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Macht des Fussballs
Wie eine Sportart unsere Gesellschaft dominiert

Nach einem nervenaufreibenden Finale kickte sich die deutsche Nationalmannschaft im Juli zum Weltmeistertitel und das ganze Land stand Kopf. Durch den Millionenpoker um Übertragungsrechte, die engen Verknüpfungen zwischen Politik, Sport und Wirtschaft und den internationalen Erfolg deutscher Mannschaften hat sich das Land in den vergangenen Jahren ein schweres Fußball-Fieber eingefangen - mit teils absurden Nebenwirkungen.

Von Moritz Küpper |
    Fans der deutschen Mannschaft in Sao Paulo fiebern mit während des Finales um die Fußball-Weltmeisterschaft.
    Fans der deutschen Mannschaft in Sao Paulo fiebern mit während des Finales um die Fußball-Weltmeisterschaft. (picture alliance / EFE / Carlos Villalba Racines)
    In exakt einer Stunde und fünfzig Minuten geht es los. Dann wird in der Münchener Allianz-Arena die Bundesliga-Saison 2014/2015 angepfiffen. FC Bayern München gegen den VfL Wolfsburg, so heißt das erste Spiel der nunmehr 52. Spielzeit. Der offizielle Startschuss für diese Saison fiel allerdings schon vorher, vor rund zwei Monaten.
    "Bitte alle Handys ausschalten, wer es noch nicht gemacht hat. Und ansonsten: Viel Spaß!"
    Frankfurt am Main, 24. Juni. Im Schatten der Deutschen Bank-Türme hat die Deutsche Fußball-Liga, kurz DFL, ihren Sitz und im sechsten Stock zur Präsentation des offiziellen Spielplans geladen. Auf dem Podium sitzen DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig und Pressesprecher Dirk Meyer-Bosse – und warten...
    "Während der WM ist vor Bundesliga – und damit herzlich Willkommen zur Vorstellung der Spielpläne der Saison 2014/15 für die Bundesliga und die 2. Bundesliga..."
    Zu diesem Zeitpunkt in Frankfurt ist noch nicht klar, wie erfolgreich dieser Fußball-Sommer sein wird: Noch läuft die Gruppenphase. Fünf Spiele und 17 Tage später ist Deutschland dann Weltmeister, das Land im Ausnahmezustand – und alle merken, was eigentlich ohnehin schon gilt, denn: Deutschland ist einig Fußball-Land.
    "Das ist ja auch das letztendlich, was den Fußball auch ausmacht. Das jeder, relativ einfach, aus allen Lebensbereichen, aus allen Berufsgruppen, aus allen Dingen des täglichen Lebens den Zugang zum Fußball hat."
    Deutschland ist einig Fußball-Land
    Rund zwei Stunden nach der Spielplan-Präsentation sitzt Andreas Rettig in seinem Büro. Die Deutsche Fußball-Liga, ein Zusammenschluss der 36 Profivereine in Deutschland, bildet – neben dem Deutschen Fußball-Bund – eines der zwei Kraft-Zentren im „Einig Fußball-Land". Die DFL ist der Hüter der Bundesliga, damit für den Fußball-Alltag verantwortlich – auch wenn Geschäftsführer Rettig warnt:
    "Manchmal ist es sicherlich auch beunruhigend, was dem Fußball abverlangt wird: Als Rettungsanker für hier und da die Politik, als Rettungsanker für Fernsehmacher oder auch für die Lösung anderer Probleme in unserem Lande. Ich glaube, da muten wir dem Fußball auch zu viel zu. Obwohl ich sagen muss, dass der Fußball insgesamt noch so etwas wie der Kitt in unserer Gesellschaft darstellt."
