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475. Geburtstag des Astronomen
Tycho Brahe - präziser Vermesser des Sonnensystems

Die Idee des Nikolaus Copernicus, dass nicht die Erde, sondern die Sonne im Zentrum der Welt stünde, verbreitete sich im 16. Jahrhundert. Doch der Aufbau des Planetensystems blieb rätselhaft. Das änderten erst die präzisen Beobachtungen von Tycho Brahe. Vor 475 Jahren wurde der dänische Astronom geboren.

Von Dirk Lorenzen | 14.12.2021
Der Astronom Tycho Brahe (1546-1601)
Der Astronom Tycho Brahe (1546-1601) (Skoklosters Slott)
„Als ich nach meiner Gewohnheit die Sterne am Himmel betrachtete, sah ich im Sternbild Cassiopeia einen neuen und ungewöhnlichen Stern, der niemals zuvor an diesem Ort gewesen war. Dies ist ohne Zweifel das größte Naturwunder von allen.“
So schildert Tycho Brahe in seinem Werk „De nova stella“ die Entdeckung einer Supernova im Jahr 1572. Dieses Erlebnis gibt seinem Leben eine entscheidende Wende. Von nun an widmet sich der Spross einer adeligen Familie, der am 14. Dezember 1546 auf Schloss Knutstorp im heutigen Südschweden geboren wurde, ganz der Astronomie. Bislang beschäftigte sich Tycho Brahe nach seinen Jura-Studien vor allem mit alchemistischen Experimenten. Nun aber macht ihn sein Buch über den neuen Stern schlagartig berühmt. Der dänische König stellt ihm die Insel Ven im Öresund vor Kopenhagen und eineinhalb Prozent des dänischen Staatshaushaltes zur Verfügung, erklärt Klas Hyltén-Cavallius, Brahe-Experte aus dem schwedischen Lund:
„Das war also im Jahre 1576. Tycho ist ziemlich schnell hierhergefahren und hat unmittelbar angefangen, alles aufzubauen, was ein Wissenschaftler brauchte. Er hat es natürlich nicht selbst gebaut. Aber er war der Leiter – und der König war der Mann, der bezahlte.“

Den Himmel neu vermessen

Tycho Brahe errichtete zwei Sternwarten, Werkstätten, und sogar eine Papiermühle mit Buchdruckerei. Seine Winkelmessinstrumente gehörten zu den besten jener Zeit – das Fernrohr war noch nicht erfunden. 21 Jahre lang beobachtete der Astronom von der Insel Ven aus die Sterne und den Lauf der Planeten, erklärte Kristian Peder Moesgaard, Wissenschaftshistoriker an der Universität Aarhus.
"Er hat die uralte Wissenschaft der Astronomie auf ein ganz neues Fundament gestellt. Erstmals seit der Antike ist der Himmel neu vermessen worden – systematisch und hochpräzise. Er wollte wissen, wie sich die Planeten bewegen."
Tycho hatte erkannt, dass es sinnlos ist, nur die Stellung der Planeten zu vermessen, wenn man nicht auch die Positionen der Sterne genau kennt. Deshalb hat er viele Jahre damit verbracht, einen neuen Sternkatalog zu erarbeiten.

"Dieser schreckliche Mann"

In jeder klaren Nacht widmete er sich den Beobachtungen des Himmels. Doch so brillant er als Wissenschaftler und Instrumentenbauer war, so kalt und herzlos verhielt er sich gegenüber den ihm anvertrauten Inselbewohnern, so Klas Hyltén-Cavallius:

„Die Bauern hier lebten ehemals ziemlich frei. Es gab keinen Lehnsherrn hier vor Tychos Zeit. Dann ist dieser schreckliche Mann hierhergekommen, und die Bauern mussten hart arbeiten, um alle diese Gebäude zu bauen. Für die Bevölkerung hier waren diese 21 Jahren auf Ven sehr, sehr schreckliche Zeiten.“

Brahe und Kepler

Schließlich setzte ein neuer König dem Treiben des Astronomen ein Ende. Tycho Brahe zog nach Prag an den Hof Rudolfs II. Zu neuen Beobachtungen kam er dort nicht mehr. Auch die Versuche, aus seinen Messungen am Himmel die Planetenbahnen zu berechnen, schlugen fehl. Das gelang erst dem 25 Jahre jüngeren Mathematiker Johannes Kepler aus Weil, mit dem er in Prag zusammentraf – vor dem er aber einen Großteil seines Datenschatzes geheim halten wollte.. Und, sagt Klas Hyltén-Cavallius:
„Vielleicht war es Glück, dass Tycho 1601 starb. Weil dann bekam also Kepler alle Beobachtungen aus Ven, und er konnte also viele Jahre darüber sitzen und ruhig rechnen, und dadurch ist er also zu den Keplerschen Gesetzen gekommen.“

Brahe als Großvater des heliozentrischen Weltbilds

Erst 1609 war Johannes Kepler am Ziel: Planeten wie die Erde laufen nicht – wie seit der Antike angenommen – auf Kreisen, sondern auf elliptischen Bahnen um die Sonne und sie bewegen sich umso schneller, je näher sie der Sonne sind. Diese Erkenntnis schuf das mathematische Fundament für das neue heliozentrische Weltbild und verhalf ihm zum Durchbruch. Der Schüssel dafür waren die einzigartigen Beobachtungen von Tycho Brahe.