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Corona-Pandemie
Reiseverband: "Hilfen weiter notwendig, sonst sehen wir Insolvenzen"

Urlaub sei unter Einhaltung der Corona-Abstands- und Hygieneregeln möglich, sagte Kerstin Heinen vom Deutschen Reiseverband im Dlf. Es sei aber eine Zurückhaltung bei Buchungen erkennbar, eine Stornierungswelle angesichts der Delta-Variante allerdings noch nicht. Die Reisebranche brauche weitere staatliche Hilfen.

Kerstin Heinen im Gespräch mit Philipp May |
Blick auf einen Strand in Oeiras in der Nähe von Portugals Hauptstadt Lissabon.
Blick auf einen Strand in Oeiras in der Nähe von Portugals Hauptstadt Lissabon. (dpa / picture alliance / Edson De Souza)
Die Delta-Variante des Coronavirus breitet sich in Deutschland und in Europa weiter aus. Unter anderen Ländern gilt Portugal seit Dienstag (29.06.2021) als Virusvariantengebiet, damit müssen Reiserückkehrer nach Deutschland in Quarantäne, selbst wenn sie schon zweimal geimpft worden sind. Der Deutsche Reiseverband verzeichnet infolgedessen bislang keine Stornierungswelle, so Verbandsprecherin Kerstin Heinen im Deutschlandfunk. Umfragen zeigten zudem, dass die Menschen gerne Sonne, Meer und Strand haben wollten. Dennoch gebe es weiterhin große Zurückhaltung bei den Buchungen. "Im Vergleich zu einem normalen Jahr, was das Sommergeschäft betrifft, haben wir gerade einmal 25 Prozent in den Büchern stehen", sagte Heinen. Die Reisebranche brauche weiter Hilfen - "sonst sehen wir Insolvenzen."
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Bei Einhaltung der Corona-Regeln wie Abstand, Maske und Hygiene sei laut Heinen auch Urlaub möglich. "Solange man verantwortungsvoll mit Mobilität umgeht, sich an die Regeln hält – egal, ob man in Deutschland oder woanders ist – steht einem sicheren Urlaub nichts entgegen", so die DRVDE-Sprecherin zum Reiseverhalten der Deutschen in Pandemiezeiten.

Zugleich begrüßte Heinen, dass die Bundesregierung die Corona-Einreiseverordnung vorerst nicht verschärft habe. Bereits jetzt gebe es im Flugbereich engmaschige Kontrollen für Reiserückkehrer nach Deutschland. "Jede Flugreise, die nach Deutschland zurückgeht, kann nur angetreten werden, wenn ich entweder geimpft, genesen bin oder einen negativen Corona-Test vorweisen kann", sagte Heinen.
Das Interview im Wortlaut:
Philipp May: Frau Hein, wäre zu Hause bleiben nicht eigentlich das Beste?
Heinen: Ja, letztlich muss das jeder für sich entscheiden, aber was wir sehen in Umfragen und auch bei der Buchungsentwicklung jetzt in der jüngsten Zeit, ist, die Menschen möchten gerne raus. Die möchten noch mal wieder was anderes sehen, die möchten gerne Sonne, Meer, Strand, und ehrlich gesagt, ich kann’s auch gut verstehen.
May: Jetzt ist dennoch seit heute Portugal wieder Virusvariantengebiet. Was bedeutet das für die Reiseveranstalter?
Heinen: Für die Reiseveranstalter bedeutet das erst mal sehr viel Arbeit. Das heißt, sie haben am Freitagabend, als das Robert Koch-Institut gesagt hat, okay, ab Dienstagnacht oder Montagnacht auf Dienstag, sprich Dienstag früh, ist Portugal Virusvariantengebiet. Dann haben die Reiseveranstalter angefangen, alle ihre Kunden, die gerade vor Ort sind, zu informieren entsprechend und sie auch umzubuchen, damit sie dann möglicherweise, wenn sie das auch möchten, bevor Portugal Virusvariantengebiet wird, noch zurück nach Deutschland kommen und damit eine 14-tägige Quarantäne umgehen.
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"Das allheilsamste Mittel sind die Corona-Regeln"

