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Kemmer: EZB soll Bankenaufsicht übernehmen

Um weiteren Zuspitzungen der Schuldenkrise entgegenzuwirken, sollen künftig europaweit alle Banken von einer Institution kontrolliert werden. Momentan sei die Europäische Zentralbank (EZB) die einzige Institution, die dafür infrage kommt, meint Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken.

Michael Kemmer im Gespräch mit Silvia Engels | 05.09.2012
    Silvia Engels: Der Umgang mit der Schuldenkrise hat mehrere Facetten. Da geht es manchmal um die Staatsverschuldung, daneben zeigen aber auch Beispiele wie Irland oder Spanien, dass Auslöser für eine Zuspitzung der Krise auch ein maroder Bankensektor sein kann. Deshalb wird nun intensiv darüber diskutiert, ob und wie die Aufsicht über europäische Banken verbessert werden kann. Am Telefon begrüße ich Michael Kemmer, er ist der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken. Guten Morgen, Herr Kemmer.

    Michael Kemmer: Guten Morgen.

    Engels: Herr Kemmer, laut den Plänen der EU-Kommission sollen künftig alle Banken, also europaweit über 6000, von einer Institution kontrolliert werden. Eine gute Idee?

    Kemmer: Ja. Ich glaube, das ist schon eine gute Idee, weil wenn wir mehr Europa wollen, dann müssen wir auch schauen, dass wir die Banken nach einheitlichen Regeln europaweit beaufsichtigen. Und ich glaube, es geht auch nicht darum, dass die EZB die Sparkasse in Kleinkleckersdorf mit genau den gleichen Mitteln und genau den gleichen Regeln beaufsichtigt wie die Deutsche Bank, sondern da gibt es den Grundsatz der sogenannten doppelten Proportionalität. Das klingt ein bisschen technisch, geht aber letztlich darauf hin, dass je kleiner die Bank ist, desto geringer wird sie auch beaufsichtigt. Das ist heute schon so und das kann man und muss man auch unter einer EZB-Aufsicht so beibehalten. Und ich glaube, wenn diese Regel eingehalten wird, dann spricht gar nichts dagegen, europaweit nach einheitlichen Regeln zu beaufsichtigen.

    Engels: Innerhalb der deutschen Banklandschaft wird darüber aber gestritten, denn der Sparkassenverband hat angekündigt, dass er nur will, dass große Banken europäisch kontrolliert werden. Es sei eben nicht nötig, jetzt auch tief in die Ebene zu gehen, das würde eigentlich die Institution überfordern und auch einfach keinen Sinn machen.

    Kemmer: Das ist sicherlich eine Frage der Schrittfolge. Zunächst würde es die EZB sicherlich überfordern, alle 6000 Banken in Europa auf einmal zu beaufsichtigen. Die EZB muss mit den großen Banken anfangen, das ist vernünftig, und letztlich wird die Rolle der nationalen Aufseher auch eine ganz wichtige bleiben. Letztlich kann die EZB auch nicht alle 6000 Banken selbst beaufsichtigen, sie wird sich dazu der nationalen Bankenaufseher bedienen müssen so wie heute. Das ist vernünftig.

    Aber wichtig ist, dass die EZB sozusagen die Oberhoheit hat und die Regeln setzt und darüber wacht, dass überall europaweit nach gleichen Regeln beaufsichtigt wird, und das ist ja ein Thema, das gar nicht so sehr von Bedeutung ist für Deutschland. Schauen Sie beispielsweise nach Spanien: In Spanien ist ja die momentane Krise von dem dortigen Sparkassensektor ausgelöst worden, der strukturell mit unserem Sparkassensektor nicht vergleichbar ist. Gleichwohl sind das aber alles Banken, die nicht systemrelevant sind.

    Das heißt, wenn wir die EZB-Aufsicht nur auf die großen Häuser beschränken würden, dann würden diese ganzen kritischen Banken gar nicht unter eine einheitliche europäische Aufsicht fallen, und dann würde das ganze System eigentlich von vornherein verpuffen.

    Engels: Jetzt halten wir aber fest, dass der Sparkassenverband, der ja auch ein wichtiger Bankenverband ist, eine ganz andere Meinung hat als Sie vom Bundesverband der Deutschen Banken. Können sich denn die deutschen Banken insgesamt leisten, hier zu streiten und gegenüber der EU nicht einheitlich aufzutreten?

    Kemmer: Ich glaube, dass die Bankenaufsicht durch die EZB vom Grundsatz her eine vernünftige Idee ist. Da haben wir überhaupt keinen Dissens. Das heißt also, die Übereinstimmungen sind weitaus größer, als es so auf den ersten Blick erscheint. Die Frage, ob die kleinen Banken nur durch die deutsche Bankenaufsicht beaufsichtigt werden, so wie bisher auch - das ist momentan die Position der Verbünde, also der Sparkassen und Genossenschaftsbanken -, oder ob nicht eigentlich die EZB als regelsetzende Behörde da noch drüberstehen muss, ist meines Erachtens nicht so kriegsentscheidend.

