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Panama Papers
Für illegale Staatsfinanzierung "ist Öffentlichkeit tödlich"

Durch die Veröffentlichung der Panama Papers erwartet SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider mehr Druck auf internationale Steueroasen. Er gehe davon aus, dass nun noch mehr Staaten das internationale Abkommen über den automatischen Informationsaustausch zu Kapitalanlagen unterzeichneten, sagte Schneider im DLF. Der SPD-Politiker lobte auch die Recherchearbeit der Journalisten - dadurch entstehe noch mehr Druck.

Carsten Schneider im Gespräch mit Peter Kapern |
    Der SPD-Bundestagsabgeordnete Carsten Schneider
    Carsten Schneider ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag (Imago/ Christian Schroth)
    Peter Kapern: Wir haben es doch alle geahnt, dass da noch mehr unterwegs ist! Spätestens seit der sogenannten Offshore-Leaks-Affäre im Jahr 2013. Damals waren Briefkastenfirmen in vielen unterschiedlichen Steuerparadiesen aufgeflogen, die Empörung war groß, die Folgen waren aber offenbar überschaubar. Denn jetzt enthüllt ein gigantisches Datenleck ein kaum überschaubares Geflecht von Briefkastenfirmen, die alles eines gemeinsam haben: Sie haben die Heimatadresse Panama. Viel Prominenz aus Sport, Politik und Verbrechen steckt hinter diesen Briefkastenfirmen und eine deutsch-panamaische Kanzlei.
    Und bei uns am Telefon ist nun Carsten Schneider, der stellvertretende Fraktionschef der SPD im Bundestag und gleichzeitig Experte für Finanzfragen. Tag, Herr Schneider!
    Carsten Schneider: Tag, Herr Kapern, grüße Sie!
    Kapern: Herr Schneider, Ihr Parteifreund Norbert Walter-Borjans, der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, hat heute früh getwittert, auf Englisch: "Investigative journalists show: Yes, we can!" Damit wanzt der Mann sich ja ganz schön an die Journalisten heran, denn fest steht doch wohl: Die Journalisten, die können, aber die Politiker können ganz offensichtlich nichts, sonst hätten sie dem Briefkastenunwesen doch längst einen Riegel vorgeschoben, oder?
    Schneider: Hätte Norbert Walter-Borjans mit Sicherheit auch gemacht, ich im Übrigen auch. Aber wir sind ja in Deutschland keine Insel, sondern die Inseln befinden sich in der Karibik und es ist eben das eine oder andere Mal auch schwer, irgendwem den Hahn zuzudrehen. Deswegen brauchen Sie Transparenz, brauchen Sie die Öffentlichkeit. Und ich finde, den Journalisten, denen werde ich mich erst mal anschließen, die haben da einen exzellenten Job gemacht. Sie haben aber auch die Daten zugespielt bekommen, auf die, ich sage mal, wir vom Bundestag ja keinen Zugriff hatten, aber jetzt natürlich die Öffentlichkeit so hergestellt wird und damit auch Druck entsteht, wie wir es auch in Teilen ja schon in vergangenen Jahren bei der Schweiz erlebt haben.
    "Informationsaustausch ist sehr wichtig"
    Kapern: Nun wäre Panama ja nicht der erste Staat der Welt, der sich, sagen wir mal, einem politischen Druck aus großen, wirtschaftsstarken Nationen ausgesetzt sehen würde, wenn denn die Politik aktiv werden wollte, schon bevor irgendetwas in der Zeitung steht. Das passiert offensichtlich nicht!