May: Jetzt muss man nur befürchten in Anbetracht der Tatsache, wie schnell sich auch die Delta-Variante ausbreitet und zur dominierenden Variante in ganz Europa wird, dass bald überall Europa Virusvariantengebiet ist. Was bedeutet das dann?
Heinen: Na ja, es ist natürlich sehr schwierig. Robert Wieler hat gestern schon gesagt, er schätzt, dass in Deutschland auch bereits 50 Prozent der Corona-Fälle von Delta verursacht sind, dementsprechend, die Ausbreitung ist ja schon da.
Ich würde sagen, das allheilsamste Mittel, um es mal so zu nennen, sind tatsächlich die Corona-Regeln. Das heißt Abstand halten, Maske tragen, sich an die Hygienemaßnahmen halten und nicht zu überschwänglich werden, denn auch so ist ja ein Leben möglich, zumindest auch noch mal jetzt eine ganze Zeit, wir haben uns ja dran gewöhnt, und so ist auch Urlaub möglich. Ich muss nicht permanent die Maske tragen, aber da, wo es ein bisschen enger wird, sollte ich sie vielleicht auf die Nase tun.
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May: Dennoch haben natürlich viele Menschen Sorge, dass sie sich im Urlaub anstecken. Merken Sie das schon, kommt schon die große Stornierungswelle bei Ihnen?
Heinen: Nee, im Moment noch nicht – jetzt ist es allerdings auch noch sehr früh, Portugal ist jetzt gerade eben passiert. Im Moment sehen wir ehrlich gesagt stärker, dass die Menschen tatsächlich raus wollen.
Mit der Veränderung der Einreiseverordnung der Bundesregierung, wo eine Quarantänepflicht für Rückreisende aus einem, ich nenne es mal, einfachen Risikogebiet aufgehoben wurde und man sich da freitesten kann, wenn man noch nicht geimpft oder genesen ist, seitdem sehen wir wirklich einen Anstieg der Buchungen, was aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass wir im Vergleich zu einem normalen Jahr, was das Sommergeschäft betrifft, gerade mal 25 Prozent der Umsätze in den Büchern stehen haben.

"Hilfen weiter notwendig, sonst sehen wir Insolvenzen"

May: Das heißt, wie überlebt das die Branche?
Heinen: Das ist eine sehr gute Frage. Die Branche kämpft jetzt wirklich seit anderthalb Jahren mit Corona. Wir haben zum Glück auch die Überbrückungshilfen und die sonstigen Hilfen der Bundesregierung in Anspruch nehmen können, da wurde an verschiedenen Stellen noch mal ein bisschen nachgefeilt, weil die Reisebranche nicht an allen Stellen mit anderen Branchen zu vergleichen ist. Das war auch gut so und das hat auch sehr geholfen.
Jetzt hat Herr Altmaier auch noch mal die Überbrückungshilfen verlängert bis Ende September. Da hätten wir uns gewünscht, dass das aus dem Wahlkampf rausbleibt und nicht direkt nach der Wahl im Grunde genommen darüber diskutiert werden muss, ob noch mal verlängert wird, einfach deshalb, weil völlig klar ist, dass die Reisebranche noch weiter Hilfen braucht.
Wir hatten im vergangenen Jahr einen Umsatzverlust von 80 Prozent, für den Sommer sind wir bei gerade mal 25 Prozent des Umsatzes, das heißt wieder 75 Prozent, und wir rechnen bis Ende des Jahres erneut mit, ich sag mal, maximal 40 bis 60 Prozent des Geschäfts vor Corona. Das heißt, Hilfen werden weiter notwendig sein, sonst sehen wir Insolvenzen.
May: Müsste sich die Branche nicht möglicherweise generell jetzt auch umstellen?
Heinen: Inwiefern umstellen?
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May: Inwiefern umstellen – na ja, so eine Krise kann ja auch möglicherweise Chance sein, Stichwort zum Beispiel Klimakrise: Kreuzfahrten werden zunehmend kritischer gesehen, Flugreisen auch, ein Zurück wie früher wird es möglicherweise gar nicht geben.
Heinen: Wir sehen definitiv, dass das Thema Nachhaltigkeit weiteren, ich nenne es mal Zuspruch erhält. Dennoch sehen wir aber auch, die Kunden möchten gerne in den Urlaub fahren, und ich denke, das ist auch ein absolut berechtigter Wunsch.
Der Klimaschutz ist auch ein mehr als nur berechtigter Wunsch, gar keine Frage, da ist aber auch die gesamte Branche wirklich sehr aktiv. Wir sehen aber dann auch im Reisebüro, wenn es an die Buchungen geht, wenn zum Beispiel ein Reisebüromitarbeiter den Kunden fragt, möchten Sie denn jetzt vielleicht Ihren Flug CO2-kompensieren, dann lautet die Antwort nach wie vor sehr häufig nein. Das heißt, zwischen Wunsch, ich möchte nachhaltig verreisen, und der dann tatsächlich umgesetzten Buchungsentscheidung ist noch ein großer Weg, aber da, denke ich, hilft auch weitere Aufklärung.
Und dann ist natürlich auch das Thema Weiterentwicklung von Treibstoffen et cetera, et cetera ein ganz großes, da wird auch sehr viel getan, sowohl bei den Fluggesellschaften als auch bei den Schiffen.

