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125. Todestag von Carl Humann
Hobby-Archäologe und Entdecker des Pergamon-Altars

Dass der Pergamon-Altar heute in Berlin steht, ist ein Zufall: Der Ingenieur Carl Humann, der ihn ausgrub, war wegen einer Lungenkrankheit in die Türkei gereist und verliebte sich in die Antike. Am 12. April 1896 starb er als berühmter Mann.

Von Christoph Schmitz-Scholemann |
    Eine schwarz-weiße, digitale Reproduktion einer Zeichnung aus dem 19. Jahrhundert zeigt einen Mann in schwarzen Frack mit Fliege und breitem, gezwirbeltem Schnauzbart
    Der deutsche Architekt Carl Humann wurde als Entdecker des Pergamonaltars bekannt (picture alliance / Sunny Celeste)
    Es war eine Sensation, als Ende 1879 die ersten Marmor-Reliefs des zweitausend Jahre alten Pergamonaltars in Berlin ausgestellt wurden. Endlich konnte die deutsche Hauptstadt in Sachen antiker Kunstwerke mit Paris und London konkurrieren. Carl Humann hieß der Ausgräber von Pergamon, und er war weder Archäologe noch Historiker, sondern Unternehmer und nicht ganz ausstudierter Architekt, geboren 1839 in Steele bei Essen. Ein Freund erinnerte sich später:
    "(Humanns) Vater war Gastwirt …, Posthalter und im Nebenamt Strikemäker, also Witzbold. Sein Carl war ihm … ans Herz gewachsen, genoss daher auch besondere Freiheiten …"

    Arzt riet zur Reise in den Süden

    Bald nach dem Abitur ging Carl Humann zur Bauakademie nach Berlin, um Architektur zu studieren. Weil er ständig kränkelte, riet ihm sein Arzt zu einer Reise in den Süden. Da traf es sich gut, dass Carls älterer Bruder auf einer Ägäis-Insel lebte und ihn einlud:"Komm hierher! Studiere Du die Bauwerke der Alten und lerne mit mir, jage, reite!"

    Er fand eine Schutthalde vor

    Humann brach sein Studium ab, landete im November 1861 auf der damals türkischen Insel Samos und erwies sich in den nächsten 15 Jahren als erfolgreicher Baumeister und Geschäftsmann. Er baute Villen und Straßen, handelte mit Schmirgel – und grub, wann immer es sich anbot, in der geschichtsträchtigen Erde Kleinasiens nach antiken Schätzen.
    Ende 1864 kam er zum ersten Mal nach Bergama, wie Pergamon auf Türkisch heißt. Er wusste, dass hier ein schon in der Antike als Weltwunder gepriesener riesiger Altar gestanden hatte. Was er vorfand, war ein Trümmerhügel:
    "Traurig stand ich da und sah … alles überwuchert von Gestrüpp und wilden Feigen; daneben rauchte der Kalkofen, in den jeder Marmorblock … zerkleinert wanderte."

    Bürokratische Widerstände

    Humann gelang es, das damals übliche Zermahlen und Verbrennen antiker Marmor-Kunstwerke zu Kalk rasch untersagen zu lassen. Dann nahm er einen fast fünfzehn Jahre dauernden Kampf mit den osmanischen und deutschen Bürokratien auf, um Geld und eine Grabungsgenehmigung zu erlangen. Im September 1878 ging er mit einer Handwinde von 12 Tonnen Hebekraft und einem guten Dutzend einheimischer Helfer an die Arbeit und berichtete nach Berlin:
    "Ich kann die Arbeiter keine Minute allein lassen … es finden sich fortwährend Fragmente und … Skulpturen …".
    Tag für Tag entriss man dem Boden marmorne Reliefplatten aus dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert, von denen jede 40 bis 60 Zentner wog. Sie fügten sich, wie Humann bald klar wurde, zu einem gewaltigen Altar-Fries, der von dem mythischen Kampf zwischen den olympischen Göttern und den von ihrer Mutter Gaia aufgestachelten Giganten erzählt.

    Schon Ende 1878 ließ er die ersten 40 Reliefplatten in Kisten packen und auf selbstkonstruierten Wagen von Büffeln über verschlammte Wege und wacklige Brücken zum 30 Kilometer entfernten Hafen schleppen:
    Ein Farbfoto zeigt eine Totalansicht der Rekonstruktion  des antiken Pergamon-Tempels im Pergamonmuseum in Berlin
    Die Rekonstruktion des Pergamonaltars im Berliner Pergamonmuseum (Imago / Eventpress)
    "Die Reliefs gelangten im Februar glücklich nach Berlin … und erregten den höchsten Enthusiasmus."
    Haus in Bergama ohne Dach
    Archäologie-Projekt in der Türkei - Dächer bauen in BergamaSeit mehr als 140 Jahren laufen in Pergamon in der Türkei Ausgrabungen des Deutschen Archäologischen Instituts. Jetzt haben die Forscher ein Projekt gestartet, um Bewohner der Nachbarorte mehr einzubinden. Unter anderem helfen Jugendliche aus dem Ort dabei, historische Dächer neu zu decken.

    Verbeamtung als Dank

    Humann war nun ein berühmter Mann. In seinem Haus in Smyrna bewirtete er hohe Gäste mit Dortmunder Bier und westfälischem Schinken und zeigte ihnen Pergamon. Deutschland ehrte ihn mit Orden, Doktorwürden und Beamtenstatus. Humann dankte mit weiteren erfolgreichen Grabungen und Forschungsreisen, von denen er mit einigem Humor zu berichten wusste. In Ankara fertigte er einen Gipsabdruck der "Königin aller antiken Inschriften", einem Prunk-Bericht des Kaisers Augustus über seine Taten. Die dazu nötige Genehmigung eines Scheichs erhielt er in Form eines missmutigen kurzen Kopfnickens:
    "(ihm) war gerade eine große Gallone mit Raki zerbrochen, so dass der ganze Moscheehof nach dem dort herumlaufenden Fusel roch."
    Hermann Parzinger
    SPK-Präsident Hermann Parzinger - "Natürlich wird Provenienzforschung durchgeführt"
    Provenienzforschung bei völkerkundlichen Sammlungen zu betreiben sei oft schwieriger als bei NS-Raubkunst, sagte der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, im Dlf. Das Humboldt-Forum arbeite aber eng mit betroffenen Ländern wie Ruanda und Tansania zusammen.

    Am 12. April 1896 ist Carl Humann mit nur 57 Jahren gestorben. Seine Büste steht im Berliner Pergamon-Museum. Die sterblichen Überreste ruhen auf dem Burghügel von Bergamo