    Schneider: Nein, das passiert schon. Denn wir haben ja in dem Vorbeitrag von Herrn Geers den Hinweis vom Staatssekretär Meister gehabt, das Abkommen, was im vergangenen Jahr abgeschlossen wurde, Veröffentlichung von wirtschaftlich Berechtigten, also, wer hat wo Geld, wo fallen Zinsen oder Dividenden an und wird das dem Staat gemeldet, wo derjenige auch ansässig ist. Das ist auch von der einen oder anderen Karibikinsel unterzeichnet worden, von Panama nicht, bisher nicht. Also, der Informationsaustausch ist dabei extrem wichtig, Transparenz und Informationsaustausch. Und da hat sich in den letzten fünf Jahren schon sehr, sehr viel getan, beileibe noch nicht genug, das zeigt das, deswegen bin ich sehr froh über die Veröffentlichung, aber wir können von Deutschland aus allein auch nicht in andere Länder hineinregieren, sondern wir brauchen auch einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Und nehmen wir mal … Ich bin mal hoffnungsfroh, dass sich Länder, die sich da bisher gegen gewehrt haben auf diplomatischem Parkett, jetzt diesen Druck auch spüren und deswegen auch beitreten werden.
    "Geschäftsmodell ausmerzen"
    Kapern: Warum sollte das der Fall sein, Herr Schneider, den Reichen, den Profiteuren, den Machthabern in Panama kann es doch egal sein, was hier in der "Süddeutschen Zeitung" steht. Welche Mittel haben Sie in der Hand, um in Panama Bewegung zu erzeugen?
    Schneider: Na ja, Sie können natürlich die ganze diplomatische Klaviatur bespielen, das muss man auch. Viel wichtiger ist aber, dass diejenigen, die sich versteckt hatten hinter den Trusts, hinter diesen Stiftungen und Briefkastenfirmen, dass die jetzt immer wieder Gefahr laufen, öffentlich genannt zu werden. Und das zeigt sich, man ist ja noch lange nicht am Ende, es sind ja mehrere Terabyte Daten und da nützt ihnen das alles auch nichts mehr. Wir reden ja hier zum Großteil wahrscheinlich weniger über Steuerhinterziehung, sondern vor allen Dingen über Geldwäsche, organisierte Kriminalität, andere Dinge. Ist mehr eine Frage der Verbrechensbekämpfung, die hier im Mittelpunkt steht, oder eben auch illegale Staatsfinanzierung. Und für die ist die Öffentlichkeit tödlich. Und dass die gelingt, dass es die gibt, ist ein ganz entscheidender Schritt, um das Geschäftsmodell dort letztendlich auszumerzen.
    Gefahr für Ratifizierung des Assoziationsabkommens
    Kapern: Wie tödlich, um Ihr Wort aufzugreifen, und ich füge hinzu: vielleicht wie politisch tödlich müsste denn beispielsweise die Publikation seines Namens für den ukrainischen Staatspräsidenten Petro Poroschenko sein?
    Schneider: Tja, also, mit Sicherheit schwierig für ihn. Also, man muss sich dann genau anschauen, was im Detail dahintersteckt, aber es hilft ihm mit Sicherheit nicht. Und ich habe auch ehrlicherweise sogar die Sorge, dass das die Abstimmung in den Niederlanden, die, ich glaube, diese Woche Mittwoch ansteht zur Ratifizierung des Assoziationsabkommens mit der Ukraine, dass das unter diesem Eindruck eventuell sogar fehlgeht. Ich meine, es gibt keine Begründung, dass man Briefkastenfirmen überhaupt hält. Ich bin der Auffassung, wir brauchen da absolute Transparenz, zum Beispiel auch was Unternehmensregister betrifft, Transparenz, wer, wem gehört das Geld, wer ist der wirtschaftlich Berechtigte, wie sind die Verbindungen. Und eben kein Schattenreich. Und deswegen, jeder, der das angelegt hat, der wird einen Grund haben. Und der Grund ist mit Sicherheit kein guter.
    Kapern: Sie sagten, man brauche keine Begründung für das Betreiben einer Briefkastenfirma, aber in einer freien Gesellschaft braucht man für allerlei Dinge, die man tut, keine Begründung. Wie groß ist eigentlich die Gefahr, dass wir gerade eine Hexenjagd starten?
