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Skandinavien
"Nicht-Willkommenskultur" schreckt Flüchtlinge ab

Noch vor einem Jahr war Schweden Musterland einer offenen Einwanderungspolitik. Seitdem die Asylgesetze verschärft wurden, kommen immer weniger Flüchtlinge - viele kehren sogar in ihre Heimatländer zurück. In Norwegen baut man einen Zaun an der Grenze und auch in Dänemark und Finnland herrscht die neue "Nicht-Willkommenskultur".

Von Carsten Schmiester | 31.08.2016
    Schweden will bis zu 80.000 Flüchtlinge abschieben.
    163.000 Flüchtlingen kamen 2015 nach Schweden. Seit Januar dieses Jahres waren es nur noch knapp 20.000 Zuwanderer - fast 11.000 sind bereits in ihre Heimatländer zurückgekehrt. (dpa/picture alliance/TT NEWS AGENCY/Johan Nilsson)
    Der dänische Regierungschef Lars Løkke Rasmussen steht seit seiner Wahl unter Druck – und zwar von ganz rechts. Seine liberal-konservative Minderheitsregierung ist auf die Unterstützung der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei angewiesen. Seine Asylpolitik ist dementsprechend - ganz und gar nicht nicht-liberal. Aber sie ist erfolgreich, das sagte er erst gestern in dieser online veröffentlichten Rede:
    "Als meine Partei zuletzt an der Regierung war, kamen nur etwa 5.000 Asylsuchende pro Jahr. Die Anzahl ist danach stark gestiegen, allein im vergangenen Jahr sind über 21.000 gekommen. Deshalb haben wir die Aufenthaltsbedingungen verschärft, die EU ordentlich unter Druck gesetzt und jetzt zeigt diese Politik zum Glück Wirkung."
    Dänische Regierung: "Es sind immer noch zu viele Flüchtlinge"
    "Zum Glück!" Das sehen inzwischen offenbar nicht nur die Anhänger der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei so, sondern alle Freunde der neuen "Nicht-Willkommenskultur". Sie bejubeln mit Rasmussen die jüngste Statistik des Innenministeriums. Danach sind zwischen dem 22. und 28. August nur 36 Asylanträge gestellt worden, es war die bisher "Flüchtling-schwächste" Woche des Jahres:
    "Deshalb können wir jetzt die Prognose senken auf höchstens 10.000 in diesem Jahr. Aber es sind immer noch zu viele Flüchtlinge. Ihre Zahl muss weiter nach unten. Deshalb werden wir die Bedingungen noch strenger machen und uns abschirmen, damit wir nie wieder eine Völkerwanderung auf der Autobahn erleben."
    Norwegen baut Zäune am Grenzübergang
    Auch Norwegen hat etwas gegen Völkerwanderungen und seien sie noch so klein. Keine 6.000 Flüchtlinge waren bis Ende 2015 über die "arktische Route" hoch im Norden mit Fahrrädern über die für Fußgänger gesperrte norwegisch-russische Grenze gefahren. Dann verschärfte auch Oslo die Asylgesetze weiter und schon im Dezember kamen keine Flüchtlinge mehr.
    Trotzdem wird jetzt ein im April beschlossener Zaun am Grenzübergang gebaut, rechts wie links je 100 Meter lang und dreieinhalb Meter hoch. Ein eher absurdes Zeichen dieser "Nicht-Willkommenskultur" in Skandinavien, die Sylvi Listhaug von der rechtspopulistischen Fortschrittspartei im Frühjahr so begründet hatte. Sie ist übrigens Einwanderungs- und Integrationsministerin:
    "Wir sind eines der attraktivsten Einwanderungsländer. Wir haben gesehen, dass andere sehr liberale Länder wie Deutschland und Schweden enorme Probleme bekommen haben. Würden wir unsere Asylpolitik liberalisieren, würde man morgen auf der Straße in Mogadischu davon hören. Geben wir aber ein Signal, dass wir eine strenge Asylpolitik verfolgen, dann macht das ebenso schnell die Runde."
    Frust vertreibt viele Flüchtlinge aus Schweden
    Auch in Finnland und Schweden sind die Asylgesetze deutlich verschärft worden. Aufenthaltsgenehmigungen gibt es wenn, dann nur noch befristet. Der Nachzug von Familienangehörigen wurde deutlich erschwert. Das Ergebnis: In Schweden, noch vor einem Jahr das Musterland einer offenen Einwanderungspolitik, sind nach 163.000 Flüchtlingen in 2015 seit Januar dieses Jahres nur knapp 20.000 gekommen.
    Aber fast 11.000 haben die Ausreiseprämie von gut 3.000 Euro akzeptiert und sind inzwischen in ihre Heimatländer zurückgeflogen. So viele wie nie zuvor. Freiwillige Rückkehr, heißt das offiziell, aber es ist vor allem der Frust, der diese Menschen aus Schweden vertreibt. Ahmet Abdul Mohammed ist einer von ihnen, ein 42 Jahre alter bald Ex-Flüchtling aus Bagdad:
    "Wir hatten gehört, dass der Asylprozess in Schweden nicht mehr als ein paar Monate dauern würde. Jetzt bin ich aber schon fast ein Jahr lang hier und warte immer noch auf einen Bescheid. Meine Familie kann nicht mehr länger warten. Ich habe kleine Kinder, die mich brauchen, und mein ältester Sohn kann nicht die ganze Familie versorgen."