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Vor 30 Jahren
Wie die FIFA widerwillig die erste Frauen-WM veranstaltete

Im November 1991 organisierte die FIFA zum ersten Mal eine Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen. Dabei wollte der Verband dem Frauenfußball eigentlich gar keine größere Bühne bieten - doch der Druck war zu groß.

Von Eduard Hoffmann | 16.11.2021
Spielerinnen der USA feiern ihren Weltmeistertitel 1991.
Die ersten Fußball-Weltmeisterinnen: Die Spielerinnen der USA (imago/Imaginechina)
Hunderte Chinesinnen in prachtvollen Kostümen, ein sich lüftender Vorhang aus bunten Luftballons, und im Zentrum ein überlebensgroßer goldener Vogel Phönix, der in der chinesischen Kultur als Glücksbringer gilt. Mit einer spektakulären Feier wurde am 16. November 1991 die erste offizielle Frauenfußball-Weltmeisterschaft im Stadion der südchinesischen Millionen-Stadt Guangzhou eröffnet.
61 Jahre nach der ersten Männer-WM gab der Fußball-Weltverband FIFA grünes Licht für ein Frauen-Weltturnier. Jahrzehntelang habe die FIFA so gut wie kein Interesse am Frauenfußball gezeigt, sagt Jürgen Mittag von der Deutschen Sporthochschule Köln:
„Die FIFA war eigentlich restriktiv und war dagegen, sie war sowohl dagegen, eine eigene Frauenfußballorganisation zu gründen, als auch dem Frauenfußball innerhalb der bestehenden Strukturen des Männerfußballs größere Aufmerksamkeit zuzuwenden.“
Jetzt musste der Dachverband allerdings befürchten, dass sich die Kickerinnen abseits des Weltverbandes selbst organisieren würden. Und damit wäre der weltweite Alleinvertretungsanspruch in Sachen Fußball gefährdet gewesen.
Die Sorge der FIFA war groß: „Wenn sie selbst kein Weltturnier im Fußball ausrichtet, dann verliert sie gewissermaßen ihr Monopol. Denn der Frauenfußball war allerorten mittlerweile so populär geworden, dass die Anzahl der Mannschaften, die Anzahl der ausgetragenen Wettbewerbe und vor allen Dingen die Anzahl der Länderspiele mittlerweile so hoch war, dass die Notwendigkeit nach einem internationalen Turnier ganz offenkundig auf der Hand lag“, sagt Mittag.

Erstes Turnier nicht unter FIFA-Marke

Der Weltverband mit Präsident Joao Havelange gab dem Druck nach, aber am Erfolg einer Frauen-WM bestanden immer noch Zweifel. So fand die erste Weltmeisterschaft auch noch nicht unter der eigenen Marke „FIFA Women’s World Cup“ statt, sie wurde „Women’s World Championship For The M&Ms Cup“ genannt. Eine große „Verbeugung“ vor dem alleinigen Sponsor, einem Nahrungsmittelkonzern.
Im ersten Spiel der WM trafen die Gastgeberinnen auf die mitfavorisierten Norwegerinnen. Die Chinesinnen gewannen überraschend mit 4:0. Im Viertelfinale gegen Schweden schieden sie jedoch aus. Insgesamt nahmen zwölf Teams am Weltturnier teil. Erstmals wurden sechs weibliche Schieds- und Linienrichterinnen eingesetzt. Die Spielzeit der Männer von zweimal 45 Minuten schien den Herren der FIFA allerdings zu lang. Das vermeintlich schwache Geschlecht musste sich bei der ersten WM mit nur zweimal 40 Minuten begnügen.
Die deutsche Elf kam als zweifacher Europameister nach China und gelangte bis ins Halbfinale gegen die USA. Hier unterlag das Team um die herausragende Torjägerin Heidi Mohr mit 2:5. Während die Amerikanerinnen an den Colleges professionell spielen und trainieren konnten, kickten die deutschen Amateurinnen neben Arbeit oder Studium und mussten ihren Urlaub opfern für die zweiwöchige WM. Die heutige Frauen-Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg erinnert sich dennoch gerne an 1991 zurück:
„Wir haben eine Flurparty im Schlafanzug gemacht, ich sehe heute noch Heidi Mohr, die ja leider verstorben ist, durch die Tür kommen, das sind Momente, die so wertvoll sind, wie wir im Hotel auf dem Flur gesessen haben und Schwarzbrot und Salami aus Deutschland gegessen haben, weil wir das chinesische Essen irgendwann auch nicht mehr so sehen konnten, vertragen konnten.“
Eine deutsche Spielerin macht eine Grätsche gegen eine schwedische Spielerin
Das Spiel um Platz drei gewann Schweden gegen Deutschland. (IMAGO / VCG)
Auch vom Zuschauerzuspruch und von der Organisation waren die deutschen Spielerinnen beeindruckt:
„Wir sind mal zu einem Abschlusstraining gefahren, und plötzlich saßen da sechstausend Chinesen. Und wurden irgendwie abkommandiert, uns dann bei dem Abschlusstraining zu begleiten. Wir kamen da rein, und da haben die uns zugejubelt, und jeden Ball, der dann irgendwie reingeschossen wurde, dann ging dann ein Raunen durch dieses Publikum", sagt Voss-Tecklenburg.

65.000 Zuschauer beim Finale

Zu jedem der 26 WM-Spiele kamen im Schnitt knapp 20.000 Besucher. Das Finale zwischen den USA und Norwegen sahen 65.000 begeisterte Zuschauer.
Fußball-Weltstar Pelé begrüßte beide Teams und die US-Kickerinnen wurden mit einem knappen 2:1-Sieg erste offizielle Weltmeisterinnen.
Wenn auch die Medienresonanz bescheiden blieb, so war die WM in China 1991 doch ein Erfolg. Seither finden die Frauen-Weltmeisterschaften alle vier Jahre statt und locken heute Milliarden Zuschauer vor die Fernsehgeräte.