    Ein Umstand, der sich auch mit Zahlen belegen lässt: So hat Nationalspieler Mesut Özil auf Facebook über 25 Millionen Freunde, Bundeskanzlerin Angela Merkel ganze 740.376. Während Gewerkschaften oder auch Kirchen kontinuierlich Mitglieder verlieren, gewinnt der DFB Anhänger dazu. 6.851.892, so die offizielle Mitgliederzahl aus dem Mai dieses Jahres. Frankfurt ist mit DFB und DFL zwar so etwas wie die Fußball-Hauptstadt, doch die Macht dieser Sportart erstreckt sich längst über das ganze Land und in alle gesellschaftlichen Bereiche – wie eine Rundreise zeigt:
    "Das ist ja eine sensationelle Entwicklung. Wie wir angefangen haben, oder wie ich angefangen habe, Anfang der 60er-Jahre mit der Bundesliga. Da gab es ja kaum eine Frau im Stadion. Da gab es kaum Leute aus einer anderen Ebene, Vorstandsvorsitzende oder so, die sich um Fußball gekümmert haben. Wenn sich heute der Vorstandsvorsitzende nicht über Fußball unterhalten kann, dann hat er ein Problem."
    "Eine sensationelle Entwicklung"
    Der ehemalige Präsident des 1. FC Köln Wolfgang Overath
    Der ehemalige Präsident des 1. FC Köln Wolfgang Overath (picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
    Sagt Wolfgang Overath. Der Weltmeister von 1974 sitzt in seinem Büro in Troisdorf bei Köln. Der zweite deutsche WM-Erfolg jährt sich in diesem Sommer zum 40. Mal, das „Wunder von Bern", der erste WM-Sieg ist gar 60 Jahre her. Als Prämie gab es damals 1.000 Mark für den Titel – und noch mal 200 Mark pro Spiel. 1974 bekam Overath bereits 70.000 Mark und einen VW Käfer. Beides kein Vergleich mit heute.
    "Fußball hat die Menschen so in seinen Bann gezogen, hat sie fasziniert und das ist traumhaft schön. Da haben wir, die Fußballer und der Fußball im Gesamten, Euch, den Journalisten, den Medien, eine Menge zu verdanken."
    Die Medien als Schlüssel? Fakt ist: Es gibt so gut wie keine Branche in Deutschland, das Show-Geschäft einmal ausgenommen, die so unter dem Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit stattfindet. In der Liste der meistgesehenen deutschen TV-Sendungen aller Zeiten stehen zehn Fußballspiele auf den ersten zehn Plätzen. Anfang Juli war es das WM-Finale mit 34,65 Millionen Zuschauern:
    "Fußball hat mal jemand geschrieben, ist das, was es früher mal, in Steinzeiten, als das Sitzen ums Lagerfeuer gab. Man ist beisammen gesessen, man hat über Helden gesprochen, man hat über Niederlagen gesprochen. Das Lagerfeuer der Urzeit ist heute das Fußball-Stadion."
    Unter dem Scheinwerfer der Öffentlichkeit
    Sagt Markus Hörwick. Es gibt wohl Niemanden in Deutschland, der mehr über das Massen-Phänomen Fußball erzählen kann. Anfang der 80er-Jahre baute Hörwick, einst Jugendspieler beim FC Bayern und später Reporter bei der „Bild"-Zeitung, die Pressestelle des FC Bayern auf. Damals musste er noch in die Redaktionen gehen und die einstigen Kollegen überzeugen, auch mal an die Säbener Straße 51 zu fahren, um das Training anzuschauen. Und heute?
    "Wenn heute mal richtig was los ist, bei einem großen Champions League-Spiel, dann haben wir 100, 150 Interview-Anfragen, die natürlich alle gar nicht mehr erfüllbar sind. Wir sind, nach der Bundesregierung nach wie vor, der Klub, das Unternehmen, wo am meisten jeden Tag aktuell arbeitende Journalisten vor Ort sind."
    Diese Nachfrage hat zwei Effekte: Zum einen lässt sie sich kommerziell vermarkten, zum anderen schafft sie Macht. Wobei das eine irgendwie auch das andere bedingt, sagt Professor Uwe Hasebrink. Er ist Direktor am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg:
    "Es ist regelmäßig der Inhalt, der über die Jahre hinweg die höchsten Einschaltzahlen erreicht. Der die größte Publika anzieht. Also insofern ist Fußball eine Ausnahmeerscheinung."