"Wir haben leider keine Kristallkugel"

May: Okay, lassen wir diesen Exkurs, kommen wir zurück zu Corona: Ist es nicht eine Frage der Zeit, bis immer mehr Länder zum Virusvariantengebiet werden und für jeden, der jetzt in einem anderen europäischen Land Urlaub macht, die Gefahr einfach zu groß ist, dass er am Ende zwei Wochen in Quarantäne sein muss?
Heinen: Wir haben – in dem Fall sage ich jetzt leider – keine Kristallkugel, und niemand kann, glaube ich, ganz genau sagen, was jetzt passiert. Was ich definitiv sagen kann, ist, dass alle Reiseveranstalter, die gesamte Branche, sehr, sehr aufmerksam sich die Entwicklung in den einzelnen Ländern anschauen und da wirklich ein Auge drauf haben und gucken, wie entwickelt sich die Situation weiter.
May: Was für einen Urlaub würden Sie denn in Anbetracht der aktuellen Situation den Menschen empfehlen?
Heinen: Eine Empfehlung auszusprechen, finde ich, ist immer sehr schwierig, weil es gibt so vielfältige Arten, Urlaub zu machen, letztlich muss das jeder für sich entscheiden. Die Mehrheit der Deutschen bleibt in Deutschland, das war schon immer so, auch vor Corona, und das hat sich dann jetzt während Corona anteilig noch mal ein bisschen verschoben, das heißt, es sind noch mal mehr Menschen in Deutschland geblieben.
Ich gehe davon aus, dass genau die, die jetzt dann noch mal in Deutschland bleiben, dann aber auch irgendwann mal wieder raus wollen wirklich, sprich, noch mal ganz was anderes sehen. Solange man da wirklich verantwortungsvoll umgeht mit der ganzen Mobilität, sich an die Regeln hält, egal wo man ist, ob in Deutschland oder eben im Urlaub, steht, glaube ich, einem sicheren Urlaub nichts entgegen.
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May: Jetzt wird es erst einmal keine schärfere Einreisebestimmung geben, das wurde gestern abgelehnt vom Bundesinnenministerium – ist das in Ihrem Sinne?
Heinen: Natürlich ist das in unserem Sinne. Die Corona-Einreiseverordnung regelt ganz klar, wie verfahren wird, wenn man aus dem Urlaub oder aus dem Ausland – das sind ja auch Geschäftsreisende, die zurückkommen – verfahren wird. Da gibt es eine Einteilung zwischen Nicht-Risikogebiet, einfachem Risikogebiet, Hochinzidenzgebiet und Virusvariantengebiet.
Die schlimmste Form des Virusvariantengebiets – haben wir jetzt gerade bei Portugal – bedeutet, dass jeder, egal ob geimpft oder genesen, definitiv in eine 14-tägige Quarantäne muss bei Einreise nach Deutschland. Hochinzidenz, alles über einer 200er-Corona-Inzidenz, bedeutet, dass Geimpfte und Genesene einreisen können, alle anderen können sich nach fünf Tagen mit einem Test freitesten, sofern der dann negativ ist.
Und beim einfachen Risikogebiet ist es so, dass Sie sich sofort mit einem Test freitesten können, sofern Sie noch nicht geimpft oder genesen sind. Darüber hinaus gibt es – das ist ebenfalls in der Corona-Einreiseverordnung geregelt – die Regelung, dass jede Flugreise, die zurück nach Deutschland geht, nur angetreten werden kann, wenn ich entweder geimpft, genesen oder einen negativen Corona-Test vorweisen kann.
Das heißt, im Flugbereich sind engmaschige Kontrollen da, das heißt, bevor ich nicht den Test vorweise oder die Impfung, kann ich gar nicht in den Flieger steigen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.