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Tonaufnahmen vor 145 Jahren
Thomas Alva Edison und sein Phonograph

Heute steckt in jedem Handy ein Diktiergerät. 1877 war eine Maschine, die Sprache aufzeichnen und wiedergeben konnte, eine Sensation. Der Phonograph von Thomas Alva Edison basierte auf Tonwalzen und wurde später durch die Schallplatte abgelöst.

Von Frank Grotelüschen | 21.11.2022
Der Amerikaner Thomas Alva Edison (1847-1931) war ein talentierter Erfinder mit mehr als 1.000 registrierten Patenten - viele davon im Bereich der Elektrizität.
Der Amerikaner Thomas Alva Edison (1847-1931) war ein talentierter Erfinder mit mehr als 1.000 registrierten Patenten - viele davon im Bereich der Elektrizität. (pa/Heritage-Images/The Print Collector)
"Ich bin der Edison-Phonograph, geschaffen vom großen Zauberer der Neuen Welt. Ich kann euch zärtliche Lieder der Liebe singen. Ich kann euch lustige Geschichten erzählen und fröhliches Lachen schenken. Ich kann das Baby in süße Ruhe wiegen oder im alten Herzen Erinnerungen an die Jugend wecken."
Als die Werbung 1906 die Vorzüge des Phonographen anpries, war das Patent schon fast 30 Jahre alt: Am 21. November 1877 hatte Thomas Alva Edison eine Maschine angekündigt, die Sprache und Musik aufnehmen und wiedergeben kann. Das Gerät sollte Edisons Ruf begründen – den Mythos des genialen Erfindergeists.

Schwingungen übertrugen sich auf eine Schweinsborste

Im Grunde aber war Edison gar nicht der erste, dem eine Tonaufnahme gelungen war. Schon 1857 hatte der Franzose Scott de Martinville Schallwellen aufzeichnen können. Phonautograph, so nannte er seinen Apparat, bei dem ein Trichter den Schall auffing und eine Membran zum Schwingen brachte. Diese Schwingungen übertrugen sich auf eine Schweinsborste, die ein Muster auf einen rußgeschwärzten Glaszylinder zeichnete. Allerdings diente das Gerät nur zur Sichtbarmachung von Schall, wiedergeben konnte es ihn nicht. Erst 2008 ließen sich die uralten Schallmuster mit Computerhilfe wieder in Töne zurückverwandeln.

Edisons Sinn für Geschäfte

Erfolg war dem Phonautographen jedoch nicht beschieden – nur ein paar Fachleute interessierten sich für die Schallmuster. Der Durchbruch glückte erst, als sich ein geschäftstüchtiger Tüftler der Sache annahm: Thomas Alva Edison.
"Seit den bemerkenswerten Experimenten von Morse im Jahr 1844 hat sich mit unglaublicher Geschwindigkeit eine elektrische Technologie nach der anderen entwickelt, wodurch die Zivilisation in praktisch jeder Hinsicht revolutioniert wurde."

Die Idee zur Tonaufzeichnungs-Maschine

In den 1870er Jahren-hatte sich Edison in der Telegraphentechnik einen Namen gemacht. So hatte er an einem Automaten gearbeitet, der gespeicherte Texte auf geprägten Papierstreifen sendete. Bei schnellem Durchlauf erzeugten diese Streifen Töne – was Edison auf die Idee brachte, eine Tonaufzeichnungs-Maschine zu entwickeln. Auch hier bündelt ein Trichter den Schall auf eine Membran, sodass diese in Schwingung versetzt wird. 
"Wenn ich die Schwingungen der Membran richtig aufzeichnen könnte, könnte ich erreichen, dass diese Aufzeichnung die Membranschwingungen wieder reproduzieren kann. Damit ließe sich die menschliche Stimme aufnehmen und wiedergeben."

Die Nadel auf der mit Stanniolfolie bespannten Walze

Um die Schwingungen der Membran aufzuzeichnen, befestigte Edison im Sommer 1877 eine Nadel an ihr, die er auf eine mit Stanniolfolie bespannte Walze aufsetzte. Dann brachte er die Walze per Handkurbel zum Rotieren, und die Nadel konnte die Töne als Erhöhungen und Vertiefungen in die Folie einritzen.
"Dann sang ich das Kinderlied: 'Mary has a little lamb'. Ich stellte die Wiedergabe ein, und das Gerät gab es perfekt wieder. Ich war noch nie in meinem Leben so verblüfft gewesen."
Eine Sensation – auch wenn die Tonqualität eher zweifelhaft war, wie bald darauf der britische Musikkritiker Herman Klein feststellte: "Als ich meine eigene Stimme zum ersten Mal hörte, sagten ein oder zwei Freunde, dass sie ziemlich ähnlich wie meine klang. Andere erklärten, dass sie sie nie erkannt hätten. Ich wage zu behaupten, dass beide Meinungen richtig waren."

Der Phonograph als weltweiter Verkaufsschlager

Dennoch: Bald verkaufte sich der Phonograph in alle Welt, auch in Deutschland – wo sich unter anderem Reichskanzler Bismarck akustisch verewigte, wenn auch kaum verständlich.
Und: Der Phonograph fungierte auch als weltweit erste Musikkonserve.
Mit der Zeit wurde das Patent laufend verbessert, so wurde die Stanniolfolie durch Wachs ersetzt. Doch der Phonograph hatte einen Nachteil: Die Tonwalzen ließen sich nur bedingt vervielfältigen. Ein Manko, das eine andere Technik nicht zeigte: 1887 erfand der Deutschamerikaner Emil Berliner die Schallplatte. Die ließ sich in großen Stückzahlen pressen – und sollte Edisons Phonograph schließlich den Rang ablaufen.