    Wie gesagt: Uns ist es wichtig, dass wir den Grundsatz haben, gleiches Geschäft, gleiche Risiken, gleiche Regeln, und zwar europaweit, und ich glaube, wenn wir die richtige Schrittfolge einhalten, dann werden wir das hinbekommen. Und wie gesagt: Ich glaube, dass der Dissens, der momentan auch ein bisschen aufgebauscht ist, so riesengroß gar nicht ist.

    Engels: Dann schauen wir auf einen anderen Aspekt, wo Sie sagen, da gibt es in der Bankenlandschaft gar keinen Dissens, nämlich darüber, dass es eine gute Idee sei, die Europäische Zentralbank diese Bankenaufsicht übernehmen zu lassen. Das sehen ja jetzt auch viele Experten anders, die Europäische Zentralbank solle jetzt nicht auch noch diese Kontrollaufgabe übernehmen, für die sie gar nicht vorgesehen ist. Nehmen Sie diese Kritik an?

    Kemmer: Die Europäische Zentralbank hat zunächst eine andere Funktion. So gesehen ist die Kritik durchaus nicht von der Hand zu weisen. Die Europäische Zentralbank muss Geldpolitik betreiben. Die vornehmste Aufgabe der Europäischen Zentralbank ist es, die Preisstabilität zu halten. Und da gibt es Sorgen darüber, ob es hier nicht einen sogenannten Conflict of Interest, also einen Interessenkonflikt geben könnte, wenn die EZB auch die Bankenaufsicht übernimmt.

    Deshalb ist es vernünftig – und so hat es auch die EU-Kommission vorgeschlagen -, dass das getrennt wird, dass es sogenannte Chinese Walls gibt zwischen der Aufsichtsinstitution EZB und der geldpolitischen Institution EZB. Es wird über ein Holding-Modell diskutiert, dass also die EZB eine Tochtergesellschaft gründet, die dann für die Bankenaufsicht zuständig ist. Ich glaube, wenn es so läuft, ist es durchaus vernünftig.

    Vor allem ist es so, dass die EZB ja im Moment in Europa eigentlich die einzige Institution ist, die dafür grundsätzlich infrage kommt. Sie wird noch Kapazitäten zusätzlich aufbauen müssen, aber die EZB ist eine große und unabhängige Institution und eine starke europäische Institution. Ich glaube, sie kann das. Sie wird allerdings bei Fragen der Bankenaufsicht sich auch einer parlamentarischen Kontrolle unterwerfen müssen. Das ist anders als bei Fragen der Geldpolitik. Auch darüber gibt es Konsens. Also ich glaube, die EZB ist hier schon die richtige Institution, um dieses durchzuziehen, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass ja in ganz vielen Ländern die Notenbank alleiniger Bankenaufseher ist, und bei uns ist ja die Bundesbank auch immerhin gemeinsam mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen auch Bankenaufseher. Also so was komplett Neues wäre es nicht.

    Engels: Aber um den Konflikt noch mal deutlich zu machen, kann man ja in ein Beispiel gehen. Die EZB – Sie haben es angesprochen – hat die Aufgabe, die Geldmenge zu steuern, sie gibt also Geld an Geschäftsbanken, liefert Liquidität. Kann sie da zugleich auch die Institution sein – und sei es noch so sorgfältig getrennt -, die kontrolliert und dann vielleicht feststellt, mit der Geldversorgung an die Bank X eben einen Fehler gemacht zu haben, weil die in Schieflage gerät? Also verlangt man da eine Schizophrenie von der EZB?

    Kemmer: Da legen Sie natürlich genau den Finger in die Wunde. Das ist ein Fall, wo ein solcher Interessenkonflikt tatsächlich hochkommen könnte, und dem kann man nur dadurch begegnen, dass man sicherstellt, dass innerhalb der EZB zwei möglichst weit voneinander getrennte Einheiten für die Bankenaufsicht zuständig sind. Ich glaube, das geht, aber man muss hier schon den institutionellen Rahmen sehr sorgfältig planen und ausführen, damit es genau zu dem Interessenkonflikt, den Sie durchaus zurecht beschreiben, nicht kommt.

    Wenn wir aber sagen, die EZB kann es nicht sein, dann fehlt mir ein bisschen die Fantasie, welche europäische Institution tatsächlich für eine europäische Bankenaufsicht geeignet sein könnte. Die müsste dann neu geschaffen werden, und dann sprechen wir natürlich über einen ganz, ganz anderen Zeitrahmen als der, den wir uns momentan vorstellen.

    Engels: Viele Fragen also noch offen – Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Banken. Vielen Dank für das Gespräch.

    Kemmer: Gerne!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.