    Fußball ist eine Ausnahme-Erscheinung
    Auch bei der DFL ist man sich dessen bewusst: Die Fußball-Rechte sind nicht nur das Zugpferd bei Pay-TV und der Treiber bei technischen Innovationen wie HD-TV, sondern auch die wichtigste Einnahmequelle: Mehr als 2,5 Milliarden Euro bekommt die Liga für den Zeitraum von 2013 bis 2017. Für die nächste Rechteperiode ist eine – nicht zuletzt dank steigender Einnahmen aus der Auslandsvermarktung – deutlich höhere Summe zu erwarten. Doch dieses Interesse am Fußball lässt sich nicht nur kommerziell vermarkten, es verleiht auch die Kontrolle über die Inhalte – und damit Macht. Das merken vor allem auch Journalisten aus anderen Metiers:
    "Für mich war es eine interessante Erfahrung, die mich ja dann auch demütig gemacht hat im Verhältnis zu meinem Job. Als „Spiegel"-Journalist hat man eigentlich in der politischen Szene sehr guten Zugang. Bei den Fußball-Spielern zählt der „Spiegel" erst einmal fast nichts."
    Dirk Kurbjuweit ist politischer Autor beim "Spiegel", war Leiter der Hauptstadtbüros – und hat auch immer wieder über Fußball berichtet: über die Nationalmannschaft, den FC Bayern. Einmal schrieb er über Arjen Robben, was in München nicht gut ankam:
    "Dann kommen da sofort Folgen, wie: Dann gibt es keine Interviews mehr mit anderen Spielern, Beschwerden bei den Ressortleitern, usw. Also, Bayern München führt sich da, wie gesagt, wie ein Königreich auf, wenn nicht wie eine Diktatur im Sport."
    Für welche mitunter absurde Situation dieses öffentliche Interesse sorgen kann, zeigte sich am Beispiel des ehemaligen Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß. Als der 62-Jährige Anfang des Jahres in München wegen Steuerhinterziehung angeklagt war, wollten sich 545 Journalisten für die Gerichtsverhandlung akkreditieren. Für das Verfahren gegen das mutmaßliche Mitglied der NSU-Terrorzelle, Beate Zschäpe, in München interessierten sich dagegen nur 324 Kollegen. Dabei geht es um zehn Morde.
    Die Macht des Fußballs reicht weit
    Der Präsident des FC Bayern München Uli Hoeneß, steht am 13.03.2014, dem vierten Prozesstag, als Angeklagter im Gerichtssaal im Landgericht München II (Bayern).
    Der Präsident des FC Bayern München Uli Hoeneß am vierten Prozesstag in München. (picture alliance / dpa / Foto: Sven Hoppe)
    Und die Macht des Fußballs, die Macht des FC Bayern München reicht bis in die führenden Wirtschaftsetagen der Republik. Denn nachdem die Anklage öffentlich wurde, diktierte Hoeneß – damals noch Vorsitzender des Aufsichtsrates der FC Bayern München AG - den Mitgliedern des Gremiums die Vorgehensweise. Zum Aufsichtsrat gehören die Chefs der Telekom, von Adidas, Audi und VW. Allesamt einflussreiche Wirtschaftsmanager, in deren Unternehmen strenge Compliance-Richtlinien gelten. Im Fall des Steuersünders Hoeneß allerdings passierte vonseiten des Aufsichtsrats nichts. Längst ist aus dem Verein eine Aktiengesellschaft, ein Unternehmen geworden, an dem Audi, Adidas und seit Februar auch der Versicherer Allianz finanziell beteiligt sind.
    "Wenn man natürlich sieht, welche Strahlkraft der Fußball entfaltet hat, dann ist es nachvollziehbar, dass Unternehmen versuchen, diese Strahlkraft auch zu nutzen, um selbst bekannter zu werden oder diejenigen Firmen, die schon bekannt sind, auch ihr Image dann auch emotional aufzuladen oder noch weiter positiv zu prägen."
    So Professor Dr. Sascha L. Schmidt. Für die Wirtschaftsuniversität WHU baut er seit diesem Sommer in Düsseldorf das „Center for Sports and Management" auf, das sich mit dem Spannungsfeld Sport, Wirtschaft und Gesellschaft beschäftigt. Für Schmidt ist die Bundesliga ist ein Verband gewinnorientierter mittelständischer Unternehmen:
    "Wenn man sich nur anschaut, die Fußball-Bundesliga. Da kommen zehn Millionen Menschen pro Saison in die Stadien, die Klubs haben zusammen ein Volumen von über zwei Milliarden Euro an Umsatz mittlerweile. Es werden etwa 100.000 Arbeitsplätze geschaffen und Studien schätzen den gesamtwirtschaftlichen Impact auf etwa fünf Milliarden. Also, das ist schon ein Wirtschaftsfaktor, der nicht zu negieren ist."