    Schneider: Da muss man aufpassen. Also, grundsätzlich gilt immer die Unschuldsvermutung, deswegen war ich jetzt auch bei Herrn Poroschenko ein bisschen zurückhaltend. Aber ich gehe davon aus, dass die Kollegen der "Süddeutschen Zeitung", bevor sie so etwas veröffentlichen, sehr genau recherchieren. Ist ja kein Wurstblatt, im Gegenteil. Dementsprechend wird da auch sehr viel Substanz dran sein. Aber man muss aufpassen, dass man jetzt nicht jede Einzelmeldung, die kommt, gleich für 100 Prozent nimmt und so zu einer Vorurteilung kommt. Aber ich habe auch keine neue Position, was Briefkastenfirmen betrifft. Ich war immer der Auffassung, man braucht sie nicht, es gibt dort nur den Hang zum Verdecken, zum Verdecken insbesondere von organisierter Kriminalität, von Korruption – ich denke nur FIFA et cetera – und gar nicht mal so sehr die Steuergeschichte. Ich glaube, dass die nicht im Mittelpunkt steht, die ist auch sehr, sehr wichtig für uns, aber nicht das, was im Mittelpunkt steht. Und deswegen sind wir als Sozialdemokraten der Auffassung, wir brauchen dieses ganze Konstrukt nicht, aber wir wollen Offenheit, Transparenz, wir wollen sehen, wer das Geld besitzt, denn Geld regiert die Welt.
    Kapern: Nun wird immer wieder in der Berichterstattung darauf hingewiesen, dass bislang keine prominenten deutschen Namen unter den Besitzern und Betreibern von Briefkastenfirmen in Panama sind. Andererseits muss man feststellen, die Anwaltskanzlei, die all das organisiert hat, hat deutsche Wurzeln. Ein Zufall?
    Schneider: Ja, also, mir war der Herr vorher schon bekannt durch Bücher, Veröffentlichungen auch der Organisation Tax Justice Network, dass die quasi für 1.000 Dollar so Höhlen hingesetzt haben, die dann verkauft wurden über Banken. Und da, glaube ich, ist der Hauptanknüpfungspunkt nicht so sehr jetzt, ins Geheimfach zu schauen, ob da ein Deutscher mit dabei ist, sondern die Frage zu stellen, wie wurde das Geld eigentlich dorthin transferiert und welche Rolle spielten dabei auch Banken, auch deutsche Banken? Dieser Punkt ist ein regulatorischer Ansatz, wo wir als Staat auch eingreifen können, den will ich mal in den Mittelpunkt rücken, auch für die nächsten Wochen. Denn ohne das Bankensystem gibt es auch keine Transfers dieser Gelder und dementsprechend … Herr Mascolo hat ja gestern auch die Berenberg-Bank da genannt, das muss man sich mal sehr genau anschauen.
    "Wir brauchen den zusätzlichen Druck"
    Kapern: Herr Schneider, jetzt haben wir vor drei Jahren über Offshore-Leaks geredet, heute reden wir über Panama Papers. Ganz kurz noch: Und in drei Jahren dann die nächste Affäre, ohne dass sich was Grundlegendes zwischenzeitlich geändert hätte?
    Schneider: Nein, es tut sich ja immer was. Zumindest in der Demokratie ist es so, dass wir dann, wenn man von irgendwas überzeugt ist und war, was ich schon immer war, man manchmal auch den zusätzlichen Druck auch noch braucht, um zum Beispiel die Schweiz dazu zu bringen, dass sie eben ihr Schwarzgeldmodell gedreht hat in Weißgeldstrategie. Und das war eine politische Entscheidung auch der SPD, zum Beispiel das anonymisierte Steuerabkommen mit der Schweiz, was Herr Schäuble ausgehandelt hat, abzulehnen. Sonst gäbe es keinen automatischen Informationsaustausch. Es gibt schon Fortschritt. Ich wünschte mir, es gäbe immer mehr, das stimmt, aber dass sich gar nichts tut, das stimmt nicht. Nur, die Journalisten sind eine große Hilfe dabei, keine Frage.
    Kapern: Sagt Carsten Schneider, der stellvertretende Fraktionschef der SPD heute Mittag im Deutschlandfunk. Und dass Sie Zeit für uns gefunden haben, dafür sage ich Danke. Einen schönen Tag noch, Herr Schneider!
    Schneider: Ihnen auch, vielen Dank!
    Kapern: Tschüs!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.