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Franz Schubert vor 225 Jahren geboren
Ein nationaler Klassiker mit Übergröße

Franz Schubert gilt als herausragendes Musikgenie: enorm produktiv, doch wie eine von beiden Enden brennende Kerze schnell verglüht. Nur 31 Jahre wurde er alt, hinterließ hunderte von Liedern, Kammermusik, Sinfonien. Heute vor 225 Jahren wurde der Komponist geboren.

Von Stefan Zednik | 31.01.2022
Idealisierte, nachkolorierte Zeichnung des sitzenden Komponisten mit kurzem, dunklen, lockigem Haar und kleiner, rundlicher Brille.
Franz Schubert hatte Freunde in der Steiermark, die er ab und zu besuchte. (imago images / Leemage)
"Das Podium im Ausmaße von ungefähr 7.000 Quadratmetern bietet Raum für 30.000 Sänger, Der Dirigent wird von einem vier Meter hohen Turm aus die Choraufführung leiten. Die Wirkung muss eine unbeschreibliche sein, wenn z.B. Schuberts „Lindenbaum“, in dem sich die ganze deutsche Seele spiegelt, aus dem Munde zehntausender deutscher Sänger erklingt."

Als 1928 die hier beschriebe Aufnahme des unter dem Titel "Am Brunnen vor dem Tore" bekannten Schubert-Liedes in einer Fassung für Männerchor entsteht, feierte man in Wien bereits das 100. Todesjahr des Komponisten. Franz Schubert, zu diesem Zeitpunkt längst ein nationaler Klassiker mit Übergröße, wird am 31. Januar 1797 in der Wiener Vorstadt geboren. Die Verhältnisse sind bedrückend. Der Vater ist ein schlecht verdienender Schullehrer, extreme Enge überbelegter Mietshäuser, Armut und Schmutz charakterisieren die Lebensumstände der Familie. Weniger als die Hälfte aller Kinder werden älter als zehn Jahre, und auch von Schuberts 19 Geschwistern erreicht nur der kleinere Teil das Erwachsenenalter.

Der Vater ist musikalisch, er lehrt den Jungen früh das Spiel auf Geige und Viola, und auch mit Orgel und Klavier wird Franz früh vertraut. Zudem besitzt der Junge eine schöne Stimme, er wird als Sängerknabe an der Wiener Hofburg aufgenommen, spielt im Orchester des Konvikts. Für eine gründliche musikalische Ausbildung ist dies die erste Adresse im Kaiserreich. Das gemeinsame Aufführen von wichtigen Werken der Literatur fördert die musikalische Bildung ungemein, und mit 13 Jahren schafft der Junge erste eigene Kompositionen, mit 16 vollendet er seine erste Symphonie.

Konflikt mit dem Vater

Und doch scheint sich Schubert in dem kasernenähnlichen Betrieb nicht wohlgefühlt zu haben, seine schulischen Leistungen werden schlechter, er kehrt in sein Elternhaus zurück. Und wird zunehmend zerrissen zwischen dem Anspruch des Vaters, der ihn gern als Schulmeistergehilfen sähe und seinen eigenen Wünschen, hauptberuflich als Musiker wirken zu können. In einem niedergeschriebenen allegorischen Traum verdichtet er den Konflikt.
„Mein Vater führte mich in seinen Lieblingsgarten, fragte, ob er mir gefiele. Ich verneinte es zitternd. Da schlug mich mein Vater und ich entfloh. Lieder sang ich nun lange, lange Jahre. Wollte ich Liebe singen, ward sie mir zum Schmerz. Und wollte ich wieder Schmerz nur singen, ward er mir zur Liebe.“

Schwierige Lebensplanung

Der Konflikt lässt sich nicht lösen, private und berufliche Lebensplanung sind leidvoll miteinander verschränkt. Dazu kommt in der Zeit der eisern-kalten Ära Metternichs eine Bevormundung des Einzelnen durch den Staat, die das Ausleben jeden privaten Glückes erschwert.
"Sie war eine Schullehrerstochter, etwas jünger als ich, und sang in einer Messe, die ich komponierte, die Sopransoli wunderschön und mit tiefer Empfindung. Sie war nicht eben hübsch, hatte Blatternarben im Gesicht; aber sie war gut, herzensgut. Drei Jahre hoffte sie, dass ich sie ehelichen werde; ich konnte jedoch keine Anstellung finden, wodurch wir beide versorgt gewesen wären. Sie heiratete dann nach Wunsch ihrer Eltern einen anderen, was mich sehr schmerzte."

Mit den "schauerlichen Liedern" Abschied genommen

Die Konsequenzen sind erheblich, dem Besuch bei Prostituierten folgt die damals häufige und kaum therapierbare Erkrankung an Syphilis. Dennoch arbeitet er weiterhin an einem gewaltigen Werk, bestehend aus Kammermusik, Konzerten, Sinfonien, Opern. Zudem wird er mehr als 500 Lieder hinterlassen. Der eigentlich als gesellig geltende Musiker kündigt 1827, ein Jahr vor seinem Tod, seinen Freunden mit der "Winterreise" eine Sammlung "schauerlicher Lieder" an. Denen gefällt allerdings mit Ausnahme des "Lindenbaums" beinahe nichts. Und doch wird der Zyklus bald zum Signum nicht nur für das Werk Schuberts, sondern zum musikalischen Symbol für eine dunkle, von Schwermut getränkte deutsche Romantik.