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Sanierungsplan
Sozialvereinbarung bei Opel lässt aufatmen

Kündigungen und Werksschließungen: Das befürchteten die Opelaner in Deutschland angesichts der Sparvorgaben des französischen Mutterkonzerns PSA. Doch Betriebsrat und Unternehmensleitung haben nun einen Vertrag beschlossen, der ohne diese Härten auskommt - und stattdessen andere Maßnahmen vorsieht.

Von Ludger Fittkau | 15.12.2017
    Das Opel-Logo prangt auf dem Werksgelände des Autobauers Opel in Rüsselsheim auf einem Turm
    Nach der Opel-Betriebsversammlung in Rüsselsheim können die 19.000 deutschen Opel-Mitarbeiter aufatmen: Sie müssen nicht um ihren Job wegen betriebsbedingter Kündigungen fürchten (dpa/Arne Dedert)
    Opel-Rüsselsheim, Werkstor 60, heute Mittag. Es ist nasskalt, als die Betriebsversammlung zu Ende geht:

    "Na ja, sagen wir mal so, es ist ein gutes Gefühl unter schwierigen Umständen."

    Mit den "schwierigen Umständen" meint der Opel-Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Schäfer-Klug nicht das miese Wetter. Sondern den Sparzwang, unter dem der Autobauer steht, der seit vielen Jahren rote Zahlen schreibt.
    Keine Werksschließungen und Kündigungen
    Doch die Erleichterung ist dem Betriebsratschef heute deutlich anzumerken. Denn er konnte in einer Belegschaftsversammlung im Rüsselsheimer Stammwerk des Automobilherstellers den Abschluss einer Sozialvereinbarung mit dem Opel-Vorstand bekannt geben. Die vom neuen französischen Mutterkonzern geforderten Sparmaßnahmen von mehr als einer Milliarde Euro jährlich sollen demnach über Kurzarbeit, Vorruhestand und Altersteilzeit ungesetzt werden. Nicht jedoch über Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen. Wolfgang Schäfer-Klug:

    "Mit dieser Vereinbarung fällt mir schon ein Stein vom Herzen, das wir die hinbekommen haben. Man hat es auch heute auf der Betriebsversammlung deutlich gesehen. Die Kollegen sind natürlich nicht vollkommen entspannt, sie wollen natürlich wissen, wie am Ende alles ausgeht, wie der gesamte Unternehmensplan aussieht, aber das war jetzt eigentlich das, was wir gebraucht haben, um mal Kraft zu schöpfen in den Weihnachtsferien und deswegen sind die Kollegen jetzt - glaube ich - einigermaßen entspannt in die Ferien gegangen."
    Opel-Mitarbeiter nach jahrelanger Unsicherheit erschöpft
    Viele Opel-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter wollten nach dem Ende der Betriebsversammlung bei nasskaltem Wetter am Tor 60 des Rüsselsheimer Werkes keinen Kommentar zur neuen Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung abgeben. Nach jahrelanger Unsicherheit angesichts der Zukunft des defizitären Traditionsunternehmens seien viele tatsächlich einfach seelisch erschöpft, sagt diese Werksangehörige, die ihren Namen nicht nennen will:
    "Man sagt vieles. Die Leute sind sehr krank und haben Angst um ihren Job. Was kommt - die Zukunft!"
    Doch die Vereinbarung von gestern zeige nun zumindest schon für einen Teilbereich der deutschen Opel-Betriebe mit noch rund 19.000 Beschäftigten auf, wohin die Reise konkret gehen könnte. Das versichert der Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Schäfer-Klug:

    "Wir haben jetzt zumindest schon mal für den Bereich Einkauf den Teilinteressensausgleich abgeschlossen. Und der wird ohne Personalabbau stattfinden. Personalabbau nur dahingehend, dass Altersteilzeit, die gemacht wird, die Kolleginnen und Kollegen nicht ersetzt werden oder eben die Kollegen in Rente gehen oder auf anderen Wegen das Unternehmen verlassen haben, dass diese Arbeitsplätze nicht ersetzt werden. Aber das es keinen Abbau gibt über Abfindungen oder Ähnliches für den Bereich Einkauf. Alle anderen Bereiche, Werke, Entwicklungszentrum werden dann im nächsten Jahr Stück für Stück folgen."
    Arbeitsstunden werden gestrichen
    Zu Altersteilzeit und Vorruhestand kommt ab Januar Kurzarbeit in den Werken Rüsselsheim und Kaiserslautern. Jochen Humburg, der erste Bevollmächtigte der IG Metall in Südhessen, mahnt, dass der Sozialabbau nun nicht von der Opel-Kernbelegschaft auf die Autozulieferer verlagert wird:
    "Und zuvorderst würde ich jetzt mal die Zulieferer nennen, die hier am Standort schon tätig sind und davon vermutlich auch betroffen sein werden. Und auch dort wollen wir darauf achten, dass wir das einigermaßen fair hinbekommen - aber das wird schwierig."
    Schwierig wird es für die Beschäftigten auch, künftig mehr als 35 Stunden pro Woche arbeiten zu wollen. Denn hier gilt der Tarifvertrag. Viele Opel-Mitarbeiter hatten in der Vergangenheit aber freiwillig 40 Stunden gearbeitet. Auch hier werden Arbeitsstunden gestrichen. Wie groß das nun verabredete Einsparpotenzial für Opel tatsächlich sein wird - dazu wurden heute in Rüsselsheim keine Zahlen genannt.