Dienstag, 19. März 2024

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Urteil gegen Hoeneß
"Kein Kavaliersdelikt"

Steuerhinterziehung sei eine schwere Straftat und werde entsprechend geahndet,sagte Michael Meister, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, im DLF. Die Pflicht zur Finanzierung des Staates müsse jedem deutlich gemacht werden.

Michael Meister im Gespräch mit Christoph Heinemann | 14.03.2014
    Großaufnahme eines roten Aktendeckels mit der Aufschrift "Steuerstrafakten in Sachen gegen..."
    Michael Meister: "Wir müssen deutlich machen, die Pflicht an der Finanzierung des Staates, der Gemeinschaft teilzuhaben, der kann man sich nicht straffrei entziehen." (picture alliance / dpa)
    Christoph Heinemann: Die Verurteilung des FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß zu dreieinhalb Jahren Gefängnis hat den Fußballklub und seine großen Sponsoren verstummen lassen. Der FC Bayern, Adidas, Audi, Volkswagen und die Deutsche Telekom wollten sich erst mal nicht zu der Entscheidung des Münchner Landgerichts äußern. Auch von der Allianz war keine Stellungnahme zu erhalten. Die Gremien des Vereins wollen sich erst beraten, das erklärte ein Sprecher des FC Bayern.
    Am Telefon ist Michael Meister (CDU), der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Guten Morgen!
    Michael Meister: Guten Morgen, Herr Heinemann!
    Der CDU-Politiker Michael Meister
    Der CDU-Politiker Michael Meister (dpa / picture alliance / Andreas Altwein)
    Heinemann: Herr Meister, Sie haben gesagt, das Urteil werde die Steuermoral heben. Was macht Sie da so sicher?
    Meister: Zwei Dinge. Zum einen: Dieses Verfahren hatte einen extrem hohen öffentlichen Aufmerksamkeitsgrat und es ist klar geworden, Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine schwere Straftat und wird auch entsprechend geahndet.
    "Pflicht an der Finanzierung des Staates kann man sich nicht straffrei entziehen"
    Heinemann: Also ist es richtig, dass jemand, der 28 Millionen hinterzogen hat, bestraft wird?
    Meister: Es ist eindeutig richtig, dass da eine Strafe erfolgt. Wir müssen deutlich machen, die Pflicht an der Finanzierung des Staates, der Gemeinschaft teilzuhaben, der kann man sich nicht straffrei entziehen.
    Heinemann: Herr Meister, haben Sie sich bei SPD, Grünen und Linkspartei schon dafür bedankt, dass eine Verurteilung im Fall Hoeneß überhaupt möglich war?
    Meister: Nein, dafür gibt es überhaupt keinen Grund.
    Heinemann: Doch! Den Grund haben wir gerade gehört im Bericht von Michael Watzke, nämlich aus dem Mund von Anton Hofreiter. Die parlamentarische Linke hat verhindert, dass das Steuerabkommen mit der Schweiz in Kraft treten konnte, und weil das so war, konnte Herr Hoeneß verurteilt werden.
    Meister: Das mag ja im Einzelfall Uli Hoeneß der Fall sein. Nur gleichzeitig sind wahrscheinlich Tausende Menschen in ähnlich gelagerten Fällen leider ihrer Steuerpflicht dadurch entgangen.
    Heinemann: Bis jetzt!
    Meister: Wir hätten es ja geschafft, dass alle da herangezogen worden wären. Jetzt sind Teile verjährt, weil mit jedem Jahr, mit jedem neuen Jahr, was wir beginnen, verjähren ja alte Sachverhalte. Insofern, glaube ich, hat die Linke in Deutschland hier dem Steuerzahler einen sehr schlechten Dienst erwiesen, und wir haben da keinen Dank abzustatten.
    Heinemann: Aber nach dem CDU-Modell oder dem Unions-Modell wäre Uli Hoeneß straffrei davon gekommen.
    Meister: Es wäre die Möglichkeit gewesen, dass er pauschaliert Steuern, Zinsen auf das, was er in der Schweiz deponiert hatte, nachzahlt. Damit wären die Steuerzahlungen da gewesen, aber nicht nur im Fall Uli Hoeneß, sondern von allen, die in der Schweiz in irgendeiner Form verdeckte Kapitalanlagen haben.
    Heinemann: Können sich Besserverdienende auch in Zukunft auf die CDU verlassen?
