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200. Geburtstag von Luise Büchner
Pionierin im Kampf um Frauenrechte

Gleiche Bildungschancen für Männer und Frauen - dafür kämpfte Luise Büchner bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ihre programmatische Schrift "Frauen und ihr Beruf", war nicht weniger revolutionär als die Literatur ihres älteren Bruders Georg. Am 12. Juni 1821 wurde sie geboren.

Von Regina Kusch | 12.06.2021
    Ein Farbfoto zeigt einen Grabstein mit dem Profilrelief einer Frau über der Inschrift "Louise Büchner geb. 1821 gest. 1877"
    Grab von Luise (auch geschrieben Louise) Büchner auf dem Alten Friedhof in Darmstadt (dpa)
    "Feder und Wort sind euch gegeben, so gut wie dem Manne! Schreibet, redet, erziehet in den Diensten der Menschheit!"
    Die Schriftstellerin Luise Büchner stritt zeitlebens dafür, Mädchen die gleichen Bildungschancen einzuräumen wie Jungen und gilt bis heute als eine der ersten deutschen Frauenrechtlerinnen. Während ihre Brüder studierten, besuchten sie und ihre Schwester nur eine Mädchenschule, wo vor allem Religion, Schönschreiben und Französische Konversation auf dem Stundenplan standen. Später schrieb sie über diese Zeit:
    "Von meiner eigenen kleinen, bis auf das vierzehnte Jahr beschränkten Schulzeit, hat mich ein unwissender, ungebildeter Theologe ein ganzes Jahr gekostet. Die akademische Bildung eines jungen Mannes ist noch keine Garantie dafür, dass er auch ein taktvoller und gewissenhafter Mädchenlehrer sein wird."

    Lassalle, Feuerbach, Gutzkow gingen bei den Büchners ein und aus

    Am 12. Juni 1821 wurde sie in Darmstadt geboren und wuchs als viertes von sechs Kindern in einer Intellektuellen-Familie auf. Luises ältester Bruder war der revolutionäre Schriftsteller Georg Büchner. Im Haus der Büchners verkehrten Geisteswissenschaftler und Literaten wie Ferdinand Lassalle, David Friedrich Strauß, Ludwig Feuerbach oder der Dramatiker und Journalist Karl Gutzkow. In ihm fand Luise Büchner, die selbst Gedichte und Novellen verfasste, einen Freund, erzählt die Literaturwissenschaftlerin Viviane Meierdreeß von der Freien Universität Berlin:
    "Sie haben einen sehr regen Briefverkehr gehabt, und er hat auch viele Beziehungen für sie aufgebaut. Meistens hatten Autorinnen in dieser Zeit Kontakt zu einem einflussreichen oder gut vernetzten Mann, der weiter Kontakte vermitteln konnte. Und das war Karl Gutzkow für Luise Büchner. In den 1850er-Jahren hat sie angefangen, ihr großes Werk ‚Die Frauen und ihr Beruf‘ zu schreiben, das 1855 erstmalig veröffentlicht worden ist und so erfolgreich war, dass es 1856 im Frühjahr direkt die zweite Auflage gab."
    Steve Sem-Sandberg: "W." - Der Woyzeck hinter Büchners Woyzeck
    In der Lesart von Georg Büchner gibt er einem der meistgespielten deutschen Theaterstücke seinen Titel. Doch was machte Woyzeck zum Mörder? Wo Büchner auf mehrere historische Figuren zurückgreift, widmet Steve Sem-Sandberg der wichtigsten, Johann Christian Woyzeck, nun einen ganzen Roman.

    An der weiblichen Bestimmung zur Ehefrau und Mutter zweifelte Luise Büchner nicht

    "Die Frauen und ihr Beruf", in der ersten Auflage noch anonym erschienen, hatte den richtigen Ton getroffen. Luise Büchner, die selber ledig blieb, kritisierte darin die Lehrpläne an den höheren Mädchenschulen, ohne jedoch die weibliche Bestimmung zur Ehefrau und Mutter in Frage zu stellen. Doch Frauen, die nicht heiraten wollten, sollte die Möglichkeit offenstehen, als Lehrerinnen oder Krankenschwestern ihr Geld selbst zu verdienen, so Viviane Meierdreeß:
    "Nachdem sie dieses Buch geschrieben hat und das so eine große Reichweite erlangt hat, ist sie als Expertin für diese Themen angesehen worden. Und Großherzogin Alice von Hessen und zu Rheine hatte den großen Plan, Frauenvereine in Hessen zu gründen. Und daraufhin war Luise Büchner viel in die Entstehung dieser Frauenvereine der Großherzogin involviert und hat das Programm dieser Frauenvereine auf Kongressen vertreten und hat dann Schriften in verschiedenen Zeitungen, die sich mit der Frauenfrage beschäftigt haben, veröffentlicht."
    Die Frauenrechtlerin und Autorin Auguste Schmidt 1887. Unter ihrem Vorsitz wurde am 29. März 1894 der Bund Deutscher Frauenvereine gegründet.
    1894 - Als der Bund Deutscher Frauenvereine gegründet wurde
    1894 war es Frauen in Preußen und Bayern untersagt, sich politisch zu engagieren oder einer Partei beizutreten. Ihre Rolle – so die landläufige Meinung der Männer – lag vor allem in der Hausarbeit. Der Bund Deutscher Frauenvereine setzte sich gegen diese Benachteiligung ein und wurde zu einer Massenorganisation.

    Vereine "zur Förderung der weiblichen Industrie"

    33 "Alice-Vereine" förderten die praktische Frauenausbildung im Großherzogtum Hessen. Zur Verbesserung der Krankenpflege boten sie kostenfreie Krankenschwester-Schulungen an. Luise Büchner stand als Vizepräsidentin dem "Verein zur Förderung der weiblichen Industrie" vor, der die Handarbeiten von Heimarbeiterinnen zu fairen Preisen verkaufte. In einer Art Volkshochschule für Frauen, dem "Alice-Lyceum", hielt Luise Büchner für angehende Lehrerinnen Geschichtsvorlesungen, die später in einem Lehrbuch veröffentlicht wurden. Daneben publizierte sie Novellen, Märchen, Gedichte und einen Roman, "Das Schloss zu Wimmis", der autobiografische Züge trägt. Die junge Heldin sehnt sich nach einer Ehe, erfährt ihre Körperbehinderung und die strenge Bewachung durch ihren Vater aber als Gefängnis. Luise Büchner litt selbst seit einem Unfall in ihrer Kindheit an einer Rückenverkrümmung.

    Nachrufe auf eine der "geistig bedeutendsten Frauen" ihrer Zeit

    Sie wurde 55 Jahre alt und lebte bis zu ihrem Tod 1877 in einer häuslichen Gemeinschaft mit ihrer Schwester Mathilde. Bei ihrer Beerdigung auf dem Darmstädter Alten Friedhof nahmen über 1000 Trauergäste Abschied, und in zahlreichen Nachrufen, so wie hier in der "Pfungstädter Zeitung", wurde ihr Lebenswerk gewürdigt.
    "Groß ist die Zahl armer Mädchen, denen Luise Büchner zu einer nutzbringenden Beschäftigung und einem Unterkommen behilflich war. Luise Büchner zählte zu den geistig bedeutendsten Frauen der Jetztzeit."