Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Proteste gegen Holzkraftwerk
Angst um Frankreichs Wälder

Das Kraftwerk, das die E.ON-Tochter Uniper in Südfrankreich in Kürze in Betrieb nehmen will, sollte eine ökologische Vorzeige-Anlage sein. Energie wird dort durch die Verbrennung von Holz gewonnen. Umweltschützer allerdings sehen den Waldbestand in Gefahr, Anwohner fürchten eine Verschlechterung der Luftqualität. Das Unternehmen hingegen wiegelt ab.

Von Suzanne Krause | 19.02.2017
    Gegner des Biomassewerks trugen am 5. Februar 2017 symbolisch den südfranzösischen Wald zu Grabe.
    Proteste gegen das Stromwerk "Provence 4" (AFP / Boris Horvat)
    Vor dem Rathaus in Gardanne, einer südfranzösischen Kleinstadt zwischen Aix-en-Provence und Marseille, haben sich an einem Sonntagmorgen Anfang Februar einige hundert Demonstranten versammelt. Selbstgemalte Schilder verkünden: 'Rettet unsere Wälder'.
    Die Wälder wollen die Aktivisten vor dem deutschen Energiekonzern E.on retten, respektive dessen junger Tochterfirma Uniper. Denn deren französische Filiale will in Gardanne in einer Biomasse-Anlage grünen Strom aus Holz erzeugen. 850.000 Tonnen Holz sollen hier jährlich verfeuert, 150 Megawatt Elektrizität produziert werden. Damit ließe sich jeder fünfte Haushalt in der Region Provence-Alpes-Côte-d'Azure versorgen. Die Provence 4 getaufte Fabrik ist das größte Biomasse-Kraftwerk in Frankreich. Eines der größten in ganz Europa.
    Erste Proteste vor zweieinhalb Jahren
    Mit umgedichteten Volksweisen gingen Umweltschützer erstmals vor gut zweieinhalb Jahren gegen das Projekt, damals noch unter der Ägide von E.on, auf die Straße. Heute treten sie erneut an.
    "Wir werden nicht mehr in den Wald können. E.on hat ihn abgeholzt. Die Natur, die du siehst, kann nicht mehr nachwachsen."
    Auch Yannick Jadot stimmt in den Protestchor ein. Der Präsidentschaftskandidat der grünen Partei ‘Europe Ecologie Les Verts’ ist extra aus Paris gekommen.
    Der Präsidentschaftskandidat der grünen Partei ‘Europe Ecologie Les Verts’ Yannick Jadot. 
    Auch Yannick Jadot protestierte gegen "Provence 4". (AFP / Boris Vorvat)
    "Als Staatspräsident würde ich das Stromwerk sofort dichtmachen. Das Projekt ist hirnrissig, völlig überaltert. Sieben von zehn dort verbrannter Bäume lösen sich einfach in Rauch auf, der Luft und Umwelt verschmutzt."
    Beim Betreiber sieht man das ganz anders, stellt Jean-Michel Trotignon klar. Der ehemalige Werksleiter ist nun Sonderbeauftragter für das Biomasse-Kraftwerk von Uniper France in der Provence.
    "Die hiesige Anlage ist vor allem ein Symbol für den Willen von Uniper France, zur Energiewende beizusteuern, die Stromproduktion zu dekarbonisieren, sich auf erneuerbare Energien auszurichten."
    Uniper France will sich einschreiben in die französische Energiepolitik, definiert vom 'Gesetz zur Energiewende für grünes Wachstum' vom Juli 2015. Das gibt unter anderem vor: Bis 2030 sollen 32 Prozent des Stromkonsums aus erneuerbaren Energien stammen.
    In Frankreich boomt die Energieerzeugung mit Holz
    Ende 2015 lag der Anteil grüner Energie am Stromverbrauch jedoch lediglich bei 14,9 Prozent, während in Deutschland erneuerbare Energien beim Strommix heute schon ein Drittel stellen. Dafür boomt auch in Frankreich die Energieerzeugung mit Holz – da ist heute schon das Ziel erreicht, dass die Pariser Regierung für 2018 vorgab.
    Auf den nachwachsenden Rohstoff Holz setzt auch Uniper France in der Provence. Trotignon führt über das weiträumige Industriegelände am Stadtrand von Gardanne. Einer der dortigen Schornsteine ist 300 Meter hoch – nur um einige Meter niedriger als der Eiffelturm. Er gehört zu Provence 5, einem sichtlich in die Jahre gekommenen Kohlekraftwerk. Ungleich moderner wirkt der benachbarte Komplex Provence 4.
