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Urform des Fernseh-Bildschirms
Vor 125 Jahren präsentierte Ferdinand Braun erstmals die "Braunsche Röhre"      

Fernsehgeräte waren früher bauchig und klobig, denn ihr Kernstück war eine Bildröhre. Deren Vorläufer hatte der deutsche Physiker Ferdinand Braun entwickelt. Vor 125 stellte er seine "Braunsche Röhre" erstmals vor.

Von Frank Grotelüschen | 15.02.2022
Modell der vom Physiker Karl Ferdinand Braun erfundenen "Braun'schen Röhre", ausgestellt im Stadtarchiv von Brauns Geburtsstadt Fulda
Modell der vom Physiker Karl Ferdinand Braun erfundenen "Braun'schen Röhre", ausgestellt im Stadtarchiv von Brauns Geburtsstadt Fulda (picture alliance / Jörn Perske/dpa)
„Wir übertragen aus dem Funkhaus Berlin die feierliche Eröffnung des ersten regelmäßigen Fernsehprogrammbetriebes der Welt.“
März 1935, in Berlin beginnt eine neue Epoche: das Zeitalter des Fernsehens. Knapp vier Jahrzehnte zuvor hatte der deutsche Physiker Ferdinand Braun, 1850 in Fulda geboren, in einer wissenschaftlich turbulenten Zeit gewirkt. Denn Ende des 19. Jahrhunderts rüttelten gleich mehrere Entdeckungen die Physik auf: Henri Becquerel entdeckte die Radioaktivität und im November 1895 stieß Conrad Röntgen auf eine neue Art von Strahlen - die Röntgenstrahlen. Die Entdeckung war ihm mit einer Kathodenstrahlröhre gelungen, einem luftleer gepumpten Glaskolben, in dem Elektronen durch eine elektrische Hochspannung zu einem Strahl geformt und beschleunigt werden. Röntgens Zufallsfund löste einen Boom aus. In aller Welt besorgten sich Fachleute eine Kathodenstrahlröhre, um damit die alles durchdringenden Strahlen zu erzeugen. Ferdinand Braun aber, damals Professor in Straßburg, verpasste den Trend, sagt der Braun-Biograf Florian Hars:
„Dass Braun - anders als die meisten - jetzt nicht versucht hat, mit diesen neuen Strahlen zu experimentieren, kann damit zusammenhängen, dass er den ganzen Winter 1895/96 mit Thermodynamik gearbeitet hat.“
"Und als er dann endlich wieder Zeit hatte, sich mit der neuen Sache zu beschäftigen, er einfach einige Monate Rückstand hat und dann gar nicht erst versucht hat, das wieder aufzuholen, sondern was anderes mit dem Instrument gemacht hat.

Der springende Punkt und Brauns Erleuchtung

Erst ein Jahr nach Röntgens Entdeckung erreichte eine große Holzkiste das Straßburger Institut, versehen mit dem Warnhinweis „Vorsicht Glas“. Darin eine 50 Zentimeter lange Glasröhre, deren bauchiges Ende mit phosphoreszierender Farbe überzogen war – ein Leuchtschirm. Doch statt mit der Röhre Röntgenstrahlung zu erzeugen, wollte Braun etwas Neues mit ihr anstellen: Er wusste, dass sich der Strahl in der Röhre mit einer Magnetspule ablenken lässt. Und er wusste, dass der Strahl auf dem Leuchtschirm einen Lichtpunkt erzeugt. Das brachte den Physiker auf eine Idee, so Florian Hars:
"Das Entscheidende war vermutlich, die Idee zu haben, diese Kathodenstrahlen als Anzeigeinstrument zu nutzen. Leuchtschirme von der Art waren schon lange bekannt. Es war lange bekannt, dass sich Kathodenstrahlen ablenken lassen. Es war ebenso bekannt, wie sie auf diese Leuchtschirme wirken. Und es musste einfach nur jemand die Teile zusammenbauen."
"Braun ersann eine Vorrichtung, mit der sich der Elektronenstrahl per Magnetkraft gleichzeitig in der Horizontalen und der Vertikalen ablenken ließ. Der Lichtpunkt konnte dadurch gezielt über den Leuchtschirm geführt werden. Er notierte: "Die im Folgenden beschriebene Methode benutzt die Ablenkbarkeit der Kathodenstrahlen durch magnetische Kräfte."

Mit seiner Röhre Bilder sichtbar machen? - Für Ferdinand Braun blanker "Unsinn"

Am 15. Februar 1897 stellte Braun seine Erfindung in den „Annalen der Physik und Chemie“ vor. Er sah seine Röhre als neuartiges Messgerät für die Physik, als Anzeigeinstrument, das erstmals schnelle elektrische Wechselströme sichtbar machen konnte. Ein Patent auf seine "Braunsche Röhre" ließ er sich allerdings nicht erteilen. Und als ihm sein Assistent Max Dieckmann 1906 vorschlug, man könne den Apparat doch zur Sichtbarmachung von Bildern verwenden, soll das Ferdinand Braun mit deutlichen Worten abgetan haben, und zwar als Unsinn wie das Perpetuum Mobile!" Ein anderes Projekt erschien dem Physiker weitaus drängender, so Florian Hars:
"Seine wichtigsten Arbeiten waren die Arbeiten zur Funktechnik. Da hat er entscheidende Verbesserungen in der Technik des Senders für drahtlose Telegrafie eingeführt, wofür er auch 1909 gemeinsam mit Marconi, dem eigentlichen Erfinder der drahtlosen Telegrafie, den Nobelpreis erhalten hat."

1931 erstmals vollelektronisches Fernsehen - dank der Braunschen Röhre

Die Weiterentwicklung der Braunschen Röhre zu einem Fernsehapparat übernahmen andere, etwa der Japaner Kenjiro Takayanagi und der Amerikaner Philo Farnsworth. In Deutschland war es vor allem Manfred von Ardenne, der die Entwicklung vorantrieb. Auf der Funkausstellung 1931 führte er erstmals öffentlich ein vollelektronisches Fernsehen auf Basis der Braunschen Röhre vor: Den „Kurzwellensender Witzleben auf Welle 7,06 Metern.“
Vom Siegeszug seiner Erfindung hatte Ferdinand Braun nichts mehr mitbekommen - er starb im Frühjahr 1918 mit knapp 68 Jahren an den Folgen eines Unfalls. Für Jahrzehnte sollte die Braunsche Röhre den Fernsehmarkt dominieren. Erst in diesem Jahrhundert schwand ihre Bedeutung: Nach und nach wurde sie durch eine andere Technik ersetzt - die Flachbildschirme.