    Meister: Nein! Es geht hier nicht um Besser- oder Schlechterverdienende.
    Heinemann: Im Falle Hoeneß schon, oder?
    Meister: Ja. Aber wir reden hier wieder über einen Einzelfall. Wir haben sehr viele Menschen, die Schwarzarbeit begehen, und ich glaube, da geht es nicht unbedingt um Besserverdienende. Das ist ein breites Phänomen in der Gesellschaft. Und wir müssen darauf achten, dass Steuern und Sozialabgaben bezahlt werden, und zwar ohne Ansehen der Person.
    Schweiz: "Andere Rechtslage"
    Heinemann: Warum sollte straffrei bleiben - ich komme noch mal auf das Steuermodell mit der Schweiz -, wer Steuern nicht gezahlt hat?
    Meister: Das Problem mit der Schweiz ist, dass die Schweiz eine andere Rechtslage hat und wir bei dem Abkommen mit der Schweiz ja zehn Jahre in die Vergangenheit gegriffen hätten und dort die Zahlungen aufgehoben, also angezogen hätten nach Deutschland. Und das Problem war, wenn wir dann die Namen aufdecken, dann hätten wir gegen Schweizer Recht verstoßen, und dazu war die Schweiz nicht bereit.
    Heinemann: Und aktive Informationen hätten Sie von der Schweiz niemals bekommen können?
    Meister: Wir werben jetzt gerade um die EU-Zinsrichtlinie, wo wir ja mit Österreich und Luxemburg darum werben, dass wir endlich die Information innerhalb der EU bekommen, und ich glaube, dann wird auch das Hindernis in Richtung Schweiz reduziert und auch die Schweiz bereit sein, uns die Informationen für die Zukunft, aber leider nicht für die Vergangenheit zur Verfügung zu stellen.
    Heinemann: Das Ganze aber nur auf Druck von SPD, Grünen und Linkspartei. Also doch vielleicht ein kleines Dankeschön heute früh aus Ihrem Mund an die Kollegen links von der Union?
    Meister: Nein. Der Druck kommt von dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der sich auf EU-Ebene, aber auch auf G20-Ebene für diesen Informationsaustausch massiv einsetzt. Er hat das Thema angeschoben und ihm gilt der Dank, wenn es Dank zu sagen gilt.
    Heinemann: Aber Herr Schäuble hätte doch längst das Abkommen mit der Schweiz unterschrieben, und zwar so, wie es vorher geplant war.
    Meister: Ja, weil es dem deutschen Staat genutzt hätte und wir damit dazu gekommen wären, dass in breitem Umfang von allen Steuerpflichtigen, die davon betroffen sind, Steuern nachgezahlt worden wären, und zwar über einen Zeitraum von zehn Jahren. Uns sind da Milliarden-Beträge entgangen. Das haben Rot-grün zu verantworten.
    Heinemann: Und Uli Hoeneß und anderen Besserverdienenden hätte das Schäuble-Modell auch genutzt?
    Meister: Ich glaube, es hätte ihnen nichts genutzt, sondern wir freuen uns jetzt an dem einen oder anderen Fall vor Gericht, aber das sind leider Einzelfälle, und in der Breite hat Rot-grün dafür gesorgt, dass diese Dinge unentdeckt bleiben und eben nicht die Steuerzahlungen herbeigeführt werden. Ich glaube, wir müssen auch darauf achten, dass wir eine Steuergerechtigkeit in dem Sinne haben, dass jeder zur Zahlung herangezogen wird und wir nicht nur uns an Einzelfällen erfreuen.
    Heinemann: Herr Meister, das Instrument der Selbstanzeige ist im Falle Hoeneß gescheitert. Das hat nicht geklappt. Rechnen Sie jetzt mit weniger Selbstanzeigen?
    Meister: Nein, im Gegenteil. Ich glaube, jeder muss wissen, dass wir den Informationsaustausch zeitnah international ausdehnen werden. Ich habe vorhin die Zinsrichtlinie angesprochen. Das führt dazu, dass das Entdeckungsrisiko für Steuerhinterzieher massiv ansteigen wird, und deshalb kann man hier nur jedem raten, der nicht alles deklariert hat gegenüber den Finanzbehörden, von diesem Instrument Gebrauch zu machen und sich steuerehrlich zu machen. Das Entdeckungsrisiko wird mit jedem Tag ansteigen.
