Archiv

Sperre von Nachrichteninhalten
Facebook lässt in Australien seine Muskeln spielen

Facebook statuiert in Australien ein Exempel: Das US-Unternehmen hat in Australien den Zugang zu journalistischen Seiten gesperrt. Der Schritt sorgt international für Empörung. Auch in Deutschland warnen Politikerinnen und Datenschützer vor der Marktmacht des Konzerns.

Von Michael Borgers |
Auf mehreren australischen Tageszeitungen liegt ein Smartphone, das das Facebook-Logo zeigt
Vorerst können Australiens Nachrichtenredaktionen in ihrer Heimat keine Inhalte mehr über Facebook verbreiten (IMAGO / AAP)
"Breaking: Facebook hat in Australien damit begonnen, Nachrichteninhalte online zu sperren." Es ist die vorerst letzte Nachricht im Facebook-Profil von Nine News Australia, dem Nachrichtenkanal von Channel 9, einer der größten australischen Rundfunkgesellschaften. Auch andere australische Redaktionen haben am Donnerstag (18.02.2021) am frühen Morgen damit aufgehört, neue Inhalte auf Facebook zu posten – denn in ihrer Heimat kann sie seitdem dort, anders als auf Twitter, niemand mehr lesen.
Das soziale Netzwerk hat Nutzerinnen und Nutzern in Australien den Zugang zu journalistischen Inhalten und auch Mitteilungen der Regierung über Notfalldienste blockiert. Solche Nachrichten könnten dort nun nicht mehr geteilt werden, teilte Facebook mit und begründete dies damit, dass die Regierung in Canberra ein neues Mediengesetz plant.
Australiens Ministerpräsident Scott Morrison verurteilte das Vorgehen des Unternehmens. Die Entscheidung sei "arrogant wie enttäuschend", sagte Morrison. Solche Aktionen würden nur die Bedenken bestätigen, die "mehr und mehr Länder mit Blick auf das Verhalten von Big-Tech-Unternehmen haben", kritisierte der Politiker – und drohte mit dem Hinweis, im regelmäßigem Austausch mit den Regierungschefs dieser Länder zu stehen.

Streit um ein geplantes Gesetz

Der Sperre durch Facebook ist ein langer Streit vorangegangen. Australien will das Unternehmen von Firmenchef Mark Zuckerberg und auch Google per Gesetz dazu bringen, Verlage und andere Medienhäuser für Meldungsausschnitte zu bezahlen, die die US-Konzerne von deren Webseiten abgreifen.
"Der Aufstieg der digitalen Plattformen hat dem Nachrichtenjournalismus und dem Journalismus insgesamt stark geschadet." So erklärte Rod Sims, der Vorsitzende der australischen Wettbewerbs- und Verbraucherkommission ACCC, die Pläne. Durch diese Wettbewerbsverschiebung seien Redaktionen stark benachteiligt und könnten ihre Inhalte kaum noch finanzieren. Das Gesetz sieht vor, dass die mit Nachrichteninhalten verbundenen Werbeeinnahmen künftig geteilt werden sollen. Wie, müssen die Tech-Firmen und Medienunternehmen selbst verhandeln, berichtete Australien-Korrespondentin Alexandra Falk Mitte Januar im Deutschlandfunk über die Pläne.
Google hat inzwischen mit einigen Medienhäusern Zahlungen für deren journalistische Inhalte vereinbart. Facebook lehnt das ab mit der Begründung, das geplante Gesetz verkenne grundlegend das Verhältnis zwischen der Plattform und den Verlagen, die sie nutzen.

Kritik auch aus Deutschland

Dass Facebook nun in Australien ernst macht und Medienseiten sperrt, sorgt auch in Deutschland für Kritik. Der Konzern erpresse einen demokratischen Staat, "um eigene wirtschaftliche Interessen durchzusetzen", twittert Peter Schaar, der frühere Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung. Die Sperre für Nachrichteninhalte und auch für öffentliche Warnmeldungen "sollte auch dem Letzten klarmachen, warum die Macht von Facebook und Co. beschnitten werden muss".
"Dass sich gleichzeitig während der Pandemie Verschwörungserzählungen auf Facebook immer weiter verbreiten, zeigt, wie der Konzern seine gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt", kritisierte die Grünen-Digitalpolitikerin Eva Botzenhart. Nach der Marktmacht würden die Mega-Plattformen jetzt auch ihre politische Macht ausspielen, erklärte BDZV-Hauptgeschäftsführer Dietmar Wolff gegenüber dpa.

EU-Politiker Wölken lehnt "australisches Modell" ab

Die nun in Australien getroffenen Regeln seien zwar "vergleichbar mit dem sogenannten Leistungsschutzrecht in der Europäischen Union", sagte der Europa-Abgeordnete Tiemo Wölken dem Deutschlandfunk. "Medieninhalte dürfen nicht mehr, auch in kurzen Auszügen nicht, angezeigt werden, ohne dass vorher eine Lizenz erworben wurde." Doch anders als in Europa könne die Politik gezielt entscheiden, welche Lizenzen abgeschlossen werden. "Das ist selektiver als das europäische Leistungsschutzrecht, das für alle gilt."
Das australische Modell hält Wölken für den "falschen Weg". Dass Facebook nun Inhalte sperrt, sei "dramatisch für eine Informationsgesellschaft". Es müsse künftig mehr darum gehen, "wie Werbeeinnahmen reguliert und auch besteuert werden können". Und aus diesen Einnahmen könnte Journalismus gefördert werden.
Der SPD-Politiker erwartet, dass es im Rahmen der EU-Gesetzesinitiativen Digital Services Act (DSA) und Digital Markets Act (DMA) künftig auch in Europa eine Diskussion über Journalismusfinanzierung geben wird.

EU setzt auf Urheberrechts-Richtlinie

Die Frage nach einer finanziellen Beteiligung von Medienunternehmen an den Milliardengewinnen der US-Konzerne sorgt seit Jahren international für Diskussionen. In Europa läuft der Streit unter dem Stichwort Leistungsschutzrecht, das für mehr Gerechtigkeit sorgen soll. Die 2019 novellierte europäische Urheberrechts-Richtlinie müssen die EU-Staaten bis 2021 in nationales Recht umsetzen. In Frankreich, das die Richtlinie früh umgesetzt hatte, zahlt Google inzwischen Lizenzen an Medien.
Verlage wollen Geld für Inhalte
Seit Jahren sinken bei den meisten Zeitungsverlagen nicht nur die Auflagen, sondern auch die Werbeeinnahmen – während Google, Facebook & Co. mit Werbung riesige Umsätze machen. Der Blick nach Australien macht aber Hoffnung.
In anderen Ländern, wie Deutschland, setzt das Unternehmen mit dem "News Showcase" auf ein Programm, mit dem es einige Medienhäuser für Inhalte bezahlt. Kritiker sehen darin vor allem einen Weg, vor der Umsetzung der Urheberrechts-Richtlinie gut Wetter für sich zu machen.
"Showcase" ist auch das Modell, unter dem Google in Australien seine Lizenzvereinbarungen getroffen hat.