gemeinsame Dateien zu Terrorverdächtigen mit wichtigen ausländischen Nachrichtendiensten betreiben kann.

    Das Interview in voller Länge:
    Thielko Grieß: Wie will die Bundesregierung internationalen Terror bekämpfen? Über eine Antwort wird demnächst im Deutschen Bundestag abgestimmt, voraussichtlich morgen, am Freitag. Die Bundesregierung will es Behörden erleichtern, Informationen auszutauschen auch mit ausländischen befreundeten Partnerdiensten. Ein Erklärsatz von Thomas de Maizière, dem Bundesinnenminister:
    O-Ton Thomas de Maizière: "Worum es jetzt bei diesem Terrorpaket geht, ist das Folgende. Wir ermächtigen den deutschen Dienst, das Bundesamt für Verfassungsschutz, mit europäischen Partnern, mit NATO-Partnern und diesen gleichgestellten Staaten einen gemeinsamen Datenaustausch in Form gemeinsamer Dateien vorzunehmen."
    Grieß: Thomas de Maizière vor zwei Wochen hier im Deutschlandfunk. - An diesem Informationsaustausch, an diesem geplanten Gesetz gibt es scharfe Kritik zum Beispiel von der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff. Sie hat "erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken". 16 Seiten lang ist ihre Stellungnahme, jede Seite klingt ähnlich: zu unbestimmt, zu großzügig, Grundrechte würden nicht geschützt. Darüber spreche ich jetzt mit Christian Flisek (SPD), Datenschutzexperte, Abgeordneter der SPD im Deutschen Bundestag für Passau und das Umland. Guten Morgen!
    Christian Flisek: Guten Morgen, Herr Grieß.
    Grieß: Datenaustausch mit dem Ausland, ständig, nicht auf Anfrage, viel häufiger, viel automatisierter, das ist geplant, zum Beispiel mit NATO-Staaten. Dürfen deutsche Bürgerdaten in die Hände der Türkei, Albaniens oder Montenegros einfach so fallen?
    Flisek: Nein! Einfach so fallen dürfen sie nicht. Wir haben ein sehr strenges Datenschutzrecht. Wir haben ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung in unserer Verfassung und das zeigt einen sehr engen Korridor für so etwas auf und den gilt es natürlich zu beachten. Und da ist es natürlich jetzt auch so, dass bei diesem konkreten Gesetz sowohl - Sie haben die Kritik der Datenschutzbeauftragten angesprochen - man sehr genau hingeschaut hat und auch hinschaut, und ich sage es sehr offen: Da sind einige Punkte drin, die sind auch kritisch.
    Grieß: Es ist ja nicht so, dass sich das im Gesetz irgendwie niedergeschlagen hätte. Dort ist nirgendwo festgeschrieben, unter welchen Bedingungen dieser Austausch genau stattfinden soll, jedenfalls nicht konkret.
    Flisek: Na ja, gut. So einfach würde ich es jetzt nicht sagen, sondern es sind schon sehr strenge und enge Voraussetzungen drin, unter denen eine solche Datei angelegt werden kann, die dann dem Austausch dient. Für besonders schwerwiegende Straftaten darf das nur der Fall sein, das ist zum Beispiel so eine enge Voraussetzung. Das muss eine sehr besondere Gefährdungslage sein, das gilt nicht für Allerweltsstraftaten. Das ist mal ein Punkt. Der entscheidende Punkt ist aber, …
    "Gehe von einer verfassungsrechtlichen Überprüfung aus"
    Grieß: Aber bei besonderen Straftaten, da fallen dann immer noch etliche Kategorien darunter. Es ist auch nicht klar, wie man wieder aus dieser Datei herauskommt, wenn man erst mal drin ist.
    Flisek: Für mich der entscheidende Punkt ist doch vielmehr der: Sie haben ja eine Reihe von Ländern angesprochen. Wie stelle ich sicher bei einer Kooperation mit diesen Ländern, dass das rechtsstaatliche Niveau in diesen Ländern gewährleistet ist. Und da, sage ich sehr offen, wird es bei dem Gesetzentwurf dünn. Das ist sicherlich auch eine der Hauptangriffsflächen, wenn es tatsächlich zu einer verfassungsrechtlichen Überprüfung kommen würde, von der ich mal jetzt ausgehe.
    Grieß: Ich auch. Die Grünen auch.
    Flisek: Wir haben die ähnliche Problematik ja auch derzeit, die verhandeln wir ja im NSA-Untersuchungsausschuss, da bin ich SPD-Obmann. Es geht grundsätzlich mal um die Einschätzung, wir brauchen Kooperationen zwischen Geheimdiensten, und dazu gehört auch der Datenaustausch. Wenn wir innerhalb Europas einen offenen Raum haben, wenn wir keine Grenzkontrollen mehr in dieser Form haben, dann muss es möglich sein, dass Nachrichtendienste Daten austauschen. Das ist mal das eine. Innerhalb Europas haben wir da sicherlich auch kein Problem.