    Die Räume in einem alten, modernisierten Fabrikgelände sind gerade frisch bezogen. Noch fehlt vieles, doch an der Wand hängen bereits Trikots der Bundesligisten aus Wolfsburg und Leverkusen. Das ist kein Zufall, denn Schmidt und sein Team haben sich die Bedeutung der Klubs für die jeweilige Stadt erforscht:
    "Auf der ökonomischen Seite haben wir eindeutig positive Steuereffekte, weil die Kosten, die einer Stadt entstehen durch die Beheimatung eines Profifußball-Klubs, werden bei Weitem über die steuerlichen Mehreinnahmen überkompensiert. Die Profiklubs stellen ja quasi mittelständische Unternehmen dar, sie siedeln Mitarbeiter an, die ihre Lohnsteuer dann da auch entrichten. Es werden lokale Dienstleister mit einbezogen, die Aufträge bekommen, die sonst einfach nicht da wären bis hin zu Konsumeffekten, die Leute, die sich da ansiedeln."
    Hinzu kommt noch ein millionenschwerer Marketing-Effekt. Doch ein Fußball-Klub kostet auch. Zumindest indirekt. Beispiel Kaiserslautern: Die Stadt hat die höchste Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland. Dennoch drückte der 1. FC Kaiserslautern Anfang des Jahres eine neue, günstigere Miete für das Stadion auf dem Betzenberg durch. Ein prekärer Verein ist für die Stadtväter ein Problem: Wirtschaftlich, denn der Verein ist oft einziger Mieter des Stadions. Und genießt als Traditionsverein in der Bevölkerung hohen Zuspruch und verfügt so über populistisches Potenzial. Der Klub hat also die Macht, auch gegen die Politik Stimmung zu machen.
    Köln, historisches Rathaus. Hier sitzt ein Mann, der ebenfalls von Verhandlungen zwischen Stadt und Klub erzählen könnte. Jürgen Roters, Kölns Oberbürgermeister. Obwohl nicht selbst an den Stadion-Verhandlungen seiner Stadt beteiligt, warnt er:
    "Ja, es ist eine Gefahr und ein Risiko, dass man sehr schnell populistische Wege einschlägt und versucht dann durch Finanzspritzen den Verein nach vorne zu bringen oder zumindest nicht ins Trudeln kommen zu lassen."
    Das Projekt Fußball-Museum in Köln ist gescheitert
    Jürgen Roters, neuer Oberbürgermeisters der Stadt Köln (SPD)
    Jürgen Roters, Oberbürgermeisters der Stadt Köln (SPD), ist mit zwei Großprojekten beim DFB gescheitert. (AP)
    Roters hat nicht nur Kraft seines Heimatvereins 1. FC Köln mitbekommen, sondern auch das Selbstbewusstsein des DFB. Denn die Domstadt hatte sich um zwei Großprojekte des DFB beworben, die aktuell anstehen: Das Fußball-Museum sowie den DFB-Campus, der die neue Verbands-Zentrale inklusive Trainingszentrum werden soll. Beides scheiterte. Während es gegen die Campus-Bebauungen von Wiesen im Kölner Westen Proteste in der Bevölkerung gab, hatte sich der DFB ein Areal am Kölner Hauptbahnhof, nahe dem Dom, für sein Museum ausgeguckt. Beste Lage, doch auch das ging schief. OB Roters:
    "In Sachen Museum hätte ich mir gewünscht, dass man noch auf die Stadt zugegangen wäre. Man muss ja auch sehen: Das ist ja auch eine politische Entscheidung. Und wenn man sagt: Wir machen das nur, wenn das Grundstück kostenlos zur Verfügung gestellt wird, dann setzt man die Politik schon in eine Entscheidungssituation, die nicht so günstig ist. Und wenn wir wirklich den reichsten Fußball-Verband der Welt haben, dann hätte man auch von ihm erwarten können, dass er im Hinblick auf die Immobilienfrage auch auf die Stadt zugegangen wäre. Das ist nicht geschehen, das muss man sagen. Insoweit ist dieses Museum an uns vorbeigegangen."