    Heinemann: Wieso sollte straffrei bleiben, wer sich selbst anzeigt?
    Meister: Wir haben bei der Situation eine Verbindung zwischen Strafrecht und Steuerrecht. Im Steuerrecht haben wir die Situation, Sie müssen als Steuerpflichtiger mitwirken, Sie müssen alles offenlegen. Im Strafrecht können Sie als Beschuldigter schweigen, und da brauchen wir eine rechtliche Verbindung zwischen beiden Rechtsgebieten. Und zum zweiten, wenn Sie mal die CD-Ankäufe ansehen: Nur ein sehr kleiner Teil konnte ausgewertet werden von den Finanzbehörden. Der weit überwiegende Teil dessen, was wir da erzielt haben, stammt aus dem Instrument der Selbstanzeige, und deshalb dient auch dies dem Rechtsweg und der Steuergerechtigkeit.
    Steigendes Entdeckungsrisiko
    Heinemann: Funktioniert die Selbstanzeige nur dann wirksam, wenn im Hintergrund Steuer-CDs drohen?
    Meister: Ich glaube, der Druck, nicht so sehr über die CDs, sondern über das Thema, das für alle Steuerpflichtigen in Zukunft ein internationaler Informationsaustausch stattfindet, das wird dazu führen, dass das Entdeckungsrisiko massiv ansteigt und es deshalb sehr, sehr gefährlich sein wird, in Zukunft nicht alles zu deklarieren.
    Heinemann: Aber es wäre schon interessant zu sehen, dass im Zuge der Steuer-CDs doch die Selbstanzeigen sprunghaft angestiegen sind.
    Meister: Ja die Steuerpflichtigen haben begriffen, dass in einigen Sektoren - hier ging es speziell um die Schweiz - das Entdeckungsrisiko ansteigt. Durch den Informationsaustausch und durch die Zinsrichtlinie werden wir nicht nur die Schweiz erreichen, sondern auch andere Gebiete auf der Welt.
    Heinemann: Die Steuer-CDs tun der Staatskasse gut, kann man sagen?
    Meister: Die Steuerehrlichkeit tut der Staatskasse gut und deshalb müssen wir Druck ausüben, dass Unehrlichkeit eben nicht verborgen bleibt und wenn sie auffliegt, auch entsprechend geahndet wird.
    Heinemann: Druck auch mit Steuer-CDs?
    Meister: Das ist ein vorübergehendes Instrument. Wenn wir den Informationsaustausch und die Zinsrichtlinie haben, werden die, glaube ich, verzichtbar sein.
    Heinemann: Sind Sie da sicher?
    Meister: Ja, weil dann bekommen wir regulär die Informationen, die wir jetzt auf gewagten Wegen, nämlich Ankauf von Informationen, die an einigen Stellen punktuell gewonnen worden sind, uns verfügbar werden.
    "Geschäftsbeziehung Bank-Kunde sollte ein Vertrauensverhältnis sein"
    Heinemann: Herr Meister, ich möchte Ihnen einen Auszug vorlesen aus dem Leitartikel heute der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Da steht: "Die Gerichte legen selbst Spielbanken Pflichten auf, Spielsüchtige vor dem Ruin zu bewahren. Für Banken, die immer noch behaupten, ein anderes Geschäftsmodell als Roulette oder Baccara zu verfolgen, können keine abweichenden Regeln gelten." Müssen Banken Zocker warnen, oder Zocker melden?
    Meister: Ich glaube, aus der Geschäftsbeziehung Bank-Kunde sollte schon ein Vertrauensverhältnis da sein, dass die Bank auch ein bisschen beobachtet, was der Kunde macht, und wenn es Hinweise gibt, dass der Kunde sich zu seinem eigenen Nachteil verhält, dann hoffe ich, dass die Bank aktiv auf den Kunden zugeht und ihn entsprechend berät.
    Heinemann: Hat offenbar nicht geklappt. Muss man da gesetzlich nachsteuern?
    Meister: Ich glaube, mit dem Auftrag tun wir es, wenn wir etwa an den Bereich Dispositionskredit denken. Dort wollen wir ein Gesetz beschließen, was die Banken ermuntert, Hinweise an ihre Kunden zu geben und auch entsprechende Beratungsleistungen durchzuführen.
    Heinemann: Michael Meister (CDU), der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Herr Meister, danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Meister: Schönen Tag, Herr Heinemann. Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.