    Schwierig, "rechtsstaatliches Niveau zu kontrollieren"
    Grieß: Herr Flisek, der Datenaustausch ist auch mit Ländern geplant, die keine so strikte Trennung haben zwischen Geheimdiensten und Polizei. Wie kann das sein, dass diese deutschen Prinzipien, die sich bewährt haben, unter die Räder geraten?
    Flisek: Der Gesetzentwurf sieht jetzt vor, dass sich die deutsche Seite sozusagen vergewissern muss, ob rechtsstaatliche Prinzipien bei der Anwendung dieser Dateien und Daten gewährleistet sind. Da stellt sich zurecht die Frage, wie macht man das. Hat wirklich die deutsche Seite irgendeine Handhabe, beispielsweise in kritischen Ländern - ich möchte jetzt gar nicht irgendwelche Namen hier nennen; das wäre unfreundlich am frühen Morgen -, haben wir eine Handhabe als Deutsche, tatsächlich dann in diesen Ländern beispielsweise das rechtsstaatliche Niveau zu kontrollieren?
    Grieß: Haben wir? Haben wir eine Handhabe?
    Flisek: Aus meiner Sicht läuft das darauf hinaus, dass man sich auf Zusicherungen verlässt, Zusicherungen der Gestalt, dass die Zweckbindung des Gesetzes eingehalten wird, dass die Zweckbindung der Datensammlung, der Datenweitergabe eingehalten wird, und das kann man dann glauben oder eben auch nicht. Und wir verhandeln ja im NSA-Untersuchungsausschuss bereits, dass wir selbst im Verhältnis zu Staaten wie den Vereinigten Staaten von Amerika hier das Ganze sehr, sehr kritisch sehen, etwa bei der Weitergabe von Daten, die eventuell für Drohneneinsätze ja gebraucht werden können.
    Grieß: Das Problem, Herr Flisek, ist ja noch größer. Der Bundesinnenminister kann nach diesem Gesetzestext entscheiden, Daten auch Ländern außerhalb der Europäischen Union und der NATO zur Verfügung zu stellen. Nehmen wir an Ägypten, Tunesien, alles Länder, denen Sie Ihre Daten zur Verfügung stellen würden wollen, wollen würden? Meine auch?
    "Bundesinnenminister muss Abwägung vornehmen"
    Flisek: Na ja. Zunächst einmal ist es ja so, dass die Ermächtigungsbefugnis des Bundesinnenministers ein restriktives Element ist. Es ist so, dass der Bundesinnenminister entscheiden muss, ob in einer Kooperation mit bestimmten Ländern ein solcher Austausch stattfinden darf. Es ist also ein einschränkendes Element. Er muss sozusagen eine Abwägung vornehmen, ob aufgrund der Zusicherung des jeweiligen Landes er der Meinung ist, dass hier tatsächlich das rechtsstaatliche Niveau gewährleistet ist oder nicht. Und ich gehe mal davon aus, dass sich der Bundesinnenminister das jetzt nicht so leicht machen wird.
    Grieß: Er wird das Parlament aber nicht fragen müssen.
    Flisek: Nein, er wird das Parlament in der Situation nicht fragen müssen. Das ist richtig. Gleichwohl ist er natürlich mit den Entscheidungen, die er trifft - die sind ja dann nicht geheim -, dem Parlament und der Kontrolle des Parlaments verantwortlich, und das wird sicherlich auch immer wieder bei der Anwendung eines solchen Gesetzes in der Praxis ein Thema sein.
    Grieß: Wir haben jetzt in den vergangenen Minuten, Herr Flisek, Ihre Bedenken gehört. Morgen soll es voraussichtlich die Abstimmung darüber geben im Deutschen Bundestag. Mit Ihrer Stimme?
    Flisek: Ich werde zustimmen diesem Gesetz, ja, weil es nach meiner Auffassung ja ein Gesetz ist, das nicht nur diese Dateien vorsieht, die den Austausch von Informationen gewährleisten. Wir haben eine ganze Fülle von anderen Maßnahmen, die auch in diesem Gesetz drin sind, und unter Abwägung aller Aspekte werde ich diesem Gesetz zustimmen, weil ich glaube, dass dort auch eine ganze Reihe von notwendigen Maßnahmen angegangen worden sind.
    Grieß: Christian Flisek (SPD), Datenschutzexperte im Deutschen Bundestag. Herr Flisek, danke für das Gespräch.
    Flisek: Vielen Dank für das Gespräch.
    Grieß: Einen guten Tag!