    Nun wird das Museum in Dortmund gebaut. Kostenpunkt: Rund 36 Millionen Euro, wovon die Hälfte vom Land NRW getragen wird. Vom Risiko ganz zu schweigen.
    Das jüngste Beispiel, das die Macht des Fußballs zeigt, kommt allerdings aus Bremen. Der dortige Senat plant, künftig die Polizeimehrkosten bei Risiko-Spielen der DFL in Rechnung zu stellen. Der Grund: In der Saison 2012/2013 fielen bundesweit Kosten von 38 Millionen Euro für gewaltbereite Fußball-Fans an. Doch Bremens Innensenator Ulrich Mäurer von der SPD wusste schon, auf was er sich da einließ:
    "Die DFL ist nicht irgendjemand in diesem Staate, sondern eine ganz wichtige Institution und wir sind das kleinste Bundesland. Also, eine wunderbare Ausgangsposition, um einen solchen Kraftakt zu versuchen."
    David gegen Goliath
    Der vierte Stern ist auf dem offiziellen Trikot der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft am 14.07.2014 in Herzogenaurach (Bayern) zu sehen.
    Fußballverbände sollen sich an den Sicherheitskosten bei Bundesliga-Spielen beteiligen. (dpa / Daniel Karmann)
    Die Reaktion aus Frankfurt ließ nicht lange auf sich warten: Obwohl – Stand heute – juristisch durchaus mit guten Argumenten gerüstet, entzogen DFB und DFL Bremen das für den 14. November angesetzte Länderspiel gegen Gibraltar. Die Nationalmannschaft wird jetzt in Nürnberg spielen.
    Zurück nach Frankfurt, zurück ins Büro von Andreas Rettig, Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga. Dieser hat mittlerweile Götz Bender dazu gebeten. Der Spielplanleiter versucht natürlich auch, Rücksicht zu nehmen auf die Pläne der Städte, auf die Bahn, auf die Sicherheitskräfte, beispielsweise beim Münchener Oktoberfest. Aber es gibt auch Variablen, die jedes Jahr anders sind:
    "Beispielsweise die Feierlichkeiten zum Jahrestag der Wiedervereinigung, am 3. Oktober. Das ist dieses Jahr in Hannover. Oder der OSZE-Gipfel, der dieses Jahr in Basel stattfindet, aber grenzüberschreitend die Polizei beschäftigt. Das scheidet dann auch für ein Heimspiel des SC Freiburg aus..."
    Doch das wird öffentlich wenig thematisiert. Genauso wenig wie das soziale Engagement: Mehr als 20 Millionen Euro investiert die Bundesliga-Stiftung jährlich in rund 300 Projekte. Auch der DFB hilft, trägt unter anderem alle zwei Jahre ein Benefizländerspiel aus, das fünf Millionen Euro Erlös bringt. Der Fußball, er spendet – nutzt aber auch seine privilegierte Stellung, wie sich auch auf dem politischen Parkett feststellen ließ.
    Berlin, im Juni letzten Jahres, vor der Bundestagswahl im Herbst. Der Deutsche Olympische Sportbund, kurz DOSB, hat zum sogenannten Wahlhearing eingeladen, um die Positionen der Parteien auf die Bedürfnisse des Sports abzuklopfen. Der Saal ist voll, fast alle Präsidenten der einzelnen Sportverbände sind anwesend. Und auf dem Podium sitzen die Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien. Moderator ist Johannes B. Kerner
    "Vielleicht, dass wir auch dazu kommen, dass auch konkrete Fragen gestellt werden. Der Generalsekretär des Deutschen Fußball-Bundes..."
    "Vielen Dank. Ja, Helmut Sandrock, DFB-Generalsekretär. Ich wollte das Thema Olympia ein Stück weiter aufmachen. Generell, was das Thema internationale Großveranstaltungen angeht.
    Wechselspiel zwischen Fußball und Politik
    Joseph Blatter sitzt zurückgelehnt lachend und schaut zu Angela Merkel herüber, die lacht und klatscht.
    FIFA-Chef Joseph Blatter und Bundeskanzlerin Angela Merkel freuen sich beim Spiel Deutschland gegen Portugal. (dpa / Marcus Brandt)
    Zwar hat der DFB als Verband mit der Männer-WM 2006 sowie der Frauen-WM 2011 gerade erst zwei Groß-Veranstaltungen organisiert, von denen die Bundesliga durch die neuen und modernisierten Stadien bis heute profitiert, aber: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel...
    "Sie wissen aber auch, dass es übliche Standards gibt der internationalen Sportorganisationen, die es auch gilt zu erfüllen. Deshalb meine konkrete Frage an Sie, ob Ihr Commitment diese Anerkennung dieser Standards, auch beinhaltet, das Thema Steuerbefreiung, Zoll, Visa, Sicherheit, usw. angeht."
    Der DFB will eine Steuerbefreiung für Großereignisse. Und während es auf der Bühne große Zustimmung dafür gibt – einzig der Grüne Jürgen Trittin sah die Sache skeptisch – hört man aus dem Saal vereinzeltes Murren: Ich müsste mich nur mal trauen, für meine WM nach so was zu fragen, sagt einer der Präsidenten aus dem Bereich Tischtennis oder Karate zu seinem Nebenmann, mir würde keiner zuhören. Offen sagen will er es aber nicht.
    Dreieinhalb Monate später, auf dem DFB-Bundestag in Nürnberg, verkündet Präsident Wolfgang Niersbach dann offiziell, dass der DFB sich um die Europameisterschaft 2024 bewerben will. Es ist die Tagung, auf der auch Reinhard Grindel zum Schatzmeister in das Präsidium des DFB gewählt wurde. An seiner Person zeigt sich das Wechselspiel zwischen Fußball und Politik besonders deutlich. Denn Grindel ist CDU-Bundestagsabgeordneter – und fordert, unmittelbar im Anschluss an seine Wahl zum Schatzmeister, im DLF-Sportgespräch eine Steuerbefreiung für die Euro 2024:
    "Nun ist doch unstrittig, dass das nicht nur für das Ansehen Deutschlands in der Welt, sondern auch was wirtschaftlich für ein Land dabei herauskommt, um ein Vielfaches. Da gibt es ja sogar schlaue Untersuchungen, anhand der WM 2006, das übersteigt, was man da an Zugeständnissen an Steuereinnahmen machen muss."
    Einen Interessenskonflikt zwischen seinen Funktionen – auf der einen Seite als Bundestagsabgeordneter, der auf Steuereinnahmen achten muss, auf der anderen Seite als Mitglied des DFB-Präsidiums, der Steuerbefreiungen fordert – sieht Grindel schon damals nicht:
    "Wichtig ist, dass man doch eines betont: Wir verfolgen keine Eigeninteressen. Der DFB bekommt zum Beispiel keine Bundesmittel aus dem Haushalt, insofern ist, glaub ich, an der Stelle die Frage der Vermischung etwas anderes als im Verhältnis etwa zur berechtigten Diskussion, wenn es um das Verhältnis von Wirtschaft und Politik geht."
    Mittlerweile ist Grindel stellvertretender Vorsitzender des Bundestagssportausschusses – und vielleicht die Person, die den Doppelpass zwischen Politik und Fußball am besten beherrscht.
    40 Tage ist dieses Tor heute her, spätestens mit dem Saisonstart der Bundesliga, ist der WM-Sommer vorbei. Statt Filet gibt es nun wieder Alltag, Schwarzbrot eben. Und auch wenn DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig dieses Bild nicht gefällt, weiß er genau:
    "Sie glauben gar nicht, wie nahrhaft und schmackhaft Schwarzbrot ist. Jeden Tag Filet, dann freuen sie sich auf die Scheibe Schwarzbrot mit der Paarung Bayern München gegen Wolfsburg."
    Anstoß ist in anderthalb Stunden. Das Spiel wird in 207 Länder übertragen. Der Fußball in Deutschland, er funktioniert – und alle Beteiligten wissen es auch.