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Familiennachzug
BAMF geht von 500.000 weiteren Flüchtlingen aus

Die Angst vor Millionen zusätzlichen Menschen entbehrt laut einem Bericht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge jeglicher Grundlage. Im Durchschnitt gehe man von einem Familienmitglied eines als Flüchtling anerkannten Syrers aus. In der Regel dürfen nur Ehegatten und Kinder nachreisen sowie Eltern von unbegleiteten Minderjährigen.

Von Gudula Geuther | 08.06.2016
    Farbfoto von zwei Personen, die in einem Hausflur stehen und in die Kamera lächeln. Es sind ein kleines ca. siebenjähriges Mädchen und ihr erwachsener Bruder, Flüchtlinge aus Syrien.
    Rodi Hasan und seine Schwester Zeinab sind Kurden und stammen aus der syrischen Stadt Kamischli. Rodi Hasan möchte im Namen der Schwester einen Antrag auf Familiennachzug für seine Eltern und zwei Schwestern stellen. ((c) dpa/Michael Kappeler)
    Zwischenzeitlich hatten Innenpolitiker vor allem der Union gewarnt, über den Familiennachzug könnte sich die Zahl der Flüchtlinge vervielfachen. Ein Bericht aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge relativiert das nun. Demnach rechnet man in der Nürnberger Behörde damit, dass im Schnitt jedem der als Flüchtling anerkannten Syrer ein Familienmitglied folgt. Stimmte die Rechnung, kämen in den kommenden Monaten oder Jahren um die 500.000 weitere Syrer über diesen Weg nach Deutschland. Der Innenpolitiker der Grünen Konstantin von Notz überrascht das nicht.
    Eltern, Ehegatten oder Kinder
    "Leute, die ihre Familien in Aleppo haben, die haben natürlich das Bedürfnis, die in Sicherheit zu bringen, das kann man gut nachvollziehen. Aber vor allem ist festzuhalten, dass die Zahlen, die noch vor einigen Monaten von manchen in den Raum gestellt wurden, offenbar jeder Grundlage entbehren und diese Angst vor Millionen zusätzlichen Menschen, die da nachkommen, das war eine geschürte Angst."
    Die Süddeutsche Zeitung berichtet über das Papier, das Ende vergangenen Jahres verfasst wurde. Darin untersuchen die Experten das Alter und die Zahl der Kinder der nach Deutschland geflüchteten. Und stellen die stetig gestiegene Zahl bereits mitgereister Familienangehöriger mit ein. In aller Regel dürfen nur Ehegatten und Kinder von Flüchtlingen nachreisen. Bei unbegleiteten Minderjährigen die Eltern. Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka relativiert, ebenso wie der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, der CSU-Politiker Stephan Mayer.
    "Wir wissen, dass über den Familiennachzug in den letzten Jahren im unteren fünfstelligen Bereich tatsächlich Anträge gestellt worden sind. Und ich vermute, dass sich hieran Gravierendes in den nächsten Monaten nicht ändern wird."
    Deutsche Botschaft in Beirut völlig überlastet mit Anträgen
    Aus meiner Sicht muss man wirklich erst einmal abwarten, wie sich der Familiennachzug gestaltet. Derzeit stellt der Familiennachzug, was die tatsächlichen Zahlen angeht, kein dramatisches Problem dar."
    Das allerdings liegt auch an rein praktischen Problemen. Den Antrag müssen die Angehörigen in einer der deutschen Botschaften in den Syrien-Anrainerstaaten stellen, praktisch vor allem in Beirut und den drei Auslandsvertretungen der Türkei. Vor allem die Botschaft in Beirut ist völlig überlastet. Im Bundesamt geht man deshalb davon aus, dass es lange dauern wird, bis alle Angehörigen in Deutschland angekommen sind.
    2015 und Anfang 2016 hat Deutschland etwa 500.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen. Ein großer Teil davon hat einen Flüchtlingsstatus nach der Genfer Konvention. Allerdings steigt offenbar die Zahl derjenigen, die nur einen subsidiären Schutzstatus zuerkannt bekommen. Sie dürfen frühestens nach zwei Jahren Angehörige nachholen. In diesem Jahr soll das mehr als jeden vierten Syrer betroffen haben, das schrieb die Bundesregierung der innenpolitischen Sprecherin der Linkspartei Ulla Jelpke auf deren Anfrage. Sie nennt diese Entwicklung alarmierend. Der CSU-Politiker Mayer dagegen zeigt sich zufrieden.
    Syrer, Iraker, Afghanen: seltener straffällig als andere Zuwanderer
    Neue Zahlen ganz anderer Art veröffentlichte derweil das Bundeskriminalamt in seinem neuen Lagebild Zuwanderung und Kriminalität, das seit dem starken Anstieg der Flüchtlingszahlen im vergangenen Jahr erhoben wird.
    Unter Zuwanderern versteht das BKA dabei grob gesagt die, die als Asylbewerber nach Deutschland gekommen sind. Demnach sind die Straftaten an Zuwanderern um sieben, die durch Zuwanderer um mehr 18 Prozent gesunken. Dabei geht es – wie auch zuvor – vor allem um Alltagsstraftaten. Delikte, die nur Ausländer begehen können, wie etwa die illegale Einreise, waren und sind nicht erfasst.
    Knapp jede dritte Straftat war dabei ein Diebstahl. Ebenfalls knapp ein Drittel ein Vermögens- oder Fälschungsdelikt – überwiegend Schwarzfahren. Wie in früheren Erhebungen werden Syrer, Iraker und Afghanen deutlich seltener straffällig als andere Zuwanderer.