"Wir gehen durchaus Wagnisse ein“: Wenzel Jacob, bei der Eröffnung der Bundeskunsthalle am 19. Juni 1992 noch Geschäftsführer, zeigt sich selbstbewusst. Nicht ganz zu unrecht, denn das Haus startet mit gleich fünf Ausstellungen über Architektur, Fotografie und Skulptur - und einer hochaktuellen Wissenschaftsdebatte im Museum. Satellitenbilder sollen Veränderungen der Erdoberfläche dokumentieren. Für Wenzel Jacob:
"Ein sehr, sehr starkes Statement zu ökologischen Fragen: Die Wissenschaftsausstellung ‚Erdsicht‘. Hier werden Fragen formuliert, die auf dem Umweltgipfel in Rio nicht erörtert wurden. Und wir erwarten von den Regierenden darauf Antworten.“
40 Jahre Debatten gingen voraus
Ein deutlicher, aber damals ungewöhnlicher Appell, weil er aus dem Kunstbereich kommt. Der Eröffnung der Kunst- und Ausstellungshalle gehen mehr als 40 Jahre Gespräche und Debatten um Sinn, Zweck und Gestaltung voraus. Schon im Oktober 1949 diskutieren in Bonn 120 eingeladene Künstler über die Möglichkeiten eines solchen Hauses.
„Es war, glaube ich, das Bedürfnis, gerade in diesem zerstörten Land, in dem alles neu formuliert werden musste, zu versuchen, einen neuen Blick auf Dinge zu gewinnen.“, so Agniezka Lulinska - seit 1992 Kuratorin in der Kunst- und Ausstellungshalle:
„Dass Künstler sich zusammentun, dass Menschen der Kultur sich zusammentun, eben weg von der Politik - auf diese Art und Weise neue Zugänge zur Kultur, neue Definitionen von Kultur zu entwickeln.“
Vorbehalte gegen das Provisorium Bonn
Unter den Künstlern ist damals auch Joseph Beuys, der sich im Laufe der Jahrzehnte immer wieder für das Haus engagieren wird. Aber nach 1949 liegt das Projekt erst mal auf Eis, die NS-Vergangenheit mit ihrer vernichtenden Kunst-Politik ist noch zu nah. Bonn als Hauptstadt ist zudem nur ein Provisorium. Die Stadt will das Provinzielle nicht aufgeben - selbst der Hauptbahnhof hat nur zwei Gleise. Repräsentative Bauten, egal ob für politische oder kulturelle Zwecke, passen nicht ins Bild.
„Bonn - das war das kapitale Minimum.“, heißt es in einer Sendung des Deutschlandfunks am Tag der Kunsthallen-Eröffnung . Als in den 70er-Jahren die deutsch-deutsche Wiedervereinigung schließlich nicht mehr möglich scheint, bekommt das Projekt eines Kulturzentrums für Bonn wieder Auftrieb. 1984 einigen sich Bund und Länder, zwei Jahre später wird der Wiener Architekt Gustav Peichl beauftragt. Sein Entwurf eines schlichten, weißen Baus mit drei spitzen Lichtkegeln auf dem Dach überzeugt die Jury. Bundeskanzler Helmut Kohl legt - Ironie der Geschichte - im Oktober 1989, wenige Tage vor dem Fall der Mauer, den Grundstein für die Kunst- und Ausstellungshalle, die auch architektonisch für Demokratie und Freiheit stehen soll. Für Bescheidenheit nicht unbedingt, meint Agnieszka Lulinska:
„Bonn - das war das kapitale Minimum.“, heißt es in einer Sendung des Deutschlandfunks am Tag der Kunsthallen-Eröffnung . Als in den 70er-Jahren die deutsch-deutsche Wiedervereinigung schließlich nicht mehr möglich scheint, bekommt das Projekt eines Kulturzentrums für Bonn wieder Auftrieb. 1984 einigen sich Bund und Länder, zwei Jahre später wird der Wiener Architekt Gustav Peichl beauftragt. Sein Entwurf eines schlichten, weißen Baus mit drei spitzen Lichtkegeln auf dem Dach überzeugt die Jury. Bundeskanzler Helmut Kohl legt - Ironie der Geschichte - im Oktober 1989, wenige Tage vor dem Fall der Mauer, den Grundstein für die Kunst- und Ausstellungshalle, die auch architektonisch für Demokratie und Freiheit stehen soll. Für Bescheidenheit nicht unbedingt, meint Agnieszka Lulinska:
"Peichl selbst bezeichnete sich öfters als Material-Fetischist. Für ihn waren diese vermeintlichen Kleinigkeiten eben ganz, ganz wichtig. Die Durchblicke zwischen innen und außen, zwischen den einzelnen Räumen - teilweise auch sehr aufwendig. Wobei, da war Gustav Peichl immer sehr stolz drauf, er im Budget-Rahmen geblieben ist.“
Zwischen Publikumsschlagern und Skandalen
Mit 127 Millionen D-Mark. Der Auftrag des Hauses ohne eigene Sammlung: Kunst und Wissenschaft und deren Schnittstellen für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Gesellschaftliche Diskurse aufzugreifen. Das gelingt immer wieder erstaunlich gut, sagt Agnieszka Lulinska
„Wenn der Verkäufer auf dem Bonner Biomarkt zu mir sagt: ‚Frau Lulinska, das mit der Provenienzforschung ist eine dolle Sache!‘ Dann, würde ich sagen, haben wir etwas richtig gemacht. Dann ist das angekommen.“
„Wenn der Verkäufer auf dem Bonner Biomarkt zu mir sagt: ‚Frau Lulinska, das mit der Provenienzforschung ist eine dolle Sache!‘ Dann, würde ich sagen, haben wir etwas richtig gemacht. Dann ist das angekommen.“
Die Ausstellung „Bestandsaufnahme Gurlitt“ von 2018 ist ein großer Erfolg, rund 150.000 Menschen wollen sie sehen. Fast vergessen ist dagegen der, so die Presse, „beispiellose Finanzskandal“, in den Intendant Wenzel Jacob 2007 verstrickt ist.
Wagnisse ging er wohl nicht nur künstlerisch ein. Zwei Jahre später dann eine Modigliani-Schau mit Fälschungsverdacht bei mehreren Bildern. Bei einem Haus, das von der Kulturstaatsministerin mit jährlich mehr als 21 Millionen Euro gefördert wird, ist Kritik am Umgang mit den Finanzen und Ausstellungen mit zweifelhaften Provenienzen angemessen. Dennoch: die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik ist heute als bundesdeutsche, aber auch Bonner Institution fest etabliert.