    Protestler kritisieren die hohe staatliche Unterstützung von "Provence 4".
    Protestler kritisieren die hohe staatliche Unterstützung von "Provence 4". (AFP / Boris Horvat)
    Für 250 Millionen Euro ist Provence 4 von Kohle auf Holz umgestellt worden. Die Entscheidung dazu war 2011 gefallen. Damals hatte E.on sein Projekt bei einer staatlichen Ausschreibung zur Biomasse-Förderung in Paris eingereicht. Erfolgreich. Kurz vor den Präsidentschaftswahlen jubelte die konservative Sarkozy-Regierung: Der angestrebte Zubau im Bereich Biomasse habe verdoppelt werden können. Vor allem dank der 150 Megawatt von Provence 4. Deutlich über den anderen Teilnehmern der Ausschreibung, zumeist Projekte mit Wärmekopplung - die auf maximal 26 Megawatt kamen.
    Staatliche Unterstützung von 1,4 Milliarden Euro
    Aber auch auf eine Energieeffizienz von mindestens 60 Prozent – doppelt so hoch wie bei Provence 4, einem reinen Stromwerk. Wie alle Gewinner der Ausschreibung erhält auch E.on staatliche Unterstützung. Nämlich einen festen Stromabnahmepreis, auf zwanzig Jahre: insgesamt 1,4 Milliarden Euro.
    Beim Rundgang stoppt Jean-Michel Trotignon vor einem langen, mehrstöckigen Gebäude, einer Lagerhalle für die Hackschnitzel, die über Förderbänder in die riesige Kesselanlage gegenüber transportiert werden.
    "Anfangs werden wir 55 Prozent unseres Holzbedarfs aus Wäldern im Ausland importieren. Bis 2026 wollen wir uns dann komplett aus einem Umkreis von 400 Kilometern versorgen. Zu fünfzig Prozent aus einheimischen Wäldern, weitere 40 Prozent soll aus Schnittholz aus Gärten und Parks zusammenkommen, der Rest aus Altholz wie ausgedienten Paletten, gebrauchtem Bauholz und Möbeln."
    Ursprünglich plante E.on, sich ausschließlich in Südfrankreich zu versorgen. Die Importauflage ordnete die sozialistische Umweltministerin Ségolène Royal vor gut drei Jahren an. Um die Wogen zu glätten. Denn als das Biomasse-Projekt im Großraum bekannt wurde, erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Zwar hatte das deutsche Unternehmen, die vorgeschriebene öffentliche Anhörung durchgeführt, in Gardanne und in den Nachbargemeinden.
    Bevölkerung wurde nicht gefragt
    Dabei unberücksichtigt blieb jedoch ein Novum: Der Versorgungsbereich der industriellen Biomasse-Anlage reicht weit über das direkte Umfeld hinaus. Quer durch Südfrankreich, von der italienischen bis zur spanischen Grenze. Doch die dortige Bevölkerung erhielt keine Gelegenheit, sich zu dem Projekt zu äußern.
    Das ist ein Grund für die Klagen, die Umweltvereine und rund 400 Gemeinden vor Gericht einreichten, um die Regierung zu zwingen, die Betriebsgenehmigung für Provence 4 zurückzuziehen. Ein zweiter Grund: Die Projektgegner bezweifeln, dass die Großregion über ausreichende Holzressourcen verfügt.
    Anwohner des Holzkraftwerks "Provence 4" befürchten eine hohe Luftverschmutzung.
    Anwohner des Holzkraftwerks "Provence 4" befürchten eine hohe Luftverschmutzung. (AFP / Boris Horvat)
    Ein Thema, bei dem generell in Frankreich die Meinungen weit auseinandergehen. Erhebungen zum aktuellen Holzbestand und zum Zuwachs sind nur spärlich vorhanden, denn drei Viertel der Wälder sind in Privatbesitz. In Deutschland sind es gerade mal knapp die Hälfte. Auch das Pariser Ministerium für Land- und Forstwirtschaft hat keinen klaren Überblick. Klar ist nur: Der französische Forstbestand könnte weit besser bewirtschaftet werden.
    2014 ließ das Ministerium eine Studie zur deutschen Forstpolitik erstellen. Daraus geht hervor, dass die Wälder auf der anderen Rheinseite wesentlich industrieller und ertragreicher bewirtschaftet werden. Für den Betrieb des industriellen Biomasse-Kraftwerks in der Provence sei ausreichend Holz vorhanden, versichert Jean-Michel Trotignon von Uniper France. Er verweist vor allem auf Studien, die sein Unternehmen in Auftrag gegeben habe.
    "In unserem Versorgungsbereich stehen heute 186 Millionen Tonnen Holz. Der jährliche Zuwachs beläuft sich auf 5,4 Millionen Tonnen. Davon werden derzeit lediglich 1,6 Millionen Tonnen pro Jahr genutzt. Wenn wir in zehn Jahren unser Frischholz dann nicht mehr importieren, sondern in den hiesigen Wäldern einholen, beläuft sich unser Bedarf auf 0,4 Millionen Tonnen. Da können Sie hin und her rechnen - unterm Strich kommt heraus, dass wir die Wälder nicht leerräumen werden."
    Hoffnung auf Aufschwung der regionalen Forstwirtschaft
    Davon ist auch Sylvie Coisne überzeugt. Sie leitet den Zusammenschluss der privaten Waldbesitzer im Languedoc-Roussillon. Der erhofft sich von Uniper einen vehementen Aufschwung der regionalen Forstwirtschaft. Bislang gibt es nur einen Großabnehmer: Eine Papierfabrik, die jährlich eine Million Tonnen Holz verarbeitet.
    "Die Nachfrage nach Holz zur Energieproduktion bedeutet speziell für uns im Süden Frankreichs eine große Chance, denn unsere Wälder werden bislang unzureichend bewirtschaftet. Deshalb überwiegt auch Holz von niederer Qualität, das ungeeignet für Bauholz und Ähnliches ist. Ja, wir haben genügend Ressourcen. Und wenn dieses Holz nun verwertet wird, gibt das den Anfang für eine bessere Forstverwaltung."
    Das Logo der Eon-Energiekonzern-Tochter Uniper.
    E.ON-Tochter Uniper bekommt auch Lob für das neue Stromwerk. (dpa/picture-alliance/Rolf Vennenbernd)
    Sylvie Coisne lobt Uniper France explizit: Das Unternehmen habe sich direkt an die Waldbesitzer und nicht, wie sonst üblich, an Forstbetriebe gewandt. Ein Beispiel, das nun Schule mache. Ebenso verspreche es jenen, die ihr Holz zertifizieren lassen, einen Bonus. Ein Novum in der Branche.
    "Vom Staat hat Uniper eine finanzielle Garantie über zwanzig Jahre. Damit bietet das Unternehmen seinen Lieferanten überschaubare Verhältnisse für die nächsten zwanzig Jahre. Das ist heute schon ein langer Zeitraum."
    Einen Strich durch diese Rechnung macht jedoch die Importpflicht. Erst 2026, heißt es bei Uniper France, werde man sich komplett lokal versorgen können. Und dass es da Ressourcenprobleme geben wird, liegt für Aline Salvaudon auf der Hand. Salvaudon arbeitet für den regionalen Naturpark des Luberon, dem 77 Gemeinden angehören. Das Gebiet im Herzen der Provence ist für seinen außergewöhnlichen Artenreichtum bekannt. Ihn zu schützen und die natürlichen Ressourcen nachhaltig zu managen ist der Job von Aline Salvaudon.
    Naturpark: Waldressourcen reichen nicht aus
    Der regionale Naturpark ist einer der Kläger gegen die Biomasse-Anlage in Gardanne. Nach Ihren Recherchen zum regionalen Holzbestand, sagt Aline Salvaudon, reichten die Waldressourcen für den industriellen Betrieb von Uniper France nicht aus. Das meint auch der staatliche Rechnungshof in Paris.
    Zudem fördert der regionale Naturpark seit Jahren erfolgreich den Aufbau kleiner kommunaler Biomasse-Anlagen mit Wärrmekopplung auf Pellet-Basis. Da entpuppt sich Uniper France als mächtiger Rohstoff-Konkurrent, sagt Aline Salvaudon.
    "Das Unternehmen kauft noch längst nicht die jährlich vorgesehenen Mengen ein, aber die Waldbesitzer haben schon enorme Lager angelegt. Die Preise sind deutlich gestiegen, dabei handelt es sich um Holz niederer Qualität. Dennoch hat sich der Preis hier und dort verdoppelt und verdreifacht. Bislang kostete der Kubikmeter stehendes Holz drei bis vier Euro, das zahlte die Papierfabrik. Nun kann er hochgehen auf zehn bis zwölf Euro. Das verteuert auch den Betrieb der kleinen Heizwerke."
    Dem Protestmarsch gegen das Biomasse-Kraftwerk in Gardanne haben sich auch zwei Nachbarn der Industrieanlage angeschlossen. Lucien Gressi wohnt vierhundert Meter Luftlinie vom Standort entfernt, Aline Frosini einen Katzensprung weiter. Vor einem Jahr ging Provence 4 in Probebetrieb. Seither, sagen die beiden Anwohner, nimmt der Ärger für sie kein Ende.
    Anwohner klagen über Lärmbelästigung
    "Sobald sie läuft, sorgt die Anlage für höllischen Lärm. Der dringt sogar durch unsere Doppelglasfenster; nachts kriegen wir kein Auge zu. Irgendwie ist da immer ein Hintergrundgeräusch, das uns in den Wahnsinn treibt." - "Wenn ich morgens die Fensterläden öffne, sehe ich oft eine Art Dunstglocke über der Straße vor dem Werk hängen. Manchmal steigt sie bis zu uns hoch und nebelt uns ein. Natürlich zieht bei uns von Zeit zu Zeit Nebel auf, aber ebenso der Smog, Nebel von der Luftverschmutzung."
    Auf dem Betriebsgelände steht Jean-Michel Trotignon vor einem riesigen Quaderbau, der Dampffilteranlage. Die neueste Technik, das Beste vom Besten, erklärt er.
    "Dazu zählt unter anderem ein Faserfilter, der Feinstaub auffängt, speziell Schwermetalle. Somit emittiert Provence 4 einhundert mal weniger Feinstaub als wenn man dieselbe Menge Holz unter freiem Himmel verbrennen würde, siebzig mal weniger als ein offener Kamin und noch nicht einmal halb so viel wie ein klassischer Holzheizkessel."
    Die Biomasse-Anlage "Provence 4" der E.ON-Tochter Uniper in Gardenne (Südfrankreich).
    Das Stromwerke "Provence 4" in Südfrankreich. (AFP / Boris Horvat)
    Angaben, die Gilles Nalbone wenig beeindrucken. Der Physiker arbeitete bis zu seiner Rente beim staatlichen Institut für Gesundheitsforschung, speziell zu 'Umwelt und Gesundheit'. Gilles Nalbone, der im benachbarten Marseille lebt, bezeichnet die Biomasse-Anlage Provence 4 als Bedrohung.
    "Diese Fabrik wird dazu beitragen, die hier ohnehin schon hohe Umweltverschmutzung zu verschlimmern. Ist der Planet krank, kann der Mensch nicht gesund sein. Jede Quelle zusätzlicher Umweltverschmutzung muss bekämpft werden. Also muss dieses Holzkraftwerk verboten werden."
    Eine Forderung, die Roger Meï nie in den Sinn käme. Seit 1977 ist der Kommunist Bürgermeister von Gardanne. Die Stadt zählt 22.000 Einwohner. Meï erzählt stolz vom lokalen Bergwerk, das bis zu 6.000 Arbeiter beschäftigte. Doch 2003 machte die Mine dicht. Als dann E.on anbot, die zwei maroden Kohlewerke zu übernehmen und eines auf Ökostrom umzurüsten, war der Bürgermeister gleich dabei.
    "Wir sind eine Industriestadt und stolz darauf. Wenn die Schlote rauchen, heißt das, dass es Arbeit gibt."
    Bisher läuft nur der Probebetrieb
    Bislang aber rauchen die Schlote bei Uniper France nur unregelmäßig. Vor einem Jahr noch kündigte das Unternehmen an, zum Herbst 2016 den regulären Betrieb aufnehmen zu wollen. Bis heute ist die Biomasse-Anlage im Probebetrieb.
    Die technischen Probleme seien größer als erwartet, ergänzt François-Michel Lambert. Der Grüne-Abgeordnete ist seit Projektstart erklärter Gegner des Stromwerks. Eine Zukunft habe Provence 4 nicht, meint François-Michel Lambert.
    "Der Vertrag mit dem Staat läuft über zwanzig Jahre. Doch bis dahin wird die Europäische Union die Normen betreffs der Luftverschmutzung deutlich verschärfen. Das wird für das Unternehmen problematisch. Europa und Frankreich werden neue Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt erlassen. Dann läuft die Holzernte anders als heutzutage und sie wird teurer werden."
    Eine Demonstrantin hält am 5. Februar 2017 zwei Schilder hoch "Nach der Erde...der Mond?"
    Proteste gegen das Holzkraftwerk "Provence 4". (AFP / Boris Horvat)
    Als die Gegner des Biomassewerks Anfang Februar symbolisch den südfranzösischen Wald zu Grabe trugen, war auch Sylvain Harmat angereist, aus Hamburg, wo er beim Verein 'Rettet den Regenwald' arbeitet. 2014 forderte dieser, das Projekt in der Provence zu stoppen. 114.000 Unterstützer unterzeichneten die entsprechende Petition. Erfolglos, sagt Sylvain Harmat.
    "Als wir E.on im September 2014 die Petition übergaben, lagerten schon die ersten Baumstämme in Gardanne. Wir haben daraufhin nachgefragt, wo das Holz herstamme. Eine Antwort haben wir nie erhalten. Weder bei unserem Besuch in der E.on-Zentrale in Düsseldorf noch in der sechsseitigen Email, die uns das Unternehmen kurz darauf zusandte."
    Auch Proteste aus den USA
    Proteste gegen Provence 4 kommen sogar aus den Vereinigten Staaten. Dort kämpft die Nichtregierungsorganisation ‘Dogwood Alliance’ seit Jahren gegen das Abholzen der Wälder in den südöstlichen Bundesstaaten, das in erschreckendem Maß zunimmt. Selbst die artenreichen Feuchtwälder fallen wildem Kahlschlag zum Opfer, die immer öfter zu Pellets geschreddert werden. Je mehr vor allem in Europa die Nachfrage nach Holz für die Energieerzeugung steigt, desto hemmungsloser läuft auch in Übersee die Ernte. Gleiches gilt für Rumänien und Slowenien.
    Im vergangenen November legte die EU-Kommission den Entwurf ihres neuen Energiepakets vor, ein 6.000-Seiten-Dokument; ein Rekord. Bei den nun anrollenden Verhandlungen wollen Lobbygruppen wie die Umweltorganisation 'fern' in Brüssel eine klare Botschaft verbreiten: Frischholz sei zu schade und zu wertvoll für die industrielle Energieproduktion.
    Denn allein in der weltweit größten Biomasse-Anlage im britischen Drax werden schon mehr als vier Millionen Tonnen Holz verheizt. Und sie soll noch ausgebaut werden. Als Negativbeispiel nennt 'fern' auch das Stromwerk von Uniper France in der Provence.
    Megawerke sorgen für Wettbewerbsverzerrung
    Im vergangenen Jahr bat die EU-Kommission Vertreter der Holzindustrie und Umweltgruppen erstmals zu einer Anhörung zum Thema Bioenergie. Langsam wächst das Bewusstsein dafür, das Megawerke wie in England und in Südfrankreich, die öffentliche Zuschüsse erhalten, für eine Wettbewerbsverzerrung sorgen können. Das war auch Thema bei der EU-Anhörung, erinnert sich Nicholas Bell, einer der Gründer der Protestbewegung gegen Provence 4.
    "Ich glaube, in zehn Jahren wird man sagen, mit dieser neuen Mode von industrieller Biomasse wird man merken, dass es auch enorm große Konsequenzen hat für die Wälder und für die öffentliche Gesundheit und so weiter. Und man wird einfach versuchen, die ganzen Unterstützungsmaßnahmen zu stoppen."
    Ein französischer Wald in Belmont, Frankreich.
    Der Wald ist wichtig für die Gesundheit. (AFP / Frederick Florin)
    Aber leider ist es dann zu spät für Drax in England und für hier, wo man schon einen Vertrag gemacht hat, und wo man das schon versprochen hat. Und sich zurückzuziehen von einem Projekt kostet viel, weil man muss E.on dann einen großen Schadenersatz geben und leider haben sie sich bis jetzt noch nicht entschlossen."
    In Frankreich dürfte das Biomasse-Kraftwerk in der Provence einzigartig bleiben. Der Industrieverband 'Erneuerbare Energien' hat erwirkt, dass Ausschreibungen nun strikt begrenzt sind auf Projekte mit maximal 25 Megawatt